Ungewolltes Warten

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Unruhig rutschte Marinette auf ihrem Stuhl herum, während sie angespannt den Uhrzeiger mit den Augen verfolgte. Jeden Moment müsste die Schulklingel das Ende der Stunde verkünden, weshalb Marinettes Anspannung massiv zunahm. Sie hatte sich in eine Situation reingeredet, aus der Alya sie ganz bestimmt nicht mehr entkommen lassen würde. Wie sollte sie das nur ihren Eltern erklären? Sogleich ertönte auch schon die Schulglocke, was Marinette abrupt aufspringen lies. Sie setzte sich jedoch mit schmerzverzogender Mimik wieder hin, als ihr gebrochenes Bein sich spürbar machte.
„Ganz ruhig, Marinette. Wir haben es nicht eilig." kicherte ihre Beste Freundin neben ihr. 
„Und wie, wir es eilig haben! Was gedenkst bitte, was ich meinen Eltern erzähle, Alya? Sie lassen mir seit der Sache mit der Entführung fast nichts mehr durchgehen!" funkelte sie ihre Freundin an. 
„Beruhige dich! Wir sind vielleicht kaum eine Stunde weg, außerdem bist du nicht alleine." 
Marinette erwiderte ein spöttisches "Hmm", woraufhin sie einen Arm um Alya legte um sich auf ihr stützen zu können. Hoffentlich würde eine Verwandlung in Ladybug in nächster Zeit nicht nötig sein. Denn abgesehen davon, dass sie im Moment nicht wirklich zu gebrauchen ist, wäre ihr Bein ein weiterer Hinweis auf ihre Identität. 
Beim Weg durch die Schule, fielen ihr weitere Blicke anderer Schüler auf. Kein Wunder. Die Nachrichten hatten so gut wie kein Wort über die Akumatisierung von Cat Noir verloren, da auch kaum Stoff für Erzählungen vorliegend war. Lediglich war bekannt, dass nur Marinette und Ladybug wirklich wussten, was passiert war. Und da Ladybug seitdem selbstverständlich nicht mehr aufgetaucht ist und Marinette sich nicht äußern wollte, fingen die Leute an sich Theorien auszudenken. Eine war, dass die Beiden sich nah gekommen sind und deswegen nicht darüber reden wollten. -Wie absurd- dachte sich die Schwarzhaarige. Schließlich konnte sich Cat Noir ja auch nicht an das Geschehen erinnern und Gefühle für ihn hatte sie sicherlich auch nicht! Oder? Sie hatten sich zwar geküsst und dieses berauschende Gefühl beschäftigte sie immer noch bis spät in die Nacht, aber ihr Herz hing schwer an Adrien. Damals hatte eins zum anderes geführt und irgendwie kam es dazu, allerdings war es nach wie vor unbedeutend. Endlich am Ausgang der Schule angekommen, war vor ihnen mittlerweile strömender Regen auszumachen.
„Siehst du, das Wetter ist auf meiner Seite! Ich sollte Nachhause gehen." versuchte es die junge Hüterin.
„Vergiss es, Mari. Du kommst mit, ob du nun willst oder nicht"
Von Marinette war nur noch ein genervtes Schnauben zu vernehmen, als plötzlich ein „Hey" hinter ihnen ertönte.
„Hey, Nino! Wo bleibt Adrien?" fragte Alya verdächtig, nachdem sie seine Abwesenheit bemerkte.
„Er kommt nach, sagte er. Ich denke 'Familienprobleme'. Wir sollten allerdings schonmal vor dem Cafe warten, oder Alya?" schlug er locker vor, während er Alya zuzwinkerte.
Die Braunhaarige kicherte vorfreudig, woraufhin Marinette misstrauisch zwischen den Beiden hin und her schaute. Sie ließ sich aber nicht davon beirren und klammerte sich weiterhin an Alyas Shirt fest, um nicht dem Schmerz ihres Beines ausgeliefert zu sein. 

Zwei Straßen weiter standen sie bereits vor dem Cafe. Das kleine Haus wurde von einem weißen Zaun umrundet und ein rauchender Schornstein schmückte das kleine Haus. Sie war bereits öfters hier gewesen, allerdings wirkte durch den Regen das sonst so gemütliche Häuschen doch sehr betrübt.
„Und was machen wir jetzt?" fragte Marinette verwundert. Trotz der Tatsache, dass sie mittlerweile nur noch in einer einzigen Pfütze standen, machte sie keine Anstalten ins Warme zu gehen. Ihre Kleidung war bereits durchnässt, mitsamt dem Verband, welcher eigentlich nicht nass werden durfte.
Das junge Paar vor ihr schien allerdings nicht zu antworten, denn deren Blick richtete sich verdächtig hinter sie. Sie brauchte sich überhaupt nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da stand. Genervt wedelte sie mit den Armen vor ihren Augen rum, um auf sich Aufmerksam zu machen.
 „Also wir Beide gehen schonmal bestellen und du wartest." grinste Alya vergnügt, während sie Ninos Hand packte. Marinette starrte verwirrt Löcher in die Luft.
„Auf was warten? Nein, wir gehen da alle gemeinsam rein." zischte sie empört.
„Nein, du wartest hier! Du sagtest doch, das Wetter wäre auf deiner Seite. Also viel Spaß mit Adrien."
Der Schwarzhaarigen fiel es wie Schuppen von den Augen. Ihre eigene Beste Freundin hatte nie vor zu viert essen gehen, sondern es war schlichtweg eine Anlockungsmethode. Nino und Alya würden im trockenen etwas essen, während sie zusammen mit Adrien hier in peinlicher Stille warten würde. Solch eine gemeinsame Zeit in strömender Nässe, würde ganz bestimmt nicht Adriens Gefühle für sie wecken. Im Gegenteil, sie wusste bereits, dass ein anderes Mädchen ihm bereits den Kopf verdreht hatte. Sie hatte nach wie vor Gänsehaut, wenn sie dachte, wie nah die Beiden sich wohl schon zusammen sein gekommen mussten. Wie sollte sie ihm diese Situation jetzt nur erklären, ohne ihm die Wahrheit sagen zu müssen. Das hatte Alya mal wieder toll angestellt. Sie fühlte sich wortwörtlich von ihr im Regen stehen gelassen. Verträumt blickte sie Alya und Nino nach, während sie die Fäuste ballte.
„Hey Marinette, wo-" sagte Adrien hinter ihr, woraufhin sie erschrak, ihr Gewicht unbewusst aufs andere Bein verlegte und sogleich auch schon in die Pfütze vor ihr fiel. Verlegen schlug sie sich die Hand auf ihr Gesicht und lachte. Sie war ohnehin schon von Kopf bis Fuß nass, sodass es schon keinen Unterschied mehr zu ihrem davorigen Aussehen machte. Rasch hielt er ihr seine Hand lächelnd entgegen. Sie versuchte auch diese zu ergreifen, allerdings scheiterte dies beim Hochziehen.
„Tut mir Leid!" kicherte Marinette „Mit nur einem belastbaren Bein ist alles deutlich schwerer." 
Der Blonde stieg in ihr Gelächte ein, während er seine nassen Haare nach hinten strich, die ihm sogleich wieder ins Gesicht fielen. Mit einem unerwartetem „Na dann" hob er sie unter ihren Armen wieder nach oben, wo er sie sogleich fest hielt, um ein weiteres Umknicken ihrer Beine zu verhindern. Erschrocken gluckste sie. Seine Hände hielten ihre Taille fest gepackt an Ort und Stelle. Über die letzten Jahre ist er deutlich gewachsen und somit jetzt mindestens  zwei Köpfe größer als sie, weshalb sie zu ihm hoch schauen musste. Sein weißes Hemd klebte nass an seinem Oberkörper, weshalb seine Muskeln deutlich sichtbar wurden. Ihr Atem wurde augenblicklich schwer, während sie sich verspannte, trotz diesem Gefühl der Geborgenheit, welches sie auch immer in Cat Noirs Nähe verspürte. Auch Adrien bemerkte sogleich, das Funkeln in ihren Augen, welches er nicht zuordnen konnte.
„Ich muss dir etwas sagen, Adrien." flüsterte Marinette und brachte erneut einen Sicherheitsabstand zwischen sie. Sie war nun 17 und keine 14 mehr. Ihr kindliches, ungeschicktes Verhalten sollte endlich aufhören und wenn Alya sich diese Mühe schon machte, sollte sie die Situation nutzen, sich endlich Mal zusammenreißen und das sagen, was ihr die letzten 4 Jahre schon auf der Zunge lag. 
„Ich- Also du...bist mir wichtig, also so-" weiter kam sie nicht, denn ihr Handy fing an in ihrer Tasche zu vibrieren, während es Klingellaute von sich gab. Beide zuckten zusammen und Adrien besorgtes und neugieriges Gesicht entspannte sich wieder. Marinette schritt einige Meter von ihm weg, sodass ihr Gespräch nicht mehr zu verstehen war. Er erkannte nur noch ihre verzweifelte Mimik, während sie sich temperamentvoll ihrem Anrufer zu erklären schien. Plötzlich starrte sie nur noch fassungslos auf ihr Handy und steckte es sogleich auch schon weg. Sie drehte sich erneut zu ihm und blickte ihm betrübt in die Augen. Ihre Pulloverkaputze fiel ihr nass in die Stirn, was sie irgendwie süß wirken ließ. Sie machte jedoch keine Anstalten, wieder zurück zu ihm zu kommen. Stattdessen schrie sie etwas undeutlich  „Ich muss gehen." durch das laute Prasseln vom Regen. Ihr Gesicht sah nicht so aus, als würde sie wirklich gehen wollen, sondern bleiben. Adrien nickte jedoch verständnisvoll, woraufhin sie auf ein Auto abseits der Straße zu hinkte. Kurz überlegte er noch, ob er ihr vielleicht beim Gehen unter die Arme greifen sollte. Allerdings erweckte sie auf ihn den Eindruck, das alleine schaffen zu wollen. Noch während er ihr nachschaute, fasste er den Entschluss, heute Abend bei ihr vorbeizuschauen. Er hatte Fragen, Fragen die er nur indirekt stellen konnte. 

Es war eine Frage der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt