EINS

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Staunend sah ich aus dem Fenster und betrachtete die großen Schneeflocken, die vom Himmel herunterkamen. Der erste Morgen meiner Weihnachtsferien begann wunderbar.

Erst gestern waren wir in Brethville angekommen, das nicht viel mehr als eine kleine Ansammlung von Häusern war. Für den Einkauf musste man nach Coldfoot fahren, aber für mich war das kein Problem. Ich liebte diese Abgeschiedenheit und die Ruhe, die hier herrschte. Als wir ankamen, war es stockfinster, sodass ich nicht erkennen konnte, wie hoch der Schnee lag, doch jetzt überraschte mich die Tatsache, dass die Schneedecke sogar die Büsche im Garten überragte.

Meine Erinnerungen an Alaska waren inzwischen nichts weiter als verschwommene Bilder, wie aus einem Film, den man vor Ewigkeiten gesehen hatte, weshalb mich dieser Anblick überwältigte.

"Bay!", rief Mom von unten, "Frühstück!" - "Komme gleich", brüllte ich zurück, bevor ich von der breiten Fensterbank rutschte und in meine roten Hasenpantoffeln schlüpfte. Dann hüpfte ich die knarzende Treppe hinunter ins Erdgeschoss, wo mich ein kleiner Flur zur offenen Küche und dem Wohnzimmer führte.

Am Frühstückstisch saß bereits meine kleine Familie und eine spärliche Auswahl an Lebensmitteln war auf der Holzplatte verteilt. "Guten Morgen", trällerte ich und ließ mich auf den Stuhl neben Mom fallen. Mir gegenüber starrte Valentina mit solch schlechter Laune in ihr Müsli, dass man denken konnte, ihre Lieblingssendung sei abgesetzt worden.

"Morgen Schatz", war Moms Antwort, und das einzige, das ich so früh am Morgen erwarten konnte. Kein "Wie hast du geschlafen?" oder "Hast du heute schon etwas vor?". Nein, meine Familie bestand aus Morgenmuffeln und Valentina war besonders schlimm, was man auf ihre Pubertät oder ihre insgesamt griesgrämige Einstellung schieben konnte. Sie kam ganz nach ihrem Vater, der auch jetzt nur ein Nicken für mich übrig hatte.

Meiner guten Laune tat das keinen Abbruch, immerhin war ich diese Behandlung schon gewöhnt und außerdem hatte ich gerade echten, wahrhaftigen Schnee gesehen und mein Tagesplan war gefüllt mit Dingen, die ich nachholen musste.

Punkt eins: Schneemann bauen
Punkt zwei: Schneeflocken fangen
Punkt drei: Spaziergang nach Coldfoot
Punkt vier: Angel ausleihen
Punkt fünf: Eisangeln
Punkt sechs: Fisch zum Abendessen braten

Punkt eins und zwei hatte ich bereits erfolgreich abgehakt, weshalb ich jetzt mit vor Kälte roten Händen ins Haus lief und mir meine Geldbörse nahm, um mich dann auf den Weg nach Coldfoot zu machen. Ich zog mir meine Mütze weiter über die Ohren und kuschelte mich noch ein wenig mehr in meinen Mantel.

Nur das Knirschen des Schnees unter meinen Stiefeln war zu hören, als ich neben der Straße her schlenderte und die Stille genoss. In Kalifornien war es nicht so still. Ständig hörte man Autohupen, Geschrei (nein, nicht immer waren Kinder die Ursache), und andere nervtötende Geräusche.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich das Ortsschild passierte und in die einzige Hauptstraße einbog. Lächelnd betrachtete ich jedes Schaufenster und kaufte mir in einem der Läden einen bunt gemusterten Schal, bevor ich schließlich zu dem Angelshop gelangte, der mein eigentliches Ziel war.

Drinnen begrüßte mich ein älterer Herr lächelnd und fragte, ob er mir helfen könne.

"Ja, bitte. Ich möchte Eisangeln gehen, was brauche ich denn da für eine Angel?", erwiderte ich lächelnd. Er zeigte mir das entsprechende Modell und nannte mir die beste Stelle zum Angeln, warnte mich aber davor, dass die Temperaturen in letzter Zeit zu hoch gewesen waren, als dass man ordentlich Eisangeln könne.

Ich nickte, fügte aber hinzu, dass ich trotzdem einmal zum See laufen würde.

Er nickte und sagte dann: "Die Leihgebühr für eine Woche beläuft sich auf zwanzig Dollar." Ich reichte ihm die entsprechende Summe und verließ dann fröhlich den Laden, die Angel über der Schulter. Summend folgte ich einem unter dem Schnee nur schwer erkennbaren Wanderpfad aus der Stadt hinaus, weiter den Berg hinauf. Nach mehr als zwanzig Minuten erreichte ich den Bergsee und musste feststellen, dass der Verkäufer recht hatte. Zwar lag um den See herum meterhoch Schnee, das Gewässer selbst war jedoch nicht einmal komplett zugefroren.

Seufzend drehte ich mich zurück zum Weg, um nach Hause zu laufen, doch zu meinem Entsetzen hatte der Schnee nicht nur meine Spuren, sondern auch den Weg vollkommen zugedeckt.

Wie sollte ich jetzt zurückkommen? In der Ferne, weiter unten im Tal, sah ich Rauch aufsteigen und entschied mich, direkt darauf zuzugehen. Ich schlug mich durch Bäume und Büsche, bis ich plötzlich über eine Wurzel stolperte und hart auf dem Boden aufkam. Alles drehte sich, und ich meinte, ein seltsames blaues Licht zu sehen, bevor die schwarzen Flecken vor meinen Augen die Überhand gewannen.

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Oben ein Bild, wie ich mir Baylee vorstelle :) Nur hat Baylee eigentlich graue Augen - bitte denkt euch das :D Was haltet ihr vom neuen Cover? :)

WinterblumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt