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"Gay?" las Jimin mit den Gedanken durcheinander und sah den Patienten an, welcher ebenfalls den Blickkontakt suchte.

"Ich war sechzehn, kleiner Rebell, wollte meine Eltern schockieren." erzählte er und hustete schmerzvoll, da sein Hals durch den Schlauch etwas gereizt war. Doch er wollte mit dem Doktor um jeden Preis sprechen.

"Ich habe nur nicht daran gedacht, dass ich es falsch herum schreibe."
"So viel zum Thema Jugendsünden." murmelte Jimin belustigt und nahm sein Klemmbrett in die Hand. Seine schwitzige Finger hinterließen einen Abdruck seiner kleinen Hände auf dem Metall.

"Ich habe niemanden." gestand Yoongi und blickte reuevoll auf den Boden.
Jimin biss angespannt auf seine Unterlippe und rang mit sich selber.

Er verkrampfte seine Hand am Brett und seufzte. "Ich werde dir ein Programm anmachen."
Jimin griff zu der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an, welcher in der Ecke der Raumdecke zum Bett gerichtet war.

"Ich will lieber mit dir reden." erwiderte Yoongi und legte sein Kopf leicht schief.
Als Jimin sich wieder zu ihm umdrehte, ließ der laszive Blick des Patienten ihn kurze Zeit nicht los, während er trocken schluckte.

"Ich..." stotterte Jimin schon fast. "Ich muss zu Patienten."
"Kommst du mich besuchen, wenn du Zeit hast?" fragte Yoongi hoffnungsvoll und schmunzelte wissend.

"Ich weiß nicht, was du dir erhoffst, aber du weißt, dass ich dein Arzt und du mein Patient bist?" äußerte der Schwarzhaarige verlegen.
"Ich will bloß nicht allein sein." antwortete Yoongi unschuldig.

Verstehend nickte Jimin und schaute zum Fernseher. Es lief irgendeine Krimiserie, doch er kannte sie nicht.
Zeit für solche banalen Dinge wie Fernsehen hatte er wenig. Die meiste Zeit las Jimin die neusten Zeitschriften von Doktoren und ihrer neuen Erfindungen oder unentdeckten Krankheiten.

"Wenn etwas ist, kann dir eine Krankenschwester helfen." nuschelte Jimin gedankenverloren und räusperte sich. Er schaute nur kurz Yoongi an und ging aus dem Raum.

"Doktor?" rief Yoongi schnell, bevor Jimin komplett aus seinem Blickfeld verschwand. "Wirst du kommen?"
Schmunzelnd sah Jimin zu ihm und ließ ihn ahnungslos liegen.

[...]

Jimin wollte schon immer Arzt werden.
Menschen zu helfen war sein größter Traum und hinzu kam noch die Verehrung seines Vaters, welcher ebenfalls in der Medizin tätig war.

Er war ein anerkannter Chirurg und brachte Jimin der Medizin näher.
Da er die ruhige Hand seines Vaters geerbt hatte, wollte er erstmals ebenfalls in die Chirurgie, doch er hatte früh gemerkt, dass er den Druck nicht standhalten konnte.

Das Wissen, den Patienten mit einem falschen Schnitt töten zu können, konnte er niemals in den Hintergrund schieben.
Natürlich konnte er hier auf der Intensivstation auch falsche Medikamente geben oder etwas falsch machen, doch aus irgendeinem Grund hatte er Frieden auf der Etage gefunden.

Er liebte seinen Job und die verschiedenen Menschen zu treffen. Das schönste Gefühl war, wenn sie einen Patient gesund nach Hause entlassen konnten.
Den Tod wollte Jimin als Erlösung ansehen und versuchte sich somit einzureden, dass die Patienten nicht mehr leiden mussten.

Trotzdem war es hart, wenn jemand starb, obwohl man eine Besserung gesehen hatte. Es nagte an Jimin. Es nagte an alle.

"Wo bist du mit deinen Gedanken, Großer?" fragte ein älterer Mann und stellte sein rotes Tablett mit Kantinenessen vor Jimin.

Dieser blickte von seinem Teller mit Pommes und trockenem Schnitzel hoch und zwang sich zu einem kleinen Lächeln.
Der Grauhaarige sah über seine Brillengläser Jimin an und kräuselte seine Stirn. "Ist etwas passiert?"

"Ich denke nur nach, Dad." seufzte Jimin und lehnte sich etwas in seinem Plastikstuhl nach hinten. Sein Blick wanderte kurz durch die Kantine, während er seine Arme vor der Brust verschränkte.

Erst als er die langweilige hellgelbe Wand, die roten Stühle, die Besucher und Angestellte angesehen hatte, wandte er sich an seinen Vater.
"Ich habe einen Patienten mit Verbrennungen dritten Grades. Er überrumpelt mich etwas." erzählte er und nahm seine Brille von der Nase, um sie am Kittel zu säubern.

"Wieso überrumpelt er dich?" fragte Doktor Park Senior und stocherte in seinem Schnitzel herum.
"Er ist anders als erwartet. Große Klappe, irgendwie lebensfroh." murmelte Jimin und legte seinen Ellenbogen auf den Tisch, um auf seiner Hand sein Kinn zu betten.

"Er hat sich die Hände verbrannt und es scheint so, als hätte er es absichtlich getan. Er hat sich selbst verletzt und es war nicht sein erstes Mal. Sein Torso hat verbrannte Hautstellen und vor drei Jahren war er wegen verbrannten Füßen im Krankenhaus. Wer hasst sich so sehr, dass er sich so stark verbrennt, bis die Nerven und Hautschichten abgestorben sind?"

"Du kennst seine Geschichte nicht." antwortete der Ältere und sah seinen Sohn kritisch an. "Es ist nicht dein erster Patient mit einem Selbstverletzungsverhalten. Wieso ist es für dich so persönlich?"

Nachdenklich steckte sich Jimin eine Pommes zwischen die Zähne und zuckte mit den Schultern. "Vielleicht, weil er anders ist."
"Wie meinst du das?"

"Welcher Mensch droht aus Spaß damit, seine Hände erneut zu verstümmeln, kurz nachdem er aus seinem Koma gekommen ist? Und dann flirtet er mit mir, anstatt sich auszuruhen und zeigt mir sein Rebellentattoo, welches er für seine homophoben Eltern gestochen hat." erzählte Jimin und verkrampfte sich wütend.

Er war wütend auf sich selbst, dass er überhaupt so lange mit ihm gesprochen hatte, obwohl er Bettruhe brauchte.

"Jimin, ist es persönlich, weil er schwul ist?"
Perplex schaute Jimin seinen Vater an. War es das?
"Ich habe Glück und er nicht." murmelte Jimin und senkte seinen Blick. "Wenn ihr mich nicht akzeptieren würdet, dann hätte ich auch mit Verbrennungen im Krankenhaus liegen können."

"Du kennst seine Geschichte nicht." wiederholte sein Vater. "Du weißt ganz genau, dass es mehrere Wege gibt. Nur weil man nicht akzeptiert wird, muss man sich nicht selbst verletzten. Wer sagt, dass du dich nicht verletzen darfst, nur weil wir dich akzeptieren? Selbstverletzungsverhalten tritt als Symptom einer psychischen Störung auf und du weisst, dass solche Krankheiten  jeden treffen kann; Egal, ob man akzeptiert wird oder nicht.

Muss er die ganze Zeit ein trauriges Gesicht ziehen, weil er sich selbst verletzt? Du weißt doch ganz genau, dass depressive Menschen in Gegenwart anderer laut und glücklich sein können. In der Nacht oder allein kommen die Gedanken und ersticken einen. Also sei nicht so verwundert, wenn er Freude beim Flirten hat oder Späße treibt."

Beschämt nickte Jimin und stand langsam auf. "Ich muss jetzt zu meinem Patienten."

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Ich bin echt froh, dass sie bei euch gut ankommt ^^
Es ist ein schwieriges Thema und ich möchte niemanden damit wütend machen oder verletzen, falls ich etwas falsches schreibe oder so :)

Und die Updates kommen leider nur wöchentlich (ɔ◔‿◔)ɔ
I'm sorry

Doctor ParkʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWo Geschichten leben. Entdecke jetzt