Wie vereinbart trafen sich Vidar und Rhaach am nächsten Tag bei der Schmiede. Obwohl Vidar vor Aufregung fast geplatzt wäre, war es ihm am Vorabend nicht schwer gefallen, Schlaf zu finden. Jetzt war er so fit, dass er vermutlich nicht einmal mehr Sprintsaft bräuchte. Rhaach übersprang die Begrüßung und ging gleich zum Wesentlichen über. „Hast du Gegengift dabei?"
„Fünf Stück", antwortete Vidar voller Zuversicht. Rhaach zog eine Augenbraue hoch.
„Fünf?", wiederholte er ungläubig. Ihm war das nicht genug. Natürlich nicht. Bestimmt musste er an die Quest mit dem Legiana denken, aber das hier war doch etwas ganz anderes. Auf den Legiana hatte sich keiner von ihnen vorbereitet. Rhaach hielt ihn immer noch für einen Jäger, der alles auf die leichte Schulter nahm. „Dafür habe ich so viele Nullbeeren wie möglich eingepackt!", erklärte Vidar in der Hoffnung, seinen Mentor damit zu beeindrucken, „Die nehmen weniger Platz im Beutel ein und man kann sie schneller einnehmen."
„Gut mitgedacht." Rhaach lockerte seine angespannte Haltung ein wenig. „Wie sieht es mit Tränken aus?"
„Komplett aufgestockt, genau wie Rationen. Einen Wetzstein habe ich auch dabei."
„Dann lass uns mal deine Rüstung ansehen." Rhaach selbst trug eine Rüstung aus Anjanath-Materialien. Vidar konnte sich so eine nicht leisten. Dafür hatte er aber bereits in der vergangenen Woche einen Rathian-Hüftring anfertigen lassen. Mit seiner natürlichen Feuerresistenz und dem zusätzlichen Schutz gegen Gift war er für diesen Kampf perfekt geeignet. „Hmm... Könnte besser sein, aber es wird gehen", meinte Rhaach. Er würde wohl nie zufrieden sein. „Ich hab hier noch etwas für dich." Er griff sich in den Nacken und löste eine Kette. Ein gelblicher Reißzahn hing an ihr. „Ein Talisman. Stärkt dich gegen Feuer-Attacken. Du wirst ihn mehr brauchen als ich." Damit hatte er Recht. Zwar benachteiligten die Kadachi-Rüstungsteile Vidar im Kampf gegen Monster mit Feuerfähigkeiten nicht, allerdings erhöhten sie seine Siegeschancen auch nicht. „Willst du deine Rüstung noch ändern?", fragte Rhaach. Er schüttelte den Kopf. „Dann lass uns vor der Abreise noch in der Kantine essen", fuhr der Ältere fort, „Ich will dir noch jemanden vorstellen."
Die Kantine war, wie immer um diese Zeit, gefüllt mit hungrigen Menschen. Tatsächlich konnte Vidar keinen komplett freien Tisch erspähen. Er fragte sich, wen Rhaach ihm vorstellen wollte. Bestimmt saß die Person bis jetzt ganz alleine an einem Tisch. „Wo setzen wir uns hin?", fragte er.
„Da vorne." Rhaach zeigte auf den steinernen Tresen direkt vor dem Kantinenchef. Nur zwei Plätze direkt neben einem riesigen Mann mit zerzaustem blonden Haar. waren noch frei. Der Hüne unterhielt sich angeregt mit dem Miauskulösen Koch. Vidar schien es, als würden sich die zwei schon lange kennen, jedoch erkannte er den Riesen nicht. Wenn er zu Astera gehörte, musste er lange fort gewesen sein oder Vidar hatte ihn immer übersehen. Bei seiner Statur war das unwahrscheinlich. Sehr unwahrscheinlich. „Rhaach!" Er hatte sich zu ihnen gedreht. Sein Gesicht wurde von einer großen Nase und buschigen Augenbrauen geprägt. Als er sich aufrichtete, war er ein ganzes Stück größer als Rhaach, welchen er jetzt kräftig umarmte. Es war ein Wunder, dass Rhaach nicht zerquetscht wurde. „Ist er das?", fragte der Hüne.
„Ja, das ist mein Schützling", bestätigte Rhaach, „Er heißt Vidar."
„Vidar... Ich bin der Admiral" Vidar fürchtete, er würde ihn auch umarmen und ihm dabei sämtliche Knochen brechen. Stattdessen hielt ihm jedoch nur seine ebenfalls riesige Hand hin. „Du willst also die Rosa Rathian jagen?", fuhr er fort, „Ich jage zwar schon lange nicht mehr, aber an eines dieser Biester kann ich mich noch ganz deutlich erinnern. Bevor ihr aufbrecht, haben wir noch einiges zu besprechen." Der Admiral setzte sich wieder auf den Steinhocker. Rhaach tat es ihm gleich und so folgte auch Vidar. Vor ihnen hantierte der kräftig gebaute Koch mit einer alten Palico-Waffe. Die Präzision, mit der er das Fleisch schnitt, war faszinierend. Dazu kam noch der köstliche Geruch der Gewürze. Vidar lief das Wasser im Mund zusammen. Er konnte sich kaum auf die Fragen konzentrieren, mit denen der Admiral ihn nebenbei löcherte. Rhaach antwortete sowieso schneller, und in den meisten Fällen auch genauer, als er es getan hätte. Der Miauskulöse Koch durchbohrte Vidar mit seinem verbliebenen Auge, welches wie ein Smaragd funkelte. „Für dich, Bohnenstange", grummelte er und schob ihm einen großen Teller mit viel Fleisch hin. Der Admiral und Rhaach wurden ebenfalls versorgt. „Ah! Das berühmte Jägergericht aus Asteras Küche!", rief der Admiral, ein besonders großes Stück Fleisch aufspießend, „Dafür komme ich immer wieder her." Auch wenn Vidar unbedingt zur Jagd aufbrechen wollte, so ging er das Essen langsamer an. Wenn er alles so schnell hinunterschlingen würde, würde er die Quest im Lager mit irgendeinem Kräutergetränk verbringen müssen.
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Monster Hunter - Das Herz Eines Jägers
Fanfiction[Fortsetzung zu In den Tiefen des Tals] Vidar ist wohlbehalten wieder in Astera angekommen und geht dem einfachen Jägerleben nach. Doch die Entdeckungen, die er bei seinem Abenteuer gemacht haben, regen die Forscher der Dritten Flotte an und schon...