Kapitel 1-Neuanfang

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Schon wieder griff er zu. Schon wieder erhöhte er den Druck um meine Handgelenke. Schon wieder fasste er mich an. Er wollte es so sehr. Und ich konnte nichts tun, als einfach nur dazuliegen. Seit 5 Jahren tat er das schon. Ich kann mich einfach nicht mehr wehren, die Kraft dazu fehlt mir. „Bitte. Hör auf" wimmerte ich immer wieder. Doch es schien so, als würde er mich nicht hören. Als würde er mich seit 5 Jahren nicht hören.

„Sophia, wach auf" sofort schlug ich meine Augen auf. Panisch atmete ich laut und schwer, nahm den Umriss meiner besten Freundin nur schwach wahr. Mein ganzer Rücken war schweiß gebadet. „Sophia!" sagte sie nun etwas lauter und holte mich aus meiner Traumwelt zurück. „Wir sind viel zu spät, wir müssen los" ihr Ton war mitfühlend, aber auch ernst. Schließlich hatte sie dieses Drama seit 6 Jahren am Hals. „Ich...Ich" „Schon okay. Du brauchst nichts sagen" sie half mir aus dem Bett und rüber in die Dusche. Immer, wenn ich nach solchen Träumen aufwachte, war ich wie paralysiert. Ich bekam nur leicht mit, wie sie mich auszog und abduschte. So verschwitzt konnte ich ja nicht zu meinem ersten Arbeitstag erscheinen. Doch meine Gedanken waren woanders. Stöhnend sah sie auf die Uhr und bemerkte, dass wir jetzt schon zu spät waren. Sie half mir wieder raus, zog mir neue Sachen an und schleppte meinen gar leblosen Körper ins Auto. Wie immer musste sie fahren. Schweigend sah sie aus dem Fenster, ich wollte nicht darüber reden. Das war auch gar nicht nötig, sie wusste auch so, was los war. Nach 6 Jahren konnte ich immer noch nicht vergessen was in meiner Kindheit passiert war. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen, als ich 2 war. Mit 4 brachte sie einen Mann an, den sie noch im selben Jahr heiratet und der, sobald meine Mutter schlief, mir jede Nacht einen Besuch abstattete. Mit 4 Jahren wollte er, dass ich ihn anfasse, dass ich Dinge mit ihm tue, die meine Mutter nicht tun wollte. Das ging weiter, bis ich 11 war. Mit 11 Jahren bekam ich meine Tage und wurde entjungfert. Es war ein Leben, an das ich mich im Laufe der Zeit gewöhnt hatte. Es war ein Leben, das für mich normal war. Mit 16 traf ich Carina, sie kam aus Seattle und wir lernten uns im Urlaub kennen. Sie war die erste Person, der ich mein Geheimnis anvertraute. Sie gab mir den nötigen Mut, um von zuhause abzuhauen und mich nie wieder dort blicken zu lassen. Sie stammt aus einer reichen Familie mit Ärzten, die mein Medizinstudium bezahlten und mich bei ihnen wohnen ließen. Als Carinas Opa starb, vererbte er ihr ein Haus, in dem wir nun zusammenleben. Sie ist der einzige Mensch, dem ich wirklich vertraue.

„Erster Arbeitstag und direkt zu spät? Sie wollen sich wohl direkt einen Namen machen?" bekamen wir den ersten Anschiss der Assistenzärztin, der wir zugeteilt waren. Ihr Name war Miranda Bailey und war auch unteranderem gut bekannt unter „Der Nazi". Wenn uns jemand mal blöd kam, war ich nie diejenige, die Partei ergriff. Ich wollte mich lieber zurückhalten. Carina sprach immer für mich. Das Studium so wie mein Abitur habe ich mit Bestleistungen bestanden, da ich schon immer gerne lernte und das Lernen meinem Leben einen gewissen Sinn gab, der vorher immer das Spielzeug meines Stiefvaters war. „Tut uns leid" entschuldigte sich Carina für uns. Ich hatte immer noch nasse Haare, da es fürs Föhnen nicht mir gereicht hatte. Bailey nahm mich schon ins Visier, weil ich nichts gesagt hatte und offensichtlich der Grund für die Verspätung war. „Hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit" abfällig musterte sie uns bevor sie den langen Gang entlang schritt. Wir ihr hinter her, wie Entenküken ihrer Mutter. Alles hier war so neu und aufregend für mich. Eine komplett neue Welt, die mich hoffentlich den Schmerz meines vorherigen Lebens vergessen lassen wird. Sie führte uns herum, zeigte uns die wichtigsten Räume und verschiedene Patienten. Am Ende der Führung drehte sie sich zu uns um und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie blieb vor einem großen Raum stehen, aus dem Stimmen kamen. „Wir werden jetzt in die Sitzung des Vorstandes des Krankenhauses gehen. Er besteht nur aus Ärzten unseres Hauses, das zeichnet uns aus. Unser Chefarzt Doktor Hunt möchte euch kennenlernen. Die anderen Oberärzte dort im Raum, werdet ihr später besser kennenlernen. Benehmt euch!" sie öffnete die Türe zu dem Raum und ließ uns eintreten. Um einen großen Tisch in der Mitte des Raumes saßen 7 Ärzte, 4 Männer und 3 Frauen. Ein Mann mit roten Haaren und Bart, saß am Tischende. Auf seinem Kittel stand: „Owen Hunt, Chief of Surgery" also der Chefarzt der Chirurgie. Zu seiner rechten saß ein Mann mit dunkelbraunem Haar und drei Tage Bart. Seine blauen Augen sahen gar uninteressiert an uns, auf ein Blatt vor ihm, auf dem er sich gerade etwas notierte. „Derek C. Shepherd, Chief of Neurosurgery" der Oberarzt der Neurologie. Als er endlich aufsah, beachtete ich die anderen nicht mehr, da ich diesem Oberarzt wirklich all meine Aufmerksamkeit schenkte. Er drückte kurz auf das Ende des Kugelschreibers und fuhr somit die Miene ein. Er legte den Stift hin und ließ seinen Blick durch die Reihen schweifen. Das der Chefarzt gerade mit uns sprach, bekam ich nicht mit. Als der Blick des Oberarztes an mir hängen blieb, stockte mein Herz kurz und ich sah sofort von ihm Weg. Man weiß ja nie, was für Absichten solche Männer haben. „Traumatologie, Orthopädie, Kardiologie, Pädiatrie, Neurologie, plastische oder Allgemeine. In einem dieser 7 Gebiete werden Sie am Ende landen. Ihr werdet im Laufe eurer Reise hier rausfinden, wo ihr euch zugehörig fühlt. Zu eurem Glück habe ich hier an meinem Tisch die Leiterin der Pädiatrie, Doktor Arizona Robbins, die Leiterin der Orthopädie Doktor Callie Torres, die Leiterin der Kardiologie Doktor Cristina Yang, sowie den Leiter der plastischen, Doktor Mark Sloan, den Leiter der Allgemeinen, Doktor Richard Webber, den Leiter der Neurologie, Doktor Derek Shepherd, sowie mich, als Leiter der Traumatologie. Wir 7 werden euch tatkräftig dabei unterstützen, euren Platz hier zu finden. Und jetzt möchte ich unsere Oberärzte, sowie Sie nicht weiter aufhalten und wünsche einen schönen Tag" er setzte sich wieder und direkt neigte sich Shepherd zu Sloan rüber und die beiden tuschelten über irgendwas. War es über mich? „Die waren heiß...nicht wahr? Vor allem der Typ von der plastischen. Von dem würde ich mir gerne die Brüste machen lassen" scherzte meine beste Freundin als sie merkte, dass ich wieder komplett in Gedanken versunken war. „Jaja" sagte ich gleichgültig und folgte nur unserer Entenmama Bailey. Ich dachte immer noch an den Arzt mit den stechendblauen Augen, die mich für einen kurzen Moment ansahen. Wahrscheinlich machte ich mir mal wieder zu viele Gedanken, aber ich konnte das einfach nicht abstellen.

Der Arbeitstag neigte sich solangsam dem Ende zu. Er war ganz schön gewesen. Ich hatte mich zwar nicht getraut, etwas zu sagen, aber arbeitete daran das abzustellen. Die Anderen Interns waren auch ganz nett zu uns. Naja, eher zu Carina als zu mir. „Kommt ihr noch mit rüber in die Bar?" fragten sie uns als wir uns alle fertig umgezogen hatten. Ich signalisierte Carina mit meinen Blicken, dass ich nicht wollte. „Klar, wir gehen gerne mit" sie ignorierte mich einfach und schleppte mich mit hinaus. Die Kälte und die Dunkelheit holten mich wieder zurück aus dem Leben als Assistenzärztin im ersten Jahr. Es war wie eine andere Welt dort drin und ich war mir sicher, ich würde es irgendwann schaffen, eine fantastische Ärztin zu werden.

Derek Shepherd- Der Schatten der WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt