Kapitel 2- Die erste OP

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Am nächsten Morgen waren wir ausnahmsweise mal pünktlich. Carina hatte einen Typen aus der Bar abgeschleppt und am nächsten Morgen direkt rausgeschmissen. Das lief immer so, nichts neues. Es störte mich auch gar nicht, so hatte ich meine Ruhe. Wir gingen in die Umkleiden und zogen unsere Kittel an, die den meisten von uns ziemlich gutstanden. Mit freudigem Blick sah ich in den Spiegel, der in meinem Spint hing und sprach mir gedanklich Mut für den kommenden Tag zu. Da wir direkt das Härteste zu Anfang haben sollten, war unsere erste Haltestadion die Neurologie unter der Leitung des blauäugigen Oberarztes von gestern. Der Typ, mit dem Blick. Wir reiten uns alle auf der Galerie ein. Es war 7 Uhr und die erste OP lief gerade. Wir sahen über das schräge Glasfenster hinunter in den OP, wo 2 Ärzte mit 4 OP-Schwestern eine Operation durchführten. „Ist das spannend!" flüsterte mir Carina zu. Ich nickte und bestätigte somit ihre Aussage. Die Neurologie war wirklich faszinierend. Ich kannte die beiden Ärzte nicht, die gerade operierten. Es war eine OP an der Wirbelsäule eines Patienten. Durch die Lautsprecher hörten wir jedes Wort, das unten gesprochen wurde. Mit Skalpellen arbeiteten sie sich den Weg vor in den Körper des Patienten. Die Türe zur Galerie ging auf, was ich aber nicht weiter beachtete. Ich sah dem Geschehen gespannt zu. Wie die Ärzte sich an einem kleinen, aber komplizierten Tumor versuchten. „Dr. Shepherd" Bailey nickte dem Oberarzt zu und sofort blickte ich auf. Er stand wenige Schritte neben mir und sah mit zufriedenem Blick in den OP hinab. Wieso machte er die OP nicht? Als die Türe erneut aufging, sah er zur Türe nachhinten. Ich beobachtete ihn dabei. Er lächelte dem Arzt zu, der gerade hineingekommen war und ließ seinen Blick wieder zurückwandern. Sein Blick blieb erneut an mir hängen. Ich erwiderte seinen Blick, aber nur weil ich nicht bemerkte, dass er es ebenfalls tat. Beziehungsweise, ich realisierte es nicht. Er spannte seine Kieferknochen an und zwinkerte mir zu, bevor er wieder der OP zusah. Geschockt sah ich ebenfalls weg. Mir wurde unwohl und wohl zugleich. Wieso hatte er das gemacht? Will er etwa was von mir? Was hat er für Absichten? „Sophia" Carina verpasste mir einen kurzen Schlag mit ihrem Ellenbogen. „Was soll das?" flüsterte ich ihr zu und legte meine Hand auf meinen Arm, der kurz schmerzte. „Starr ihn nicht so an" erkannte ich da etwa ein Grinsen in ihrem Gesicht? „Was grinst du bitte so?" sie grinste nur noch mehr, aber ignorierte meine Frage. „Carina" mein Ton war vorwurfsvoll. „Hast dich voll verknallt" flüsterte sie und sah währenddessen der OP zu. „Ich habe...Nein. Sicher nicht. Was redest du da wieder für Schwachsinn?" sie rollte nur mit den Augen und sah nun zu mir rüber. „Verbiete dir nicht irgendwelche Männer attraktiv zu finden. Das ist normal. Vollkommen normal. Und so wie es aussieht, findet er dich auch attraktiv" sie machte mich darauf Aufmerksam, dass er wieder hersah. „Was will er nur?" fragte ich sie total überfordert mit der Situation. „Er will...Dich" scherzte sie und lachte daraufhin. Auch wenn es nur ein Scherz war, brachte er ungewollte Gefühle von mir hoch. Gefühle, die ich nicht mochte. Erinnerungen, die ich nicht mochte. „Wir können nun wieder gehen, die OP ist zu Ende" verkündete Bailey. Wir verließen daraufhin den Raum. „Wer von euch kann mir sagen, wann eine Kraniektomie durchgeführt wird?" meldete er sich zu Wort. Schweigen. „Komm Sophia, das weißt du doch auswendig!" forderte Carina mich auf, was zu sagen. „Nein. Ich kann das nicht" meine Hände fingen an zu zittern und ich konnte mich einfach nicht dazu überwinden, die richtige Antwort zusagen. „Doktor Keen und Doktor Jones. Haben Sie eine Ahnung?" offensichtlich hatte er bemerkt, wie wir tuschelten. Er hatte uns drangenommen. Mein Herz schlug unfassbar schnell und ich fing an zu schwitzen. „Eine Kraniektomie wird durchgeführt, wenn..." ich konnte dem Blick des Oberarztes nicht standhalten. „Wenn der...Der" „Sie wissen es. Sagen Sie es ruhig, keine Angst" sprach er mir Mut zu und lächelte. Er steckte mich mit seinem Lächeln an. „Wenn der Hirndruck des Patienten verringert werden muss um Platz für das Volumen des Hirns zu schaffen. Nachdem der Druck ausgeglichen wurde, wir der Teil der Schädeldecke wieder eingesetzt, also Reimplantiert" überrascht darüber, dass ich so viel gesagt hatte, schluckte ich kurz. Shepherds Blick war eine Mischung aus Stolz und Belustigung. „Sehr gut. Ich erlaube Ihnen, heute Abend mit mir eine Kraniektomie durchzuführen. Sie dürfen danebenstehen und zusehen. An die Anderen, ihr habt viel aufzuholen" mit diesen Worten ging er. Was ist gerade passiert? Meine erste OP? Carina war neben mir schon total am ausflippen. „Oh der steht sowas von auf dich! Ihr habt heute Abend ein Date...Zwar in einem OP, aber ein Date!" freudig sprang sie herum. Ich musste ebenfalls lächeln, da ich mich dank ihm getraut hatte, diese Chance zu ergreifen. Vielleicht ist er doch nicht so ein schlimmer Typ, wie ich eigentlich dachte. Naja ok, so eine OP beweist nicht das Gegenteil.

Während die anderen aufmerksam den Worten Baileys lauschten, wurde ich immer nervöser, umso später es wurde. Das einzige an was ich denken konnte, war die OP heute Abend. Es war schon 18 Uhr, Shepherds OP war auf 20 Uhr angesetzt. Sie würde ungefähr 4 Stunden dauern. 4 Stunden, in denen er eine Kraniektomie durchführte, eine Sonde in das Gehirn des Patienten implantierte und die Schädeldecke danach wieder schloss. 4 Stunden mit ihm auf engstem Raum. Zum Glück waren auch noch andere dabei. „Aufgeregt?" fragte Carina, als wir auf dem Weg zur Kantine waren. „Und wie. Ich darf zwar nur zuschauen, aber trotzdem. Das ist die erste OP!" „Und dann auch noch mit ihm" ich ignorierte ihr an-spielerisches Grinsen einfach. „Während du mit dem heißesten Arzt des Seattle Grace im OP stehst, werde ich zuhause im Bett liegen und schlafen" „Wie? Ich dachte du schaust zu?" schockiert sah ich zu ihr rüber und setzte mich an einen Tisch. Mit ihm im OP zustehen ohne dass Carina auf mich aufpasste, löste in mir ein unangenehmes Gefühl aus. „4 Stunden OP? Abends? Nein danke. Außerdem seid ihr in keinem OP mit Galerie. Alles privat" wieder grinste sie. „Kannst du dieses zweideutige Grinsen bitte lassen?" forderte ich sie auf und sah auf meine Finger, die ich nervös aneinander rieb. Sie seufzte nur. „Du weißt, dass er dir nichts tun will? Er wird nur mit dir im OP stehen. Er wird sich gar nicht auf dich konzentrieren. Es sind nicht alle Männer wie" ich ließ sie nicht ausreden. „Sag seinen Namen nicht" zischte ich und bemerkte dann, dass das unhöflich war. „Sorry. Ich bin nur so nervös...Kannst du nicht für mich gehen?" sie nahm meine Hand und sah mich lächelnd an. „Du schaffst das. Du bist die beste von uns. Du wirst in diesen OP gehen und ihm zeigen, dass du die beste Wahl bist, die er hätte treffen können" sprach sie mir Mut zu. Dankend lächelte ich. „Wie soll ich ihm das beweisen, wenn ich nur zuschaue?" sie überlegte kurz. „Das...Habe ich nicht bedacht" ich lachte und schüttelte den Kopf. Sie stimmte auf mein Lachen ein und meine Nervosität war für kurze Zeit verschwunden.

Derek Shepherd- Der Schatten der WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt