Kapitel 2

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Wir gingen zusammen ins Kino und am Anfang haben wir sogar Händchen gehalten! Auf dem Heimweg fing es an zu regnen und da saßen wir nun. Zwei Seelen die sich gefunden hatten und gemeinsam durch den Regen gingen. Dann passierte etwas ziemlich Klischeehaftes. Ein Regenbogen erschien fast direkt über uns. Doch wie ich schon sagte: Es war zu schön um wahr zu sein. Nach dem Treffen hat er kaum noch mit mir geredet und sich einen Dreck um mich gescherrt. Das führte letztendlich dazu dass ich nach Valentinstag Schluss machte und er mir gestand, dass er mich nicht mehr liebte. Schon seit zwei Wochen nicht mehr. Das war es dann auch mit Flittchen.
Doch im Nachhinein war ich ihm dankbar. Hätte er nicht aufgehört zu reden, hätte ich nicht Schluss gemacht und hätte auch nie Julian kennengelernt. Der tollste Typ der Welt, wie ich damals dachte. Er war an dem Tag an dem ich Schluss machte zufällig online und hockte in seinem ´´Kanal´´. Für die dummen nochmal: Ein Kanal bzw. Channel ist ein Raum in dem man reden kann. Stellt euch vor es geht! Telefonieren mit Menschen die am anderen Ende der Welt hocken! Also kommen wir zum Thema zurück. Ich trat dem Kanal bei und wir fingen an zu plaudern. Nach kurzer Zeit platzte ich mit der Geschichte raus und er hörte ziemlich gut zu. Das mochte ich an ihm direkt: Er war normalerweise immer total, ich sag mal, kindisch. Aber auf eine witzige Art und Weise. Er kloppte stumpfe Sprüche und da ich das perfekte Opfer war, bekam ich auch ziemlich viele von ihm ab. Ich fand es total cool, wie schlagfertig er immer war. Genug Geschwärme. Wir verstanden uns auf jeden Fall sehr gut und bald schon redeten wir so gut wie jeden Tag mit einander. Ich wollte umbedingt wissen wie er Aussah. Er nutzte dies manchmal echt aus, um mich aufzuziehen. Meist sogar unter der Gürtellinie, aber so war er nunmal. Grenzenlos. Er hieß im Internet ´´R3iswaffel´´, was ihn für mich nur noch sympatischer machte und davon zeugte dass der Junge Humor hatte. Ich wurde neugierig und fragte ihn über sein Leben aus und natürlich wieder auch über sein Aussehen. Dass er Single war hatte ich mir irgendwann zusammen gereimt. Ich erfuhr dass uns 500 Kilometer trennten, dass er ein leidenschaftlicher Motorradfahrer war und letztendlich wie er aussah. Mir sagte er irgendwann dass er normalerweise keinem aus dem Internet persönliche Informationen zu sich gibt. Sein Aussehen traf 1 zu 1 meinen Typ und ich fand ihn immer attraktiver. Hellblonde, kurz gehaltene Haare, die perfekt zur Stirn hingen, grüne Augen, die einen immer charmant musterten und ein unwiderstehliches sexy grinsen zur Krönung. Auf das alles kam eine perfekt abgestimmte Nase. Er hatte einen klitzekleinen Fleck auf seiner Stirn. Daran würde man ihn unter tausenden erkennen.
Ihr müsst wissen dass ich was Beziehungen sehr Anspruchsvoll bin. Es kommt für mich leider schon auf das Äußere an, aber auch auf das Innere. Außerdem muss man dominant und abwechslungsreich sein. Sonst neige ich dazu die Oberhand zu gewinnen, fange an mich zu langweilen und ziehe weiter. Ich weiß dass es mich für viele jetzt wie eine Bitch dastehen lässt, aber ich kann nichts dafür.
Er tröstete mich in schlechten Zeiten, setzte sich mit seiner Schlagfertigkeit für mich ein und machte mich so glücklich wie noch nie jemand davor es geschafft hatte. Er brachte so viel Freude in mein Leben. Das wurde nun alles durch Schmerz in genau derselben Stärke ersetzt. Ich war ihm erstmal nie wirklich böse. Es wunderte mich nicht mal besonders. Ich habe Verständis dafür gehabt. Einer meiner Tiefpunkte bis jetzt war der ultimative Heulkrampf  am Dienstag, nach dem Samstag. Es war der 27.04. gewesen. Siebenundzwanzig ist eine besondere Zahl für mich. Warum das so ist, ist jetzt unwichtig. Wer aufmerksam liest kapierts ja vielleicht sogar. Am Mittwoch Abend weinte ich am schlimmsten, nachdem herausgefunden hatte dass der liebe Julian mich belogen hatte.

Ich hatte schon im frühen Alter Panikattacken. Mit zarten vierzehn Jahren ist sowas echt nicht toll. Vor allem nicht wenn man sie auf der Hochzeit von den Freunden meiner Eltern hat. Wenn ich jetzt so im Nachhinein darüber nachdenke, hat Julian mir da ziemlich gut aus der Patsche  geholfen. Er hatte irgendwas an sich. Etwas beruhigendes. An einem Abend war ich mit meinen Eltern auswärts essen, da mein Vater seinen Geburtstag feierte. Allerdings ging ich bereits um 21:00 Uhr allein nach Hause, weil es mir zu viel wurde. Mir wurde auf dem Weg auf einmal ganz schwindelig und übel. An der Bahnhaltestelle konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten, so heftig zitterte und krampfte mein Körper. Ich hatte eine Panikattacke. Von der Bahnhaltestelle bis zu meiner Wohnung waren es ca. Ein Kilometer. *Komm schon Isa! Die paar Meter noch, dann hast du es geschafft!* dachte ich zuversichtlich und bewegte mich langsam Richtung Rolltreppe. Ich nahm all meine Kraft zusammen und ging so ruhig und langsam wie ich nur konnte und kämpfte gegen die Panik und meinen schlotternden Körper an. Nach ungefähr der Hälfte des Weges kam ich in eine dunkle, enge Gasse, umrundet von vielen neuen Häusern. *Perfekter Vergewaltigungsplatz* dachte ich düster und ging langsam weiter. Eigentlich habe ich keine Angst vor solchen Gassen. Im Gegenteil! Ich finde sie oft sogar gemütlich,  einladend und perfekt als Rückzugsort, wenn ich mal wieder an Geschichten schreibe. Ich weiß, dass ist schon harte Kost. Vor allem wenn man das von einem Fünfzehn-jährigen Mädchen mit Panikattacken zu hören bekommt. Aber ich fand sie nun mal schummrig gemütlich. Doch durch die Panikattacke fühlte es sich an als würde mich jemand verfolgen und als könnte gleich ein Mörder aus jeder Ecke springen, der mich messert! Ich konnte nicht ruhig bleiben und schließlich gewann meine Panik die Oberhand. Ich rannte los, so schnell, dass ich das Gefühl bekam zu fliegen. Ich machte erst Halt als ich direkt vor meiner Wohnungstür stand. In der Wohnung angekommen erreichte die Panik ihren absoluten Höhepunkt. Ich war so angestrengt, dass ich nur noch hustete, keuchte und hyperventilierte. Nach einiger Zeit setzte ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer und rief Julian an. Als er abnahm, konnte ich das Glücksgefühl, das ich mit einem mal verspürte gar nicht beschreiben. Stattdessen hyperventilierte ich immer noch und brachte keinen vernünftigen Satz zustande. Julian redete langsam und beruhigend auf mich ein.
,,Es wird alles gut. Beruhige dich. Du bist in Sicherheit.´´ sagte er in einem so angenehmen Ton dass sich mein Herz fast überschlug. Aber es half. In weniger als zwei Minuten hatte ich mich komplett runtergefahren. Ich war ihm so dankbar, dass ich ihn am liebsten geküsst hätte. Ich war ja selbst überrascht darüber, dass man so stark fühlen kann und dennoch hinterfragte ich nichts von dem, was ich für ihn empfand. Nur durch 500 Kilometer war der körperliche Kontakt dezent eingeschränkt. Außerdem waren wir da noch Freunde und hätte er etwas mitbekommen hätte er mich direkt in die Friendzone geschmissen. Wir fingen an so gut wie jeden Abend zu facetimen. Ich hielt ihn immer viel zu lange wach und manchmal laß ich ihm etwas vor. Irgendwann fingen wir an uns Herz- und Kuss-emojis zu schicken und er nannte mich sogar Maus oder Mäuschen. *Hätte ich ihm nur früher gesagt, wieviel mir das bedeutete... Hätte, hätte Fahrradkette Mädchen!* unterbrach ich meinen Gedankengang. Und um so größer war die Verwunderung, als mich meine Lehrerin einmal Mäuschen nannte. Das war eine sehr komische Situation. Ach ja, stimmt! Über mich wisst ihr noch so gut wie garnichts! Kurz gefasst: Ich heiße Isa, bin Fünfzehn Jahre alt und besuche eine Förderschule. Aber nicht weil ich komplett zurückgeblieben bin, mich nicht benhemen kann, oder die Schule schwänze. Nein. Ich besuche sie, weil es mir schon immer schwer fiel, Freunde zu finden.

Wie man Reiswaffeln überlebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt