VIER

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Der Weg ins Tal war anstrengend. Nicht nur, dass es wirklich steil war, der Boden war auch noch rutschig und es würde immer dunkler.

Es kam mir vor, als wären Stunden vergangen, bis wir endlich unten ankamen und ich ließ mich erst einmal erschöpft auf den Boden fallen, um mir die erschöpften Arme und Beine zu reiben. "Komm schon, wir müssen weiter", drängte mich Zija und sah sich misstrauisch um.

"Erwartest du, dass wir überfallen werden?", fragte ich scherzhaft, denn es war in den letzten Stunden immer öfter vorgekommen, dass sie sich beinahe nervös umsah, bei der kleinsten Bewegung zu ihrem Bögen griff oder schweigend inne hielt, um zu lauschen. Ich wusste nicht was ihr solche Angst machte, aber ihre ständige Nervosität brachte auch mich dazu, unruhig zu werden.

Ein ernster Blick traf mich und augenblicklich verschwand das Grinsen von meinem Gesicht. Was auch immer sie so nervös machte, es war gefährlich, wenn sie nicht einmal darüber lachen konnte. Während unseres Abstieg hatte ich nämlich bemerkt, dass sie eine viel fröhlichere Person war, als es den Anschein hatte. Selbst über die überaus erbärmlichen Klopf-Klopf-Witze, die ich auf Lager hatte, konnte sie lachen. Sie hatte mir im Gegenzug von den verwinkelten Gassen der Hauptstadt Akazee erzählt, von den kleinen Läden und dem großen Marktplatz und von dem Stadtpalast der Königsfamilie, der mehr an ein großes Haus erinnerte.

Ächzend stand ich wieder auf und bedeutete ihr, vorzugehen, ehe ich ihr weiter in Richtung Akazee folgte. Die Sonne war inzwischen vollkommen hinter den Bergen versunken, aber vom Mond war noch nichts zu sehen.

Wir wanderten noch eine Weile über schneebedeckte Wiesen, an Bauernhöfen und kleinen Jagdhütten vorbei, am Rand des in der Dunkelheit bedrohlich wirkenden Waldes entlang, bis wir den Fluss überquerten, der sich durch das Tal zog und vor den Toren der Hauptstadt standen.

Das große, geschlossene Holztor war teilweise von Eis überzogen und eine kleine Pforte war im rechten Torflügel eingelassen, sodass nicht jedes Mal das ganze Tor geöffnet werden musste, wenn jemand hineinwollte. Ich bestaunte noch die bedrohlich über uns hängenden Spitzen des Fallgitters, als Zija an besagte Pforte klopfte.

Ein kleines, vergittertes Fenster würde auf Augenhöhe geöffnet und ein Mann brummte genervt: "Ja?" "Wir möchten hinein", erklärte Zija, doch der Mann wimmelte sie ab: "Um diese Uhrzeit wird das Tor nicht mehr geöffnet. Nicht dieses Jahr." Für mich ergaben seine Worte keinen Sinn, doch Zija nickte.

"Ich verstehe, Torwächter, aber ich möchte dringend zum König." Ein ungläubiges Prusten ertönte von der anderen Seite, aber Zija ließ sich nicht beirren. "Ich bin Zija Sallitore. Lasst mich und meine Begleiterin hinein!" Die Antwort des Torwächters konnte ich nicht verstehen, aber ihr Name schien ihm etwas zu sagen, denn tatsächlich wurde die kleine Einlasspforte geöffnet und wir konnten in die Stadt.

Ich hatte gar keine Zeit, mich über die Sinneswandlung des Wächters zu wundern, zu überwältigt war ich vom Anblick der Stadt. Sie wirkte wie einem Mittelalterfilm entsprungen, mit Fachwerkhäusern und überdachten Brunnen in den umzäunten Gärten. Noch dazu kam, dass alles mit Eis und Schnee überzogen war. Eine wunderschöne Szenerie.

"Es ist unglaublich", wisperte ich und schaute zu Zija, die lächelnd neben mir stand. Sie nickte und deutete dann auf einen hohen Turm, der die anderen Häuser überragte. "Dieser Turm gehört zum Palast des Königs. Wenn man ganz oben steht, kann man das ganze Tal überblicken." Staunend legte ich den Kopf in den Nacken und musterte den Turm aus weißen Quadersteinen.

"Wir müssen weiter, Baylee Chamberlain", machte mich meine Reisegefährtin auf unsere Situation aufmerksam und ich stimmte ihr zu, sodass wir uns auf den Weg in Richtung Stadtmitte machten - direkt auf den Stadtpalast zu.

WinterblumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt