ZEHN

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"Was?", fragte ich bestürzt. Schockiert ließ ich mich auf den Stuhl gegenüber von Byren sinken. Er nickte schweigend, die Lippen aufeinander gepresst. Es war für mich vollkommen unverständlich, dass ein so junges Mädchen einen wildfremden Mann heiraten sollte.

"Wie alt ist sie?", fragte ich vorsichtig. Er lachte humorlos auf. "Sie ist gerade fünfzehn Jahre geworden." "Wir müssen doch irgendetwas tun können!", rief ich und sprang auf. Verzweifelt lief ich im Raum auf und ab. "Nein. Es gibt keine andere Möglichkeit." Aufgebracht warf ich die Hände in die Luft und rauschte mit einem "Ich sehe nach Zija" aus dem Raum.

Als erstes suchte ich ihr Schlafzimmer auf, doch dort war sie nicht, genauso wenig im Innenhof oder im Esszimmer. Schließlich fragte ich eine Frau, die gerade mit einem Wäschekorb unter dem Arm in den Flur kam, nach ihr.

"Lady Zija verließ vor Kurzem das Schloss", informierte sie mich. Dankend nickte ich und stürmte dann Richtung Ausgang.

Ich überquerte den Marktplatz, wobei ich mich suchend umsah. Ich fragte vorbei laufende Leute und Verkäufer nach ihr und endlich nickte eine Frau in brauner Schürze und zu kurzen Hosen. "Lady Zija hat beinahe einen Kästen mit Eiern umgeworfen, als sie an meinem Stand vorbei gerannt ist. Sie hat sich entschuldigt und ist dann gleich weiter in Richtung Tempel." Sie deutete in die entgegen gesetzte Richtung und ich bedankte mich glücklich bei ihr. Sofort hastete ich in die angegebene Richtung.

Einer breiten Straße folgend drängte ich mich durch die Menge. Ich kam an Kleiderläden, Wohnhäusern und Restaurants vorbei, ehe sich die Straße erneut zu einem großen Platz verbreiterte. In der Mitte ragten mehrere kreisförmig angeordnete Säulen in den Himmel. In der Mitte dieses Kreises befand sich eine Art Altar, an dem mehrere Menschen knieten. Unter ihnen Zija.

Ich eilte zu ihr über den Platz. Als ich in den Kreis trat, bemerkte ich fünf blaue Linien, die von den Säulen zum Altar führten und somit eine Art Stern formten. Ich trat zu Zija und hörte sie Worte murmeln. Ihre Hände klammerten sich an einen blau bemalten Vorsprung im Altar, während sie beinahe krampfhaft in den Himmel starrte. Ich wagte es nicht, sie zu stören, weil ich befürchtete, in ein religiöses Ritual zu platzen. Also stand ich schweigend hinter Zija und wartete darauf, dass sie fertig wurde.

Schließlich klopfte sie fünf Mal auf den Vorsprung und erhob sich dann. Als sie sich zu mir umdrehte und mich erkannte, hob sie erstaunt die Augenbrauen. Sie bedeutete mir schweigend, ihr zu folgen. Erst als wir uns außerhalb des Säulenkreises befanden, blieb sie stehen.

"Warum bist du hier her gekommen?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich wollte mit dir reden." Sie überlegte kurz, nickte dann und sagte: "Wir können reden. Komm mit, hier ist zu viel los." Und da hatte sie recht. Überall auf dem Platz standen Leute und unterhielten sich laut, aber innerhalb des Säulenkreises war es totenstill gewesen.

Wir liefen durch eine enge Seitengasse, die nicht einmal gepflastert war, und gelangten schließlich zu einem weiteren großen Platz. Mir stellte sich die Frage, wie viele es davon in Akazee gab, doch ich schon den Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf Zija, die auf eine haushohe Mauer zusteuerte. Darin war eine Gittertür eingelassen, vor der allerdings ein bewaffneter Soldat stand. Zija lächelte ihn freundlich an und er klopfte sich einmal mit verschränkten Fäusten auf die Brust, ehe er die Tür auf schloss und uns hinein ließ. Hinter der Mauer erwartete uns ein Wald. Mitten in der Stadt befand sich ein Wald. Staunend sah ich mich um. Die Bäume waren nicht hoch, hatten dafür aber ein ausladendes Blätterdach und an ihren Ästen hingen pflaumenartige, dunkelbraune Früchte. Die Blätter der Bäume waren lederartig, groß und tiefgrün. Auf den zweiten Blick war der Wald nicht so groß, wie ich gedacht hatte. Durch die Blätter sah ich die weiße Mauer, die den Wald eingrenzte, hervor blitzen.

"Was ist das hier?", fragte ich atemlos. "Der Desylosfrüchtehain. Einer meiner Vorfahren hat ihn anpflanzen lassen, weil die Früchte so nahrhaft sind, dass die Bewohner Akazees eine zweijährige Belagerung überleben würden. Zusammen mit den Vorräten, die unter der Stadt gelagert sind, sind wir beinahe unbezwingbar. Außerdem ist es hier herrlich ruhig." Zija ließ sich unter einem Baum nieder und klopfte auf den trockenen Boden neben sich. Die Blätter hatten den Schnee davon abgehalten, den Boden zu erreichen. Nachdem auch ich mich gesetzt hatte, sah Zija mich auffordernd an. "Worüber wolltest du reden?"

"Deine Heirat ... Es tut mir sehr leid." Als ich in zu ihr sah, hatte sie eine ausdruckslose Miene aufgesetzt und ihre Schultern waren gestrafft. "Das muss es nicht", sagte sie, "Es ist meine Pflicht und ich bin sehr glücklich, dass ich so einen guten Mann wie den Prinzen von Leaodor heiraten darf." Ich seufzte auf. "Bei mir darfst du ruhig ehrlich sein." "Ich bin ehrlich", sagte sie stur und sprang auf. "Ich werde jetzt gehen. Folge mir nicht, Baylee Chamberlain, oder es wird Konsequenzen haben." Damit verließ sie den Hain und ich konnte ihr nur traurig hinterher sehen.

Es dauerte noch eine Weile, bis ich mich in der Lage sah, den Hain ebenfalls zu verlassen, ohne Zija doch wieder zu suchen. Stattdessen kehrte ich ins Schloss zurück und suchte nach einer Lösung, indem ich durch das Schloss streifte und angestrengt nachdachte. Ich kam an Wandteppichen und vielen Türen vorbei, ehe ich die Tür zum Turm fand. An ihr hing ein Schild mit der Aufschrift "Zugang nur für den Glöckner". Leise öffnete ich sie und schlüpfte hindurch. Dahinter erwartete mich eine lange Wendeltreppe, die von vielen Füßen ausgetreten war. Ich schleppte mich die mehr als fünfhundert Stufen hinauf (Bei fünfhundertdreiundvierzig hatte ich aufgehört zu zählen) und kam nach einer Ewigkeit atemlos oben an. Am Treppenabsatz erwartete mich eine weitere Tür, diesmal nicht aus Holz, sondern aus massivem Metall. Mit aller Kraft schob ich sie ein Stück auf und trat hinaus. Hier oben herrschte ein starker Wind, der mir die Haare ins Gesicht wehte und an meinen Klamotten riss. Doch die Aussicht war unglaublich. Ich konnte ganz Akazee überblicken, dessen schneebedeckte Dächer in der Nachmittagssonne blitzten. Die Livaden auf den Straßen waren nur bunte Punkte auf den weißen und blauen Straßen. Von meinem Standpunkt aus konnte ich drei große Plätze sehen: Den Marktplatz direkt am Fuße des Turms, und zwei weiter entfernte Plätze, die mit breiten, blau gepflasterten Hauptstraßen mit dem Marktplatz verbunden waren. Ich wollte mich gerade zur anderen Seite des Turms begeben, um die andere Seite Akazee anzusehen, als sich die Tür hinter mir mit einem leisen Knarren öffnete.

(Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber mein Handy funktioniert gerade nicht, deswegen musste ich mich an den Computer setzen)

WinterblumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt