Mit den Beinen nah an den Körper gepresst saß Zero auf dem Boden ihrer Zelle. Die harten Kanten der Bank drückten sich sich in ihre Wirbelsäule. Der Schmerz zog bis in ihr Steißbein und hoch in ihren Nacken. Ihre Stirn ruhte auf ihren Knien. Der grobe Stoff ihrer Hose kratze an ihrer Haut. Schmierlappen und die Gesichtsgrätsche hatten heute keinen Dienst. Stattdessen stand ein junger Offizier dort und hat sie mit großen Augen angesehen. Gestarrt hat er. Der Grünschabel war kaum alt genug, um Alkohol zu trinken. Er hatte das Gesicht eines kleinen Jungen und war noch im Stimmbruch. Sein Bartwuchs war jämmerlich, trotzdem ließ er die paar Härchen wachsen, um sich männlich zu fühlen. Wie erbärmlich. Als sie Blickkontakt hergestellt hat, ist er ihrem Blick schnell ausgewichen. Die Sternenflotte nahm auch wirklich jeden an. Sogar einen Hosenscheißer wie ihn. Hauptsache, man spielt nach den Regeln.
Wie lange saß sie schon hier? Wie spät war es? Welcher Tag war heute? Das Licht war immer an. Auch in der Nacht. Sie hatte längst das Zeitgefühl verloren. War es Tag oder Nacht? Hatte sie schon Geburtstag gehabt?
Die Tür ging auf. War das der Captain? Er war es. Es waren seine Schritte."Wegtreten, Ensign", befahl seine Stimme. Sie hatte Recht. Gott, war sie gut. Zumindest im Schritte raten. Und in ein paar anderen Dingen. Die leisen Schritte des Milchgesichts entfernten sich. Einer seiner Schuhe quietschte ein wenig beim Laufen. Die Tür ging auf, dann wieder zu. "Zero." Stille. Aber nur für ein paar Sekunden, als er sich umsah. "Du hast ja volle Arbeit geleistet."
Zero hob ihren Kopf, lockerte den Griff ihrer Arme, die ihre Beine festhielten und sah ihn an. Sie brauchte das Chaos nicht mehr zu betrachten. Sie hatte sich schon daran sattgesehen. Das widerliche Essen hatte sie an die Wand geschmiert und in der Zelle verteilt. Die Tomatensoße hatte die Wand mit dunklen, rot-orangen Streifen verschönert. Einzelne Reiskörner klebten an der Wand. Es lag auch Reis verstreut auf dem Boden. Manche Körner passten perfekt zum weißen Boden, andere waren etwas dunkler oder rötlich. Der Klecks Tomatensoße mit ihrem Schuhabdruck darin machte das Chaos beinahe perfekt.
Das Milchgesicht hatte auf sie eingeredet. Sie müsse was essen, sonst würde er den Doktor holen, der eine Zwangsernährung anordnen würde. Das war ihre Antwort gewesen. Selber schuld. Was glaubte er, wer er ist? "Das war nur ein Vorgeschmack", erklärte sie."Du trägst die Uniform", bemerkte er.
"Falsch", antwortete sie. "Ich hab daraus meine eigene Kreation gemacht. Es ist keine Uniform mehr." Sie hatte das blöde Ding an den Nähten auseinander gerissen. Den unteren Teil der Ärmel hatte sie mit den Zähnen aufgekaut und abgerissen. Auch das aufgenähte Sternenflotten-Delta hatte sie mit den Zähnen entfernt. Die Stofffetzen lagen verstreut um sie herum. Jetzt taten ihre Eckzähne weh. Kollateralschäden. Sie trug den schweren, orangen Stoff als Kurzarmjacke, ohne dieses blöde Symbol. Orange stand ihr nicht. Eigentlich stand es niemandem. Aber ihr war doch etwas zu kalt, fast oberkörperfrei in dieser Zelle.
"Gut, wie du willst." Kirk stellte sich wie gewohnt vor das Sicherheitsfeld. "Also, Zero, erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß."
"Wie verlockend." Sie zog die Nase hoch und streckte ihre Beine von sich. "Dein Schiff ist ein Kraftpaket, Captain. Du könntest ein Pirat werden. Wie ein König leben."
"Wärst du mein Erster Offizier?", spielte er mit.
"Ich würde das Entern übernehmen. Und die Hinrichtungen." Sie blinzelte ein paar Mal, dann stand sie mit etwas, das fast einem Lächeln ähnelte, auf.
"Du magst es, zu töten", stellte er fest. "Was fasziniert dich so daran?"
"Jedes Mal, wenn ich jemanden töte, steigen meine Überlebenschancen. Ganz einfach. So kann ich zumindest beruhigt schlafen." Sie ging nahe an das Kraftfeld heran und stand ihm direkt gegenüber. "Hast du schon mal getötet, Captain?"
"Nur, wenn es nicht anders ging. Ich bin kein Mörder."
"Nach der Definition bin ich es auch nicht", meinte sie überzeugt. "Oder wir sind es beide. Wer weiß? Wer entscheidet, wann ein Mord ein Mord ist, und wann es notwendig ist? Was rechtfertigt, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen? Ist es nur im Krieg in Ordnung? Oder wenn man eine Uniform trägt, so wie du? Oder kann ich auch töten, um zu überleben? Aber warum sitze ich dann hier drin und du stehst da draußen? Wer entscheidet das?"
"Das Gesetz", antwortete er. "Der Richter und die Geschworenen."
"Sicher", spottete sie. "Auf so etwas nehme ich schon lange keine Rücksicht mehr. Ich nehme mir, was ich möchte."
"Ist das so?" Skeptisch legte er seinen Kopf zur Seite. Nur ein paar Zentimeter, um nicht albern auszusehen.
"Ich bin rumgekommen. Hab mich einer Gang angeschlossen. Andere Gangs niedergemetzelt. War in einem Kult. Hab ihn wieder verlassen."
"In einem Kult?", fragte Kirk überrascht.
"Einer Weltuntergangs-Sekte. Sie waren der Überzeugung, die Galaxie würde von riesigen, synthetischen Wesen ausgelöscht werden. Bullshit. Erst war es lustig, dann war es nur noch Panikmache. Zum Schluss nur noch emotionale Misshandlung. Also bin ich abgehauen. Ganz einfach. Ich habe gelernt zu überleben und kein Opfer zu sein."
"Klingt nicht so, als hättest du viel gelebt. Zumindest nicht für dich selbst", stellte er fest.
"Was weißt du schon, Sternenflotten-Marionette?", fuhr sie ihn an. "Du machst nichts, außer für andere zu leben. Jeder will irgendwas. Und genau deswegen ist alles erlaubt. Mord, Körperverletzung, schwere Körperverletzung mit Todesfolge, Entführung, Schmuggelei, Brandstiftung, Raub... hab alles gemacht. Und das sind nur die langweiligen Sachen." Die Insassin verschränkte die Arme vor der Brust und reckte ihm ihr Kinn entgegen. "Piraterie, Diebstahl eines Föderationsschiffes, Eindringen in die Neutrale Zone, Zerstörerung einer Raumstation, Vandalismus... das waren gute Zeiten."
"Bereust du nichts davon?", hinterfragte er. "Fragst du dich nie, ob du nicht eventuell was hättest anders machen können?"
"Nein."
"Solltest du das nicht?"
"Bereust du alles, was du je getan hast, Captain?", fragte sie zurück. Ihre Mimik war flach, aber ihre Stimme sagte alles. Sie klang verachtend. Ob sie in ihrem tiefsten Inneren genauso war, wie sie sich gab? Vielleicht war das auch nur eine Fassade. Eine Mauer, die sie um sich aufgebaut hatte. "Dass ich überlebt habe, ist pures Glück. Es gibt keinen Grund, warum ich noch am Leben sein sollte. Trotzdem bin ich es. Weißt du, warum? Instinkt. Überlebensinstinkt. Alles was ich getan habe war notwendig, damit ich überleben kann. Vielleicht nicht jede einzelne Tat, aber das Große und Ganze. Bisher hat das für mich funktioniert. Ich habe nicht vor, das zu ändern."
"Du bist ziemlich festgefahren in deinen Ansichten", stellte Kirk fest.
"Du auch, Sternenflotte. Aber dein Lebensweg funktioniert für dich und meiner funktioniert für mich. Wir beide leben, nicht wahr?"
"Aber die Menschen, die du getötet hast, leben nicht mehr. Ihre Familien können auch nicht mehr normal weiterleben." Kirk setzte sich in Bewegung, lief vor ihrer Zelle auf und ab und hatte Schwierigkeiten, seine Wut unter Kontrolle zu bringen. Zitternd atmete er aus, stockend wieder ein. Aus. Ein. Aus. Ein. "Du hast getötet. Leute umgebracht. Leute mit Familie Träumen, Hoffnungen... du hast sie eiskalt ermordet."
"Du hast auch getötet. Hast du selber gesagt", erinnerte sie ihn. Zero leckte über ihre Zähne, dann verschwand ihre Zunge wieder hinter ihnen. "Offiziere unter deinem Kommando hast du auch verloren. Das hat jeder Captain. Du bist für sie verantwortlich. Für ihre Sicherheit. Für ihr Wohlergehen. Für ihren Tod. Du hast genauso Blut an deinen Händen kleben wie ich. Nur siehst du es nicht. Ich sehe das Blut an meinen Händen. Es ist mir bewusst. Du versteckst das Blut, das für dich und für dein Überleben vergossen wurde. Hinter deiner Uniform. Deinen Rangstreifen. Dem Logo der Sternenflotte. Hinter dem Wort Soldatentod. Der Zweck heiligt die Mittel. Für uns beide. Nur sind unsere Zwecke anders. Du bist ein Lamettaträger. Ich bin eine Gefangene. Und doch sind sie irgendwie gleich. Wir wollen beide überleben. Wir müssen es. Wir sind uns ähnlicher, als du denkst, Captain."
"Wir sind uns nicht im Geringsten ähnlich!", platzte es aus Kirk heraus. Er funkelte die Frau an, rasend vor Wut, dann stürmte er nach draußen.
"Red dir das ruhig ein, Schätzchen", sagte sie, als er schon längst weg war. "Du weißt, dass es stimmt."
DU LIEST GERADE
ZERO | james t. kirk
Fanfiction"Du glaubst, ich habe Angst vor dir?" "Ihr Lamettaträger seid alle gleich. Ihr glaubt, ihr wärt freier als ich, weil ihr nicht in dieser Zelle sitzt. [...] Ihr habt Angst vor mir, weil ich euch daran erinnere, dass ihr genau wie ich seid. Gefangen...