Cat Blanc

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Schnell schlüpfte Ladybug durch die Dachluke in ihr Zimmer. Im selben Moment blinkte ihr Ohrring auch schon ein weiteres Mal auf und sie nahm wieder die Gestalt von Marinette an. Direkt ließ sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen, während Tikki in ein paar Kissen neben ihr landete. Sofort nahm Marinette den kleinen zitternden Kwami in ihre Hände. Tikki musste die ganze Zeit über ihre Verzweiflung und Schmerzen miterleiden. Ihre Verbundenheit war Segen und Fluch zugleich.
„Oh mein Gott, Tikki! Es tut mir so Leid-" flüsterte die Schwarzhaarige besorgt.
„Ist schon okay. Du kannst doch nichts dafür." antwortete Tikki und krabbelte zu Marinette unter die Decke.
„Doch, irgendwie schon! Ich weiß einfach nicht mehr, wie wir vorgehen können. Aber Cat Noir kann doch nicht erwarten, dass wir uns jetzt einfach einander zeigen."
„Ich verstehe ja was du meinst, Mari. Aber Cat Noir wollte nur helfen und ich glaube du hast es ihm nicht gerade einfacher gemacht." erklärte Tikki vorsichtig ausgedrückt. Rasch drückt sich Marinette verzweifelt die Hände ins Gesicht und gab leidende Töne von sich.
„Verdammt Tikki, was mache ich nur! Ich fühle mich so unendlich dumm. Aber ich konnte ihm ja wohl kaum sagen, was passiert ist, als er wirklich mal meine Identität erfahren hat. Ohne Bunnix wären wir alle nicht mehr hier!"
„Ich weiß genau, wie schwer das alles für dich ist! Aber für Cat Noir ist es eben genauso hart. Am Besten redest du morgen nochmal mit Cat Noir, er verzeiht dir bestimmt." lächelte Tikki und schloss die Augen. Marinette, wusste die Ehrlichkeit und den Optimismus ihrer kleinen Freundin wirklich zu schätzen, aber leider veringerete dies trotzdem nicht ihre Schuldgefühle. Cat Noir musste sich jetzt elendig fühlen und das wollte sie doch ganz bestimmt nicht. Marinette würde noch vorm Sonnenaufgang mit ihm Kontakt aufnehmen, aber vorerst bräuchte sie selber etwas Schlaf.
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Verschlafen drückte Marinette auf ihrem Wecker rum, der einfach nicht aufhören wollte zu Klingeln. Sie hatte vielleicht zwei Stunden geschlafen und schon musste sie wieder aufstehen, um ihrem Vorhaben nachzugehen. Tikki neben ihr schien den Schlaf genauso nötig zu haben, denn selbst der Wecker ließ sie nicht wach werden. Marinette wollte ihrer Freundin wirklich diese Erholung gönnen und sie nicht wieder in unnötige Anstrengung versetzten. Es war ohnehin besser, wenn sie als Marinette mit Cat Noir reden würde. Sie wusste aus Erfahrung, dass er nachts selten bei sich Zuhause war, sondern lieber über Paris wachte. Hoffentlich war dies nur heute auch der Fall, denn sonst wäre ihr Aufstehen ziemlich unnötig gewesen.
Im Erdgeschoss angekommen tapste sie auf Zehenspitzen über den Holzboden und verließ kurz danach die Bäckerei. Die Straßen waren leer und in kaum einem Haus brannte noch Licht. Nur noch die Straßenlaternen beleuchteten ihren Weg. Zugegeben war es ihr nicht geheuer auch noch ohne Tikki das Haus so spät zu verlassen, aber es war unwahrscheinlich, dass Hawk Moth ausgerechnet heute noch so spät seinem Bestreben nachging. Obwohl sie ihm mittlerweile alles zutrauen würde, konnte sie sich diesen Gedanken für kurze Zeit aus den Kopf schlagen. Sie würde ohnehin nicht lange von Zuhause weg bleiben. Plötzlich kam ihr jedoch ein Krachen aus einer Seitengasse zu Ohren, welches sie zusammenzucken ließ. Sie hätte vielleicht doch Tikki aufwecken sollen, denn die Angst machte sich in ihr breit. In diesem Moment war Marinette schließlich nicht mehr als ein normales hilfloses Mädchen, welches einen Nachtspaziergang machte. Bestimmt ein paar Minuten schon war sie wie erstarrt, obwohl sie ja noch nicht mal wirklich etwas gesehen hatte. Ein kurzes Ausatmen war von ihr zu vernehmen und ihre Muskeln entspannten sich wieder leicht. Marinettes schlechtes Bauchgefühl nahm rasend zu, aber sie ignorierte dies schlichtweg. Denn etwas weiter vorne konnte sie endlich die Seitengasse ausmachen, in der sie vorhin mit Cat Noir gestritten hatte. Sie beschleunigte ihre Schritte, machte jedoch an einer Straßenlaterne halt und drehte sich um. Sie hätte schwören können, dass sie etwas aus dem Augenwinkel gesehen hat. Immer noch mit dem Blick hinter sich gerichtet lief sie weiter, als sie plötzlich gegen eine muskolöse Brust stolperte. Aus Reflex wollte sie schreien, jedoch war bereits eine Hand auf ihrem Mund plaziert, weshalb dies verhindert wurde.
„So spät noch alleine auf der Straße, Prinzessin?" hörte sie plötzlich die Person vor sich mit einem sarkastischen Tonfall sprechen. Trotz dem starken Griff ihres Gegenübers, der sie an Ort und Stelle hielt, drehte sie ihren Kopf und blickt in das Grinsende Gesicht von Cat Noir. Oder sollte sie ihn lieber "Cat Blanc" nennen? Seine weißen Haare fielen ihm leicht vor die Augen, da er zu ihr runter schauen musste, weshalb er nur noch bedrohlicher für Marinette aussah. Sie zitterte gewaltig und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie fing an verzweifelt zu zappeln, während sie anhaltend „Nein" in die Hände ihres akumatisierten Partners schrie.
„Shhh, wir wollen es doch uns nicht unnötig schwer machen." flüsterte Cat Blanc und zog sie an der Hüfte mit sich in die Seitengasse. Von hinten drückte er ihr plötzlich irgendetwas auf die Augen, weshalb sie jetzt nur noch in völliger Dunkelheit seinen Schritten lauschen konnte. Sie war weder fähig zu sehen noch zu sprechen, sie war komplett machtlos. Noch nie in ihrem Leben hatte sie solche Angst und diese Angst hatte sie ausgerechnet vor der Person, der sie eigentlich immer am meisten vertraute. Die Ladybug-Seite in ihr hätte wahrscheinlich anders reagiert, sich gewehrt oder wenigstens auf ihn eingeredet. Aber als Marinette hatte sie einfach eine andere Denkweise. Und jetzt konnte ihr nicht mal Tikki noch weiterhelfen.
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Marinette Augenlieder zuckten leicht, bevor sie aufwachte. Wann war sie eingeschlafen? Und vor allem, wo war Cat Noir? Sie spürte deutlich, dass ihr weder noch etwas auf den Augen lag, noch ihr eine Hand gegen den Mund gedrückt wurde. Trotzdem konnte sie absolut nichts sehen. War sie tot oder nur erblindet?
„Hallo?" rief sie in die Dunkelheit, um zu testen ob sie noch ihre Stimme hatte, woraufhin ihre Worte im Raum wiederhalten. Erst jetzt spürte sie den Schmerz ihrer Handgelenke, welche hinter ihrem Rücken zusammengeschnürt wurden. Sie saß auf einem kalten Kellerboden, welcher sie erzittern ließ. Wie viel Zeit wohl schon vergangen ist, seitdem sie in die Seitengasse gezogen wurde. Sie fühlte sich, als wäre sie ewig weg gewesen. Ihre Eltern müssen schrecklich besorgt sein, ganz abgesehen von Tikki! Der gepunktete Kwami hatte schließlich überhaupt keine Ahnung, was passiert sein konnte. Warum hatte Marinette ihren Heldenpartner nur so mit seiner Idee zurückgewiesen? Schuldgefühle prasselten nur so auf sie ein, weshalb ihr wieder die Tränen in die Augen schießen. Plötzlich hörte sie jedoch ein Knipsen von einem Lichtschalter und ein Paar Schritte, die sich auf sie zu bewegen. Vom sogar recht schwachen Licht geblendet kniepte sie die Augen, um ihren Besucher erkennen zu kennen.
„Wen haben wir denn da?" flüsterte Cat Blanc kaum hörbar „Unsere schöne und gute Marinette.".
Augenblicklich nahm Marinettes Zittern zu. Ihr jahrelanger Partner war nicht mehr wiederzuerkennen. Seine sonst so voller Leidentschaft grünen Augen sind blau und leer. Die Tatsache, dass allerdings jetzt Hawk Moth hinter diesen blauen Augen stecke, ließ die Wut in ihr hochsteigen.
„Warum ich?" fragte Marinette ruhig mit unterdrückter Wut. Wäre sie als Ladybug hier gefesselt worden, wäre dies verständlich. Aber als Marinette hatte sie doch überhaupt keine Bedeutung für Hawk Moth oder Cat Noir. Hatte sie irgendetwas falsches gesagt oder getan, weshalb sie jetzt ihre Identität kannten?
Cat Blanc macht allerdings keine Anstalten zu Antworten und hockte sich nur nach unten vor die Schwarzhaarige, sodass sie direkten Blickkontakt hegten. Sein zuvor noch hasserfüllter und bösartiger Blick entspannte sich und eine tiefe Traurigkeit war in seinen Augen zu lesen. Vorsichtig strich Cat Blanc mit seinen Fingern über Marinettes Wange und wischte ihr somit eine Träne weg. Cat Noir war der Letzte, der soetwas verdient hatte. Wie gerne sie nur wissen würde, was er in diesem Zustand dachte und zu was genau er gerade gezwungen wurde.
„Ich habe dich etwas gefragt, Hawk Moth!" sagte sie und intensivierte dabei den Blick in Cat Noirs Augen, damit Hawk Moth sich auch durch seine Perspektive besonders angesprochen fühlte. Cat Blanc zuckte daraufhin leicht und sein starrer Blick breitete sich wieder über seiner Mimik aus.
„Sind wir doch mal ehrlich, Prinzessin. Du bist mir doch gerade nur so in die Arme gerannt. Wie hätte ich da widerstehen können?" lachte Cat Blanc während er sich umdrehte und auf der anderen Seite des leeren Kellerraums niederließ.
„Ich meine es ernst, Kätzchen!" lächelte Marinette provokant zurück.
„Oh ja, ich doch auch! Aber wenn wir schon dabei sind. Was treibt ein Mädchen wie du nachts alleine in dunklen Gassen Paris?"
Es nervte sie, dass er ihr einfach keine Antwort gab. Er spielte Spielchen. Aber gut, sollte das Kätzchen doch ihre Wolle bekommen.

Es war eine Frage der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt