Marius hatte ich nichts von dem Traum erzählt. Es war mir peinlich und um ehrlich zu sein, hatte ich Angst, dass er mich dann hassen könnte. Ich war überzeugt, dass der viele Kontakt zu Julian in letzter Zeit dazu geführt hatte. Ich brach also kurzer Hand den Kontakt ab. Ich schrieb einen endlos langen Text um es zu erklären. Ich blockierte Julian nicht einmal Ich wusste, dass er ohnehin nicht mehr antworten würde. So war er nun mal seit der Trennung. Mein geistiges Wohlergehen interessierte ihn nur noch einen feuchten Dreck. Das tat mir im ersten Moment schon etwas weh, aber ich fand mich damit ab. Wir waren immerhin nicht mehr zusammen, also ging es ihn offiziell nichts mehr an. Alle Gespräche waren nur sehr Oberflächlich, denn ich traute mich nie ihn auf ´unangenehme´ Themen anzusprechen, da er bei so was oft dann nicht mehr offen war, über so etwas zu reden. Zumindest kam er mir dabei nie ernst vor. Er dachte wohl auch nie wirklich darüber nach. Aber naja, so war es. Ich hatte eigentlich niemanden mehr außer Marius. Mit Milena hatte ich mich Ende 2019 auseinandergelebt. Naja und nach unserer Versöhnung war sie nur noch ´krank´ und konnte sich nicht mit mir treffen. Ich bekam jedoch mit, dass sie sich mit ihren anderen Freundinnen traf. Das verletzte mich. Und mit Marius wollte ich ja natürlich nicht über den Traum mit meinem Ex reden. Ich wollte es ihm ersparen. Er bekam es auch nicht mit, dass es mich belastete. Die Nacht darauf hatte ich einen weiteren Traum. Ich, Marius, Julian und Franzi saßen am Esstisch bei Julian zuhause. Alle verstanden sich prächtig. Julian wollte in die Küche gehen um das Essen zu holen. Am Türrahmen stockte er und schaute mich an. Marius und Franzi waren in ein Gespräch vertieft. Mit seinen Lippen formte er die Worte ´´Ich liebe dich´´ und verschwand. Das war auch schon das Ende. Ich begann mich zu fragen was mir mein Unterbewusstsein damit sagen wollte. Fühlte ich noch etwas für Julian? Konnte es sein, dass meine Sympathie für ihn wieder stärker wurde? Dieser Gedanke machte mir Angst. Was wäre, wenn ich Marius dann nicht mehr liebe? Ich wäre wieder ganz allein. Ich wollte es aber nicht. Ich würde daran kaputt gehen, wenn ich Marius verliere. -Mehr als an Julian. Und ständig dachte ich nur daran, wie es wäre, wenn ich nochmal die Zeit durchmachen könnte mit Julian. Ich hätte vieles anders gemacht. Ich hätte mich beim Film schauen an ihn gekuschelt. Ich hätte ihn gebeten zum Film mitkommen zu dürfen. Hätte, hätte, hätte… Doch so war es nunmal passiert. Ich lernte für mich daraus zu sagen, was ich denke. Es konnte manchmal schlecht und manchmal gut sein. Ich sage seit dem immer gerade heraus, was ich denke. Ohne Rücksicht auf andere. Wie oft ich mir wohl noch die Bilder von mir und Julian angeschaut habe? Ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wie oft ich den alten Chatverlauf rausgekramt habe. Immer wieder war ich verletzt, denn ich wusste ganz genau: Er. Er macht sowas nicht. Er ist glücklich. Einfach so.
Ich und Marius sind Anfang des Sommers 2020 Motorrad gefahren. Wir fuhren auf den riesigen verlassenen Parkplatz eines Porta´s. Alle Läden hatten geschlossen, wegen Corona. Ich wollte unbedingt Das Motorrad von Marius anfahren. Auf dem hinteren Teil des Parkplatzes kamen wir zum stehen. Ich war ziemlich aufgeregt und hatte ein wenig Angst, dass mir das Motorrad umkippen würde. Marius erklärte mir wie alles funktionierte. Die Kupplung, der Start, der erste Gang, die Drehzahl. Er sagte die Drehzahl sollte am besten zwischen 2000 und 3000 liegen. Ich war perfektionistisch und drehte so lange am Hahn bis ich auf 3000 glatt war. Dann ließ ich die Kupplung langsam kommen und das Motorrad bewegte sich. Es fühlte sich gruselig an. Es ist ein ganz anderes Gefühl als Fahrrad fahren, denn du machst im Grunde fasst nichts und es bewegt sich von alleine. Ich fuhr 10 Meter, dann sagte Marius ich solle anhalten. Ich vergaß die Kupplung zu ziehen und zog die Bremse. Das Motorrad blieb mit einem Ruck stehen. Ich hatte es abgewürgt. Aber ich fand es toll, dass ich nicht umgekippt war. ,,Gut gemacht!´´ lobte mich Marius neckisch. Ich lächelte nur in mich rein. Ich war das erste mal Motorrad ´gefahren´. Ich war natürlich stolz wie ein Honigkuchenpferd. Wir fuhren gemeinsam wieder nachhause. Am nächsten Tag hatte ich Schule. Ich erzählte jedem davon und prahlte regelrecht damit. Mein Abschluss rückte immer näher. Alles in einem bestand ich aber das letzte Schuljahr ganz gut. Ich verließ Mitte Sommer die Schule mit einem Notenschnitt von 1,6. Jedoch hatte ich keine Ausbildung gefunden. Ich hatte mich für den äußersten Notfall an einem Berufskolleg angemeldet. In der Zwischenzeit suchte ich nach einem Platz für ein freiwilliges ökologisches Jahr – kurz : FÖJ. Für die, die es nicht wissen, ein FÖJ ist so etwas wie ein soziales Jahr nur weniger mit Ärsche von alten Säcken abwischen und mehr mit Naturschutz. Als ich gerade bei Marius war, bekam ich einen Anruf von einer ´biologischen Station´. Diese lag an der Grenze zu Holland und war ca. 80 Kilometer weit weg von Köln. Ich nahm das Angebot trotzdem an, da mir die Arbeit dort gefiel. Es war viel Umstellung für mich. Ich sollte schon bald nach Nettetal umziehen. Als ich die Zusage erhielt musste ich losweinen. Ich dachte ich würde damit klarkommen, dass ich so lange von Marius getrennt sein würde. Allerdings holte mich die Realität schnell ein. Ich wollte nicht weg von Marius. Ich wollte doch für immer an seiner Seite sein. Marius kam um 2 Uhr morgens extra zu mir, um mich zu trösten. Meine Eltern schliefen schon lange. Es half mir. Marius fiel es auch schwer, mich gehen zu lassen. Trotz allem ermutigte er mich, denn er wusste es sei das richtige. Wir verbrachten die letzte Zeit vor meinem Umzug damit, zu kuscheln und weichten uns nicht von der Seite. Es war hart. Am Tag des Umzuges kam Marius mit nach Nettetal. Ich bezog mein Zimmer, das nicht im Ansatz aufgeräumt war. Die Steckdose unter meinem Bett war gebrochen und damit auch lebensgefährlich. Der Tisch war klapprig, eine Holzleiste hing vom Dach runter… Es brauchte Zeit um sich daran zu gewöhnen. Das komplette Haus bestand aus Holz und knarzte. Im ersten Zimmer hatte sich bereits jemand namens Hanna eingenistet. Sie war jedoch nicht im Haus. Ich fing an meine Koffer auszupacken. Dann hörten wir die Tür aufgehen und Schritte. Ich ging raus und erblickte eine schlanke, kleine Frau mit blonden, glatten Haaren. Das war Hanna. Wir lernten uns kennen. Der erste Eindruck von Hanna auf mich, war dass sie verstört von meiner Familie war. Später sagte sie dann dass es nicht so sei. Es war komisch, aber wir verstanden uns schnell ziemlich gut. Zumindest 1 Person mit der ich über Dinge wie die Träume von Julian reden konnte. Apropos. Ich hatte viele Träume gehabt, jedoch nur mit Julian als Nebenrolle. Ich hatte dann wieder angefangen mit ihm zu schreiben, denn der Kontaktabbruch hatte mir nicht viel genutzt. Der letzte Traum hatte ihn jedoch wieder als Hauptrolle. Ich und Marius waren bei Julians Eltern zum Essen eingeladen worden. Während wir den Tag damit verbrachten uns mit seinen Eltern gut zu unterhalten, arbeitete Julian. Als er von der Arbeit kam stand ihm Kummer und etwas anderes, etwas das mir Angst machte, deutlich ins Gesicht geschrieben. Er schaute mich nur an und brach hysterisch in Tränen aus. Immer wieder schrie er schluchzend ,,Ich kann dich nicht loslassen, Isa! Ich kann es einfach nicht! Geh bitte nicht!´´ Schon fast psychopathisch näherte er sich mir immer weiter bis ich mit dem Rücken zur Wand stand. Dann ging er raus auf die Terrasse. Einfach so. Als ob nichts gewesen wäre. Plötzlich zog ein undurchdringlicher Nebel auf. Wir verloren ihn aus den Augen und hörten ihn auf einmal aufschreien. Als wir nach draußen gingen, war der Garten übersät mit Kakerlaken und anderen Insekten. In der Mitte davon wand sich Julian, vor Schmerz schreiend, unter dem Insektenmantel. Das Gewinde hörte irgendwann auf und lies nicht mehr Als einen leblosen zerfressenen Körper zurück. Das war das Ende des Traumes und es verstörte mich in vielerlei Hinsicht. Doch da hörten die Träume für längere Zeit wieder auf und ich war froh darüber.
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Wie man Reiswaffeln überlebt
Teen FictionEine Geschichte auf wahrer Begebenheit. Ich habe es mit etwas Humor und einem Hauch Sarkasmus geschrieben. Über meine Trennung und alles darüber hinaus. Mein erstes Buch und hoffentlich nicht mein letztes.