Wie machte er das nur? Mir kamen vor lauter Angst die Tränen, als er mich sachte rückwärts drängte und ich schon nach drei Schritten gegen den Pfahl stieß.
Blitzschnell fasste jemand hinter mir meine Arme und umwickelte die Gelenke mit dicken Seilen, ohne sie indes zusammen zu binden. Ich zog und zerrte und keuchte und strampelte.
„Tu ihr nicht weh!", befahl Laar dem Kumpanen, den ich nicht sah, scharf, als ich erschrocken die Luft einsog.
Ich atmete immer schneller und riss immer mehr an den Fesseln. Da drehte er mich plötzlich zum Pfahl um und legte meine Hände rechts und links daran. Während der Blonde die Seile nun in einer gerade eingeschlagenen Kerbe in Kopfhöhe festzurrte.
„Ruhig ...", murmelte Laar derweil an meinem Ohr, während er nun mein Haar sachte beiseiteschob. Ich zitterte nun wirklich wie Espenlaub.
Was würde er nun tun? Meine Mutter hatte immer behauptet, dass die Archner ihre Gefangenen anbinden würden, bevor sie diese folterten und quälten, um sie zum Sprechen zu bringen oder um ein Geständnis zu erzwingen für Dinge, die sie gar nicht getan hatten. Oder sie taten es, um Verstecke von Frauen herauszubringen.
Laar hatte mir die Taubstumme von Anfang an nicht richtig abgenommen. Würde er mich also nun zwingen zu gestehen, dass ich alle belog?
Oh, große Erdenmutter ...
Ich riss erneut verzweifelt an den Seilen, doch sie gaben nicht nach.
Nur eine Sekunde später kam dann noch jemand ins Zelt herein und gleich darauf ergoss sich eiskaltes Wasser über meinen Kopf und den Rücken. Ich keuche, prustete, hustete und hielt mich an dem Holzpfahl fest. Ein weiterer Schwall, diesmal warmes Wasser, das mit irgendwelchen stinkenden Substanzen versetzt worden war, was scheußlich roch, wurde über mir ausgegossen. Und dann wieder kaltes und noch mal kaltes und wieder das stinkende warme, und wieder kaltes. Ich blieb nun mit fest geschlossenen Augen stehen, ... so lange, bis es vorbei schien und ich nun am ganzen Leib schlotterte, ... aber nun wirklich vor Kälte.
„Hast du die Sachen?", fragte Laar jemanden, ich sah aber nicht auf.
Nur eine Sekunde später spürte ich kalten Stahl im Nacken und mein Kleid zerreißen. „HHHNNNGGGGHHH!", gab ich von mir und hätte fast geschrien, doch schon stand Laar wieder hinter mir ... Er hielt etwas Weiches in der Hand.„Ruhig ...", murmelte er nur wieder und strich mir damit über das Haar, obwohl ich ihn noch zu treten versuchte. Verdammt. Ich hätte doch besser noch eine Flucht wagen sollen.
Nun drückte der Archner mich einfach wieder gegen den Stamm.
„Schhhh ...", blies er sachte in mein Ohr und zog mir dann schlicht die zerfetzten Sachen aus.Ich wand mich trotzdem, ... bis er mich komplett entblößt hatte. Und nun hyperventilierte ich beinahe schon wieder vor Angst.
„Ruhig, ... ganz ruhig, Naani. Ich tue dir nicht weh, ... wenn ich's vermeiden kann. - Oliver, ... hast du das Mittel?", fragte er und ich hörte, wie etwas klickte. Drehte mich hastig um und sah, dass Laar gerade eine metallene Introvers-Spritze zugereicht bekam, welche alle Substanzen mit Druck in die Adern oder sogar auch gleich direkt in die Organe befördern konnten. Verbrecher wurden früher oft damit hingerichtet, ... bekamen das Gift direkt ins Herz geschossen ...„HHHNNNNGGG ...", machte ich also wieder und versuchte, rasch irgendwie hinter den Pfahl zu flüchten. Doch sein Kumpel fing mich diesmal ein.
„Halt sie nur fest, bis sie die Impfung erhalten hat! - Und tu ihr nicht weh!", befahl Laar nur wieder sehr kalt und drückte mir die Substanz dann schlicht in den Oberarm hinein.
Ich riss den Mund auf. Das Mittel brannte so sehr ... Ich hechelte vor Schmerz ... und wurde dann richtig benommen. Meine Ohren rauschten, meine Beine wurden weich wie Wackelpudding.
„Sie reagiert, Laar! Pass auf, sie bricht zusammen", kommentierte Oliver sogleich. Schon spürte ich, wie meine Fesseln gelöst wurden, und hörte Laar leise fluchen und wieder nach meinem rasenden Puls tasten.
„Ziehen wir sie nun schnell an. Ich glaube, das war nicht die Impfung. Sie hatte nur solche Panik vor dem, was wir hier vielleicht mit ihr machen wollten, dass sie hyperventiliert hat."
„Und sie bekommt zumindest ein paar Laute raus, was schon mal gut ist: H, N und G!", kommentierte Oliver trocken.
Laar knurrte leise auf.„Das ist nur ein Anstrengungslaut. – Was sie ebenso von sich geben kann."
„Armes Kind. - Bist du dir wirklich ganz sicher, dass du sie zur Gefährtin willst? Immer noch?", fragte der blonde Oliver Laar noch einmal ganz ernsthaft.
Oh, ja, bitte, er sollte ihn zweifeln lassen! - Bitte!, dachte ich betend und mit schwirrendem Kopf.
Wann immer ich die Augen öffnete, blitzten grelle Lichtpunkte auf. Oh ja ... Ich hatte mich wahrscheinlich wirklich gerade selbst so abgeschossen.
Doch als ich durch die Lichter hindurchblinzelte, sah Laar mich nur wieder so seltsam an. Also versuchte ich lieber, wieder die Augen geschlossen zu halten, während die Krieger mich nun hielten und anzogen wie ein Kleinkind. Doch das eher ruppig statt sanft.
„Frage mich nicht mehr. Du kennst die Antwort, Oliver. Keine andere Frau passt jetzt gerade so perfekt zu mir wie dieses Mädchen. Sie ist noch zu jung für eine Archner-Frau. Noch kaum was an ihr dran. Das ist gut. So werde ich später auch kaum Verpflichtungen ihr gegenüber haben, außer die eine, ihr Leben zu beschützen", meinte Laar noch entschieden und drehte mein Kinn dann in seiner Hand wieder zu sich um.
Wenn der wüsste ... Ich und ein ... Kind.
- Ein Kind hätte niemals allein da draußen im Wald überlebt ...!
Ich schlug erbost auskeuchend auf seine Finger, doch er blieb davon natürlich unbeeindruckt und schob seine Hand lediglich tief in mein Haar, worauf ich wieder nach Luft schnappen musste, und versuchte, mich ihm zu entreißen und über das Lager zu flüchten.Doch ich war noch zu benommen und er war zu schnell und zu stark. „Nein, du läufst mir nun nicht mehr weg, Naani", zerrte er mich sofort wieder zurück und zeigte mir dann ein neues Handzeichen, deutete dann auf meine Brust und wiederholte es wieder.
„Du bist Nanni!", sprach er dann schließlich noch einmal.
Ich schüttelte nur wild den Kopf. Er fing mich an den Haaren wieder ein und zwang mich, ihn anzusehen.„Und wie nennt man dich dann, wenn nicht Naani?", fragte er mich finster grollend, wiederholte das Zeichen und deutete auf mich.
Wieder versuchte ich, den Kopf zu schütteln. Schließlich konnte er mich nicht einfach so nennen, wie er es gerne wollte, selbst wenn ich niemals freiwillig mit ihm sprechen würde, nie im Leben! Doch sein Griff in mein Haar hielt mich auf.„NAANI!", wiederholte er laut, ganz dicht an meinem Ohr, fast schon brüllend.
Ich konnte nicht anders als zusammenzuzucken.

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Die Fremden
Science FictionDie Fremden kamen vor vielen Jahrhunderten über uns, Schlangenartige, fiese, mörderische Wesen. Sie veränderten alles, vernichteten unsere Zivilisation und eroberten fast die ganze Welt. Doch einige Menschen begannen irgendwann gegen sie zu kämpfen...