„Sei gegrüßt, Archner-Kind-Frau ... Dein Glück, dass du so dumm und noch dazu taub bist, sodass du nicht weißt noch ahnst, was dich erwartet", murmelte er höhnisch.„Willst du mich etwa herausfordern, Zurroh?", grollte der Archner hinter mir und der grauhaarige Krieger ging schlicht weiter. Der nächste kam, grüßte mich, dann wieder der nächste, bis alle Archner mir letztlich die Hand auf die Stirn gelegt hatten.
So absonderlich ...
Dann erst packte mich Laar wieder am Oberarm und zerrte mich zu seinem wartenden Pferd, das schwarz und unerhört riesig war.
Doch Fahrzeuge gab es ja schon lange nicht mehr in den Tallanden, denn diese lockten mit ihren vibrierenden Motoren alle Fremden im Umkreis von zehn Kilometern an.
Nur Pferd und Wagen wurden von ihnen geduldet, ... wenn sie sich nicht gerade auf der Jagd befanden. Sie wollten Wasser, Getreide und Frauen, ... so wie auch die Männer hier genau dies immer suchten.
„Vorsicht!", sprach Laar nun noch einmal leise zu mir, umfasste meine Taille mit beiden Händen und hob mich auf das schnaubende Pferd hinauf.
Ich stieß erschrocken die Luft aus, wollte sogleich wieder auf der anderen Seite herunterspringen und weglaufen, so schnell ich nur konnte. Doch Laar war schon hinter mir aufgestiegen und presste mir, mit einem Arm um meine Mitte greifend, nun fast die Luft ab.
Ich stieß ein erneutes Keuchen aus, und noch eins, schlug schließlich auf seine Hand ein, mit meiner winzigen Faust auf seine schwielige, riesige Hand.
„Na, da erwacht jetzt also doch noch ein klein wenig Kampfgeist in dir?", murmelte er an meinem Ohr, wenn der wüsste ... Wenn wir hier nicht gerade mitten in der Siedlung und umringt von Archnern wären, hätte ich ihm bereits sein eigenes Messer in den Wanst gejagt, doch dann wäre ich bald tot ... und tote Menschen konnten unmöglich weiterleben. Ergo, ... ich hielt mich vorerst bedeckt.
„Lass dir eines von mir sagen, Mädchen ohne Namen: Du brauchst mich nicht zu fürchten. Du nicht", flüsterte er noch, dann drückten seine rauen harten Finger auf einen Punkt an meinem Hals. Wahhhhh????
Ich bekam keine Luft mehr, ... mir schwindelte ...
„Gahhhrrr ...!!!", schüttelte ich mich noch und versuchte, mich frei zu winden, dann verlor ich bereits die Besinnung.
Geräusche wie Pfeifen, Fiepen und Stöhnen weckten mich auf.
Jemand schrie irgendwo. Das Klirren von Stahl auf Panzerhorn erklang, dann Schüsse ...Rings um mich herum waren Blätter und dornige Zweige. Der Archner hatte mich offensichtlich in einen Busch reinfallen lassen.
Als Ablenkung für die Fremden, ... damit sie den angreifenden Massen entkommen konnten, ... hatte ich es doch gewusst ... Bastarde ...!Also waren die Gerüchte tatsächlich wahr und dieser ganze Zirkus von wegen Archner-Frau in der Siedlung nur ein Schauspiel für die dortigen Männer.
Die Archner ließen die Mädchen wirklich nur draußen im Wald, wenn ihnen das nützte, sie ließen sie einfach sterben. Und um mich herum tobte gerade ein irrer Kampf - Archner gegen Fremde.
Durch das dichte Gewirr der Blätter sah ich vereinzelte Gliedmaßen, jedoch nicht nur Hände und Füße, Arme und Beine, ... nein.
Wie Schlangen, dick und rund und schnell, bewegten sich die dicken Fremdenkörper am Gebüsch vorbei. Ich selbst bewegte mich nun nicht mehr, da meine Mutter mir erklärt hatte, dass die Fremden eine jede noch so kleine Bewegung spüren konnten, es jedoch nicht sahen oder spürten, wenn man ganz still blieb und alle Lebenszeichen unterdrückte.
Ein zischender Laut erklang ganz in der Nähe. Ich hielt rasch den Atem an, doch es war schon zu spät.
Etwas Kneifzangenähnliches, Scheren, Klauen, packten mich an meinem Kleid und zogen mich aus dem Gebüsch.
Ich segelte durch die Luft, dann fiel ich zu Boden und keuchte unwillkürlich aus.
Ein Baumstamm - zumindest fühlte es sich wie einer an - drückte mich in der nächsten Sekunde hart zu Boden, riss an meinen Kleidern, ... riss an meinen Haaren, aber ich zwang mich dazu, vollkommen schlaff zu bleiben, regungslos und hielt nach einem raschen, flachen Einatmen erneut die Luft an.
Etwas klickte an meinem Arm. Ein Schnabel, eine Klaue, was auch immer sich da über mich drüber bewegte, was zu einem der Fremden um mich herum gehörte, glitt über die Armschelle, schabte über meine Haut.
Es fühlte sich kalt und schuppig an.
Dann zischte es wieder, direkt an meinem Ohr.
Ich wollte eigentlich wegzucken, tat es aber nicht, sah auch nicht auf, starrte nur weiter die Luft anhaltend auf den Boden, auf meine schlaffen Finger, auf die rissigen Nägel und das Moos darunter.
Ich war nicht da, ... lebte nicht ... Bei allen Göttern, ... bitte!!!
Dann waren sie plötzlich alle weg und ich atmete flach und leise aus und gleich wieder ein.Flüche erklangen, dann eilige Schritte, ich regte mich nicht, zwang mich, nicht zu zittern, nichts zu sagen, nicht zu schreien, nicht aufzublicken, auch wenn ich mir nun einige weitere, flache Atemzüge erlaubte.
„Du hattest recht, Laar, die Fremden wollen sie wirklich nicht. Aus welchem Grund auch immer", meinte Oliver grimmig, während Laar mich nur schon wieder am Kragen packte und auf die Füße stellte.
Oh, am liebsten hätte ich ihm nun die Augen ausgekratzt. Dieser bescheuerte Frauen-Selektierer ...
„Ja ... Sonst hätten sie sie sicher schon längst aus ihrem Versteck geholt.
Sie ist anders. Nicht dümmer, ... vielleicht nur todesmutiger", meinte er kurz, klopfte mir dabei grob die Kleider ab, entfernte Dornenzweige aus meinen Kleidern und Haar und schob dann meine wirren Wellen hinter meine Ohren zurück.
„Bist du okay?", fragte er mich und rüttelte an meinem Arm.
„Vielleicht ist sie ja wirklich taub?!", vermutete der blonde Hüne stirnrunzelnd.„Nein, das glaube ich nicht. Sie versteht mich. Versteht alles, was wir sagen. Und ich denke, sie könnte sogar sprechen ...", vermutete Laar finster und hob einmal mehr mein Gesicht zu sich empor, doch ich sah ihn diesmal nicht mehr an. Sah niemanden an, starrte nur wieder in den Himmel hinauf und versuchte zu verdrängen, wie weh mir nun alles tat, nach dem Sturz und diesem Fremden-Körper, der sich auf mich geworfen und meine Haut aufgeschürft hatte.
„Laar, ich bitte dich ... Sie hat nicht mal geschrien, als sie durch die Luft geflogen ist. Sie atmet nur und gibt Laute von sich. Das ist kein Reden ...", murmelte der andere Archner wieder unsicher und seufzte schließlich.
„Für heute sind wir die Dinger jedenfalls los."
„Und morgen werden sie wiederkommen", brummte Laar finster und umfasste nun sogar mein Gesicht mit beiden Händen, bis ich ihn doch noch anblickte, und er sah mich an, voller Härte und Grimm. „Du wirst mich ansehen!", befahl er mir und nickte bekräftigend.
Ich wagte kaum zu atmen, als er mit seinem Daumen über mein schmutziges Gesicht strich.
„Jetzt zittert die auch noch, Laar. Ich glaube, sie fürchtet sich mehr vor dir als vor den Fremden", spöttelte Oliver gleich hinter mir.
Laar sah mich derweil immer noch an und ich konnte nicht fortsehen.
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Die Fremden
Fiksi IlmiahDie Fremden kamen vor vielen Jahrhunderten über uns, Schlangenartige, fiese, mörderische Wesen. Sie veränderten alles, vernichteten unsere Zivilisation und eroberten fast die ganze Welt. Doch einige Menschen begannen irgendwann gegen sie zu kämpfen...