7. Kapitel

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Mein letzter Besuch.

Mein letzter Besuch bei John. Wie sehr mich die Erinnerungen gleichzeitig quälten, sowie auch erleichterten. John und ich waren im Frieden miteinander auseinandergegangen, jedoch hätte ich viel mehr zu ihm sagen müssen, wenn ich gewusst hätte, dass dies unsere letzte Begegnung sein würde. John war tot und ich hatte ihm nie gesagt, dass auch ich diese Gefühle gespürt hatte; dass ich an unsere Küsse denken musste; dass ich gern Zeit mit ihm verbracht hatte; dass ich seine Nähe genossen und seinen Duft geliebt hatte... So viele Dinge, die er nun niemals erfahren würde.

An diesen Briefen klebten Erinnerungen an diese vergangenen Zeiten. Sie hielten sie fest, machten sie lebendig und trugen mir Bilder in den Kopf von der Zeit, in welcher ich John geliebt hatte, mir aber nie im Klaren darüber gewesen war.

Es war vorbei.


„Paul?" Johns Stimme – sie hatte sich kaum verändert. Überrascht blickte er mich an und trat beiseite, damit ich hereinkommen konnte. „Paulie?" Die Art, wie er den Namen aussprach, genau wie früher, hinterließ ein Kribbeln auf meiner Haut.

„Hi!", sagte ich unpassenderweise. Ich hatte mich nicht angekündigt, aus Sorge, dass er mich nicht zu sich lassen würde. Es war keine gemeine Absicht von mir gewesen, eher das Gegenteil. Es war seltsam, John vor mir stehen zu sehen, so anders und älter, aber doch fühlte es sich gleich an, auch wenn wir unsere unterschiedlichen Leben führten. John und mich verband so viel mehr als eine Jugendfreundschaft und eine Band. Uns verbanden Tiefen und Höhen, Verluste und Liebe, Hype und Frust.

Sein Apartment war groß und schick. Helle Möbel füllten das Wohnzimmer und große Fenster eröffneten den Blick auf New York. Mir gefiel es, aber ich bevorzugte lieber meine Farm.

„Ehh, komm, warte, ich mach uns Tee.", stammelte John und eilte geschäftig in die Küche.

Interessiert sah ich mich um, betrachtete die Bilder von seiner neuen Familie, von Yoko, von Sean, und setzte mich schließlich auf das Sofa, gerade als John mit dem Tee zurückkam. Höflich reichte er mir eine Tasse.

John wirkte nervös, irgendwie aufgewühlt. Kein Wunder, ich hatte ihn mit diesem Besuch ziemlich überrascht. Vielleicht hoffte er ja ebenso wie ich, dass wir unsere Differenzen ein für alle Mal beseitigen könnten und wieder miteinander harmonisierten. Ich erwartete keinesfalls die gleiche enge, vertraute Freundschaft wie damals, aber ich wollte ihn wieder als meinen alten Freund bezeichnen.

„Du hättest mir ja wenigstens kurz Bescheid geben können.", meinte John spitz und pustete in seinen Tee. „Ein kurzer Anruf hätte genügt."

„Überraschungen vergrößern die Freude.", gab ich zurück und blickte John an. Früher hätte er sich einen Finger abgeschnitten, damit er seine Brille nicht tragen müsste.

„Warum bist du hier?", fragte John grade heraus. „Sag nicht, um mich zu besuchen, Paulie, wir sind nicht mehr dieselben wie früher. Du kommst mit einem Grund."

„Um dich zu sehen.", gab ich ehrlich zu, aber John glaubte mir nicht, ich las es in seinen Augen. Es schimmerte etwas, eine Wunde, eine Verletzung, die ihn immer noch tief in seinem Inneren schmerzte. Der Grind hatte sie nie vollständig bedeckt und nun riss er weiter auf, öffnete diese Wunde erneut, ließ sie bluten und ziehen.

Mit einem geräuschvollen Ausatmer wandte er sich von mir ab. „Ich würde dich ja gern hier herumführen, aber ich glaube, es interessiert dich nicht." John stand vom Sofa auf und breitete seine Arme voller Sarkasmus aus.

Ich tat, als würde ich seine Ironie nicht bemerken. „Doch, ich würde sie sehr gerne sehen.", sagte ich freundlich.

„Paul!", fuhr John mich an. „Sag mir doch, warum du hier bist! Nicht, um mein Apartment zu betrachten, nimm mich bitte nicht auf den Arm. Spucks doch aus! Wann lernst du endlich, dass es besser ist, sofort mit den Wahrheiten herauszurücken, anstatt immer deine Gefühle vorzutäuschen und Menschen in den Glauben zu lassen, du würdest sie lieben."

Mein Herzschlag beschleunigte sich und sofort bildete sich ein Klumpen in meiner Brust. „Ich wollte dich niemals belügen.", wisperte ich. In meinem Geiste sah ich den jungen John vor mir, wie er neben mir saß, mein Gesicht sanft streichelte und mich schließlich küsste. Diese Erinnerungen wühlten alles in mir auf und ich atmete schwer.

Ruhig ließ sich John wieder neben mir nieder und stellte seine Tasse auf den Couchtisch. „Paulie...", murmelte er und strich mir eine Strähne hinter das Ohr. „Du bist so ein Arsch, dass du einfach hier aufkreuzt. Ich hätte doch viel mehr vorbereitet, wenn ich von deiner Ankunft gewusst hätte." Warm spürte ich seinen Atem auf meiner Haut. Er war mir so nah und ich starrte voller Nervosität nach vorn, seine Nähe neben mir sehr wohl bewusst. Seine Finger berührten immer noch meine Haare, mein Ohr und strichen mir zärtlich über meine erhitzte Haut.

„Du hättest nichts vorbereitet.", konterte ich.

„Der Tee hätte schon bereit gestanden.", scherzte John und ließ – endlich? – von mir ab. Ich konnte nicht erkennen, ob ich erleichtert darüber war oder nicht. Doch ich wusste, dass es falsch war. Wir beide hatten Frauen, wir hatten mit der Vergangenheit abgeschlossen. Oder?

„Komm Paul! Ich zeige dir meine neue Musik."

John führte mich dann doch noch durch sein Apartment, zeigte mir seinen wunderschönen Flügel und wir hörten gemeinsam seine Plattensammlung. Es war wunderschön, aber wir sprachen weder über unsere damalige Beziehung zueinander, wie wir gefühlt hatten und was mit uns passiert war, noch über unsere kürzliche Annäherung, auf seinem Sofa.


Es war keine Schüchternheit gewesen. Das war nicht die Entschuldigung, es gab nämlich keine. John hatte mir genau gesagt, wie er gefühlt hatte. In seinen Briefen, aber auch bei unserem letzten Treffen. Ich hatte es einfach nicht glauben wollen, hatte mich auf dumm gestellt, aus Sorge, ich könnte doch falschliegen, aus Sorge, was dann passieren würde.

Ich hasste mich dafür.

Hätte ich von Anfang an reagiert, was wäre dann geschehen? All die Zukunft, sie hätte sich verändert, alles wäre anders gekommen...

Wäre John überhaupt ermordet worden?

Diese Erkenntnis folterte mich jedes Mal aufs Neue. Sein kürzlicher Tod, die Nachricht, der Anruf, die Schmerzen, all das lastete so schwer auf mir.

Doch Schmerzen können heilen. Man muss sich ihnen stellen, sie zulassen, sie akzeptieren, die Tränen laufen lassen, bis man mit ihnen abschließen kann. Es wird heilen – es wird auf ewig eine Wunde hinterlassen, doch diese Wunde wird zur Narbe werden, sie wird Grind tragen und zu dir gehören; sie wird ein Teil von dir sein. Je mehr man sich damit auseinandersetzt, desto besser kann man darüber reflektieren und klar denken. Ein Tod gehört zum Leben dazu, er ist praktisch ein Abschnitt davon, genau wie die Geburt. Niemand weiß, was nach dem Sterben geschieht, das bedeutet aber nicht, dass es etwas Schlechtes ist. Manche Tode kommen zu früh, sind zu brutal, zu grausam, aber John geht es nicht mehr schlecht. Seine Vertrauten, Familie und Freunde sind die, die darunter leiden, nicht er selbst.

„Ich hoffe, dir geht es gut John.", flüsterte ich, umgeben von all den Briefen, die er mir geschrieben hat.

John hat so viel gelitten, Wut gehabt, versucht, die Welt zu verändern – nun findet er seinen Frieden, in einer besseren Welt, in Harmonie und Ruhe.





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Das war das letzte Kapitel, dieser kurzen Fanfiction. Ich hoffe, es hat euch gefallen, auch wenn sie nicht allzu lang war, aber sie war nicht dazu ausgelegt, viele Kapitel zu beinhalten.


Habt einen schönen Tag! :)


- Aelfthryd12

McLennon "Words Of Love"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt