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Wieder war es still im Schiffsknast. Kirk stand vor ihrer Arrestzelle. Zero. Das konnte unmöglich ihr Name sein. Zero stand für Leere, für nichts. Für die Abwesenheit von etwas. Die Abwesenheit von allem. Sie war keine Nummer. Oder etwa doch? Über ihre Herkunft war nichts bekannt. Er wusste nichts über sie, und er mochte es nicht, nichts zu wissen.
Wobei, nichts war so direkt, so eindeutig. Er wusste, was sie angestellt hatte, obwohl das nur ein Bruchteil ihrer Taten sein konnte. Ihren Namen kannte er auch. Vielleicht es aber auch nur einer von vielen. Ein Deckname? Spock hielt es für unlogisch, mit ihr zu reden und Bones hatte ihm geraten, sich von ihr fernzuhalten. Sie ist gefährlich, hat er gesagt. Aber sie war hinter einem Sicherheitsfeld. Sie konnte unmöglich ausbrechen und ihn angreifen.

Dieses Mal saß sie nicht, sie lag auf dem Rücken auf der Bank und starrte an die Decke. Eigentlich hasste sie die Stille, doch sie mochte sie momentan lieber als die Gespräche der Roten. Der Sicherheitsoffiziere. Sie waren furchtbar. Furchtbar dumm. Marionetten in einem grausamen Schauspiel der Sternenflotte. Am liebsten würde sie ihnen ins Gesicht spucken.
Sie glaubten, sie würde nicht hören, was sie über sie erzählen, obwohl sie anwesend war. Redeten über sie. Hast du schon die Irre gesehen? Oberhalb der Gürtellinie trägt sie nichts als Tattoos, sagte der eine. Er war ekelhaft. Schmierig. So schmierig, dass man von ihm runterrutschen würde, wenn man auf ihm sitzen würde. Was für ein widerlicher Gedanke. Was, wirklich? Die muss ich mir ansehen!, sagte der andere. Er war genauso widerlich. Hässlich war er auch. Bestimmt schlägt er seine Frau, sobald seine Schicht vorbei ist und trinkt danach abgestandenes Bier aus einer Blechdose, die er danach zerdrückt und auf den Boden wirft.
Er hat Katzengeräusche gemacht, während sie so getan hat, als würde sie schlafen. Sie mochte Katzen. Sie hatten Krallen, mit denen sie zuschlagen konnten. Sie waren Jäger. Raubtiere. Und doch hatten sie dieses weiche Fell, konnten schnurren und zeigten ihre Liebe, indem sie ihren Kopf an einem rieben. Katzen waren vielschichtig und ihr Vertrauen und ihre Zuneigung musste man sich verdienen.
Diese Offiziere taten so, als wäre sie ein Ausstellungsstück. Ein Tier in einem Zoo. Gefangen. Einsam. Nur die Blicke der Schaulustigen waren da. Ob so ein Tier in einem Zoo sie bemerkte? Blendeten sie aus, dass jeder ihrer Schritte beobachtet wurde? Machte sie nicht dasselbe mit diesen Arschlöchern in Rot?

"Zero." Sie spürte den Blick des Captains auf sich. Merkte, wie er sie musterte. "Kann ich dir ein paar Fragen stellen?"

"Warum?" Sie mochte keine Fragen. Fragen verlangten nach Antworten. Sie wollte nicht antworten und sie mochte keine Leute, die etwas von ihr verlangten.

"Warum nicht?" Zero starrte weiterhin an die Decke. Ihre Hände waren auf ihrem Bauch verschränkt, fast wie bei einem Toten. Während sie atmete, hob und senkte sich ihr Bauch etwas. Ihr Brustkorb hob sich auch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie etwas oberteilartiges trug. Ein paar dunkle Gurte, die zusammengenäht waren und zumindest ihre Brustwarzen bedeckten. Er dachte, das sei Teil eines ihrer vielen, riesigen Tattoos gewesen. Wieder antwortete sie nicht. "Ich kann auch gehen." Er machte auf dem Absatz kehrt und lief in Richtung Tür.

Es waren genau acht Schritte von der Zelle bis zur Tür. Vielleicht sieben, wenn man große Schritte machte. Das wusste sie. Sie hatte mitgezählt. Der Typ, der ihr das Essen gebracht hatte, das noch immer dort stand, brauchte acht. Der ekelhafte Katzengeräusch-Typ, die Gesichtsgrätsche, brauchte auch acht. Eins, zwei, drei, vier, fünf. "Warte." Es wurde wieder still, als er stehen blieb. "Frag." Die Schritte kamen wieder näher. Eins, zwei, drei, vier, fünf.

"Gut, also..." Kirk atmete hörbar aus. "Ist Zero dein richtiger Name?"

"Kommt drauf an."

"Worauf?"

"Wer das wissen will." Sie zog die Nase hoch. Der Geruch des Essens lag noch immer in der Luft. Makkaroni mit Käse. Wie alt war sie? Fünf? Es sah einfach nur aus wie eine formlose, hellgelbe Masse auf dem Teller.

"Hast du noch andere Namen?", fragte er.

"Andere Leute geben mir andere Namen. In den Nachrichten nannten sie mich Die Unbekannte oder Die Zerstörerin. Oder Jane Doe, als Platzhaltername." Zero ließ bewusst aus, wie sie sonst genannt wurde. Schlampe, Hure, Miststück, Bitch. Alles bloß Worte. Doch auch Worte konnten schmerzen. Sie konnten einen wütend machen. Rasend vor Wut.

"Das war das meiste, was du bisher gesagt hast", fiel Kirk auf. Er sah, wie sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufstellten. "Ist dir nicht kalt?"

"Nein."

"Sicher, dass du nicht doch den Einteiler tragen willst?"

"Er ist orange. Orange ist hässlich. Und es ist eine Uniform. Ich trage keine Uniformen."

"Warum nicht?", wollte er wissen.

"Warum sollte ich? Zwingt mich jemand dazu?" Sie machte ein spottendes Geräusch und schloss ihre Augen. Uniformen waren albern. Unterdrückend. Tyrannisch. Sie raubten einem die Individualität. Der Moment, in dem einem befohlen wird, das Gleiche wie alle anderen zu tragen war der Moment, in dem man sich selbst aufgab. Seine Freiheit. Ihre Kleidung war momentan die einzige Freiheit, die ihr noch geblieben war. Sie würde sowieso bald eine Nummer in einem Hochsicherheitsgefängnis sein. Ohne Freiheiten. Ohne Individualität. Sie wird gewungen sein, eine Uniform zu tragen. Also warum sollte sie jetzt schon diese orange, grausame Laune der Natur tragen?

"Dich zwingt keiner. Wir könnten es aber."

"Tut ihr aber nicht. Keiner von euch will hier reinkommen und mich umziehen." Ihre Augen öffneten sich wieder und sie drehte ihren Kopf langsam in Richtung des Captains. "Ihr habt alle Angst vor mir."

"Da bist du dir ziemlich sicher, nicht wahr?" Er zog skeptisch eine seiner dichten Augenbrauen hoch. "Dass alle Angst vor dir haben?"

"Ja. Angst kann man wittern. Wäre dieses Feld nicht da, würde keiner so nah an mich herankommen wie du. Ich konnte den kalten Angstschweiß riechen, als deine Leute mich festgenommen haben. Und das billige Parfum von dem kleinen Russen. Er riecht wie eine Sportumkleide. Billiges Parfum, Schweiß und fragile Männlichkeit. In diesem Raum kann man die Angst fast schmecken." Sie atmete tief ein und dann wieder aus. Ihre Pupillen weiteten sich, als sie die Luft einsog. "Pure Angst."

"Du glaubst, ich habe Angst vor dir?"

"Ihr Lamettaträger seid alle gleich. Ihr glaubt, ihr wärt freier als ich, weil ihr nicht in dieser Zelle sitzt. Eure Freiheit ist eine Illusion. Ihr könnt euch frei bewegen, aber trotzdem seid ihr gefangen auf diesem Schiff im Weltraum. Ihr könnt fliegen, wohin ihr wollt, aber ihr seid immer noch Teil der Sternenflotte, die euch zwingt, diese Uniform zu tragen. Ihr müsst euch an Vorschriften und Regeln halten und machen, was höher dekorierte Lamettaträger von euch verlangen. Widersetzung und Verweigerung wird bestraft. Ihr seid genauso gefangen wie ich."

"Du hast meine Frage nicht beantwortet", erinnerte er sie. "Glaubst du, ich habe Angst vor dir?"

"Wie gesagt, ihr seid alle gleich. Ihr habt Angst vor mir, weil ich euch daran erinnere, dass ihr genau wie ich seid. Gefangen, nur in einer größeren Zelle. Es gibt nur einen Unterschied - Mir ist bewusst, dass ich nicht frei bin. Euch ist es nicht bewusst. Ihr glaubt nur, ihr wärt frei. Die Erkenntnis macht euch Angst. Die knallharte Wahrheit, die euch vor's Gesicht geführt wird. Du bist nicht anders. Du hast auch Angst."

ZERO | james t. kirkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt