𝕾chluckend blickte sie zur Seite, um dem stummen Blickduell der Geschwister zu entgehen. Während sich im Gesicht der Lady plötzlich etwas flehendes breit gemacht hatte, so hatte Élodie in den Augen des Herzogs puren, unverfälschten Schmerz erkannt.
Die nonverbale Diskussion der beiden trug sich schließlich so weit, dass Duc Vincent sich mit geballten Fäusten das Besteck schnappte, tief ausatmete und die Lady kommentarlos anfing zu essen, während die Spannung im Raum die Hände des Mädchens schwitzig machte. Der Sieger des Duells blieb für Elodie unerkannt. Sie wagte es sogar zu bezweifeln, dass es einen gab, denn bei beiden konnte sie keinen Deut Genugtuung oder Triumph feststellen.
„Wir haben unterschiedliche Mütter." Der Satz klang zu erzwungen, als dass ihn Jade freiwillig gesagt haben konnte. Der Herzog hatte also den Kampf für sich entschieden, deutete Élodie.
Die komplette Situation war der Rothaarigen ziemlich suspekt und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was hier vor sich ging. Die komische und dubiose Stimmung zwischen den adeligen Geschwistern war mehr als angespannt. Und sie wollte der Ursache auf den Grund gehen, ehe sie sich dazu zwang, sich zu erinnern, dass es sie nichts anzugehen hatte. Verflucht sei ihre unangebrachte Neugier!
„Ah", antwortete die Grünäugige wissend und mit der Absicht, das Thema fallen zu lassen. Vielleicht würde sie später einfach ihre neuerworbene Zofe Lola oder gar die Lady selbst fragen. Vor dem Herzog schreckte sie allerdings noch ein wenig zurück. Seine Gemütsschwankungen verunsicherten Élodie und sie könnte nicht verhindern, in ihrem tiefsten Inneren zu befürchten, dass er ihr weh tun würde. Ernsthaft verletzen, und keine Oberflächlichkeiten, die sie noch wegstecken konnte. Das lag nicht an ihm als Person, soviel wusste sie, ganz gleich, ob er ein wenig dazu neigte, ihr mit Worten - unabhängig davon, ob absichtlich oder nicht - zu schaden.
„Wäre es möglich, später auf den Markt zu gehen?", fragte die Grünäugige Rothaarige als sie das Essen bei Seite schob, da ihr Appetit angesichts der Umstände am Morgen, schwand. Élodie hatte noch Geld übrig und auch wenn ihre Glieder sich ziemlich schlapp anfühlten, brauchte sie dringend Kräuter, von denen sie sich nicht sicher war, ob sie hier im Hause vorhanden waren. In diesem Thema lautete ihr Motto:
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!
Die Kräuter würde sie für den Tee benutzen, den sie jetzt für den Beginn der Abortionssymptome und während ihrer Regelblutung gegen die Beschwerden konsumieren wollte. Nur ein wenig Baldarin da sie nicht mehr so gut schlief, wie sich am heutigen Tag bemerkbar gemacht hatte, Grüntee gegen die Übermüdung - den sie logischerweise nicht gepaart mit dem Baldarin einnehmen würde -, Minze und Kamille, beides für die Bauchkrämpfe. Letzteres würde sich ebenfalls gegen ihren Kopfschmerz eignen.
„Leider nicht, ich bin heute Morgen erst von der Reise heimgekehrt und fühle mich noch ziemlich kaputt. Allerdings wäre es morgen möglich!", schob Jade noch schnell hinterher. Sie lächelte entschuldigend, während sie sich die schwarze Mähne sanft hinter die Ohren strich und sich wieder dem Frühstück widmete.
„Schon in Ordnung, es hat keine Eile.", beschwichtigte sie. Natürlich war das völlig gelogen, erinnerte just wenige Sekunden später ein dumpfes Stechen an der Schläfe. Hoffentlich überstand Élodie den heutigen Tag und die heutige Nacht, vor der es ihr am meisten graute. Sie bemühte sich durch die Nase ein- und aus Mund auszuatmen, um den hässlichen Schmerz weitestgehend in den Griff zu bekommen.
Wenn es so weiter ging, würden sie die Kopfschmerzen noch umbringen. Und vielleicht sollte es so sein, sie könnte dann bei ihren Liebsten verweilen, wo auch immer dieser Ort sein mag, und den seelischen Leiden entgehen.
Dennoch riss die junge Frau die Augen auf, als sie bewusst wahrnahm, woran sie eben gedacht hatte und schüttelte kaum merklich fassungslos das Haupt. Das war nicht sie. Melancholie und Verbitterung waren und sollten nie Teil ihres Seins werden. Es war die Trauer, die aus ihr solch einen Blödsinn sprach, sie benebelte ihren Geist und das durfte Élodie unter keinen Umständen nochmals zulassen.
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Rufe der Freiheit
Historical FictionFrankreich, 1800 n. Chr. Noch Ende des Jahres 1799 n. Chr. konnte Napoléon Bonaparte zurückblicken und Stolz sein Erfolg feststellen. Die Französische Revolution wird für beendet erklärt und die Bürger sind zufrieden, jedoch starb gleichzeitig Élodi...