"Hast du eigentlich einen Freund? Das hab ich mich vorher schon gefragt, als ich dich beobachtet habe. Du bist bildhübsch!" , frage ich Eve neugierig.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, haben wir uns zu einem kleinen Spaziergang innerhalb des Parks entschlossen. Wir lernen uns gerade besser kennen und stellen uns immer gegenseitig Fragen, die wir dann beide beantworten müssen. Es geht mir jetzt so viel besser. Ich fühle mich quasi wie neu geboren!
"Danke, das ist lieb von dir! Ja, habe ich. Er heißt Shawn. Wir sind jetzt seit knapp einem Jahr zusammen."
"Und? Wie ist er so? Also Aussehen, Leben und weiteres."
"Er ist groß und muskulös. Seine Haare sind brünett und leicht gelockt. Er hat markante Gesichtszüge, die wie ich finde, total sexy sind und er studiert Architektur im ersten Semester. Ich würde sagen jetzt bist du dran, von deinem Liebesleben zu erzählen, Lynn."
"Och manno, das war eine ziemlich tolle Schilderung vom Auftreten deines Freundes, Eve. Bei mir gibt es niemanden. Früher mal, ja, aber das war noch in der Unterstufe. Ist also schon eine Zeit lang her." Wir müssen beide lachen und daraufhin ergreife ich nochmal das Wort.
"Als du vorhin gesagt hast, dass du dich mit mir verbunden fühlst... da habe ich mir genau das selbe gedacht. Wir gehen miteinander um, als würden wir schon lange gute Freundinnen sein und das finde ich auch richtig toll. Ich hätte nie von mir gedacht, dass ich dir so etwas wie meine Gefühle und Gedanken anvertrauen würde, einfach weil wir uns erst seit ein paar Stunden kennen, aber wir reden wie selbstverständlich miteinander!"
Ich lächle sie voller Euphorie an und sie nickt zustimmend.
"Ja, das ist echt cool! Und ich bin echt froh, dass es dir wieder besser geht!"
"Und ich erst! Gerade jetzt fühle ich mich nämlich ziemlich gut und das war die letzten Monate eher nicht der Fall..."
Ich senke den Kopf und beherrsche mich, nicht schon wieder in Selbstmitleid zu ertrinken. Dann sehe ich Eve entschlossen in die Augen und merke, dass sie mich in jeder Hinsicht unterstützen will.
Wie kann man nur so perfekt sein wie sie? Wobei das natürlich rein rhetorisch gemeint ist. Niemand ist perfekt und ich bin mir sicher, dass auch sie ihre Macken hat. Doch ich habe sie in den letzten Stunden so lieb gewonnen, dass ich mich, als es immer später und dunkler wird, nicht von ihr verabschieden möchte. Und vielleicht muss ich das auch gar nicht. Jedenfalls nicht für immer.
Als es dann Zeit für mich ist, zu gehen, danke ich ihr für den schönen Tag, der den ursprünglich traurigen Tag übertroffen hat und frage sie: "Wollen wir uns nicht bald wieder treffen? Ich möchte mich noch nicht wirklich von dir verabschieden..."
Sie lächelt mich voller Vertrauen an und antwortet: "Ich dachte schon, du fragst nie! Ich wollte diese Entscheidung dir überlassen, da du momentan noch etwas neben der Spur bist."
Ich sehe sie verwundert an und sie wirft schnell hinterher: "Natürlich nicht böse gemeint!! Ich dachte nur, du willst vielleicht noch etwas Zeit für dich haben. Aber ich würde dich auch sehr gerne wiedersehen!!"
"Verstehe" , erwidere ich nachdenklich. "Wie lange bist du noch hier?"
"Leider nur noch heute. Meine Mutter und ich reisen morgen früh ab, aber es ist nur ungefähr eine Stunde von Leesville bis hierher und vielleicht kann ich ja nächstes Wochenende einen kleinen Ausflug mit dem Zug nach Jasper machen. Dann kannst du ja auch gleich mal Shawn kennenlernen!"
"Ja, das wäre wirklich toll!! Ich geb dir meine Nummer, dann kannst du mich kontaktieren, wann du kommst." Und nachdem wir unsere Nummern ausgetauscht haben, ziehe ich sie in eine lange Umarmung und es kommen mir beinahe die Tränen.
"Du bist ein wundervoller Mensch, Eve. Ich bin wahnsinnig froh, dich heute getroffen zu haben!!" , murmele ich in ihr dichtes Haar.
"Bleib stark" , sagt sie nur und lässt mich vorsichtig los. Wir sehen uns noch einmal voller Freude an den heutigen Tag zurückblickend an und schließlich geht jeder seine Wege.
Als ich nach Hause komme, duftet es schon im ganzen Haus nach Lasagne. Mrs. Pouls ist die beste! Denn das ist mein absolutes Lieblingsessen, auch wenn ich versuche weniger Fleisch zu essen, die Lasagne ist und bleibt ein MUSS auf meinem Speiseplan!
Ich mache die Tür zum Esszimmer gegenüber der Küche auf und sehe Mr. Pouls bereits am Tisch sitzen.
Ich geselle mich zu ihm und fange ein nettes Gespräch mit ihm an. Ich erzähle ihm vom heutigen Tag und so kommt es, dass wir Minuten später in ein Gespräch über meine neue Freundin Eve vertieft sind.
Meine „Großeltern" wissen, dass ich meine Freunde mit Bedacht wähle. Ich lasse nicht jeden an mich heran und das ist auch einer der Gründe, warum ich mich heute in Eve's Armen kaum wiedererkannte.
Irgendwann stößt Mrs. Pouls zu uns und wir essen genüsslich die beste Lasagne der Welt! Wenig später beschließt diese, mich auf die Erbschaften meiner Mutter hinzuweisen und ich beschließe, sie mir demnächst einmal anzusehen.
Dieses Gefühl der Geborgenheit, das mir Eve komischerweise gegeben hat, hat mich auf jeden Fall in punkto Trauer um meine Eltern bestärkt und diese Erbstücke, die mir Mutter hinterlassen hat, muss ich früher oder später an mich heranlassen. Da macht es keinen wirklichen Unterschied, ob heute, morgen oder in 2 Jahren.
Wieder zurück in meinem Zimmer kümmere ich mich um die mir nahegehenden Erinnerungen meiner Mutter. Ich lege sie alle behutsam in eine Schublade unter meinem Bett und hoffe, sie so bald wie möglich mit Freude ansehen zu können.
Das Foto von uns, wo auch mein Vater abgebildet ist, gebe ich in einen schönen Bilderrahmen und stelle es auf meinem Nachtkästchen auf. Es ist mein absolutes Lieblingsfoto von meiner Familie.
Es zeigt uns lachend auf einer hölzernen Hollywoodschaukel in dem gigantischen Garten meiner Tante Margret in Vegas. Es ist eine Momentaufnahme.
Es ist komisch, aber ich kann mich noch haargenau an diesen Tag erinnern. Es war einer der schönsten meines Lebens. So unbeschwert und einfach nur Glück und Freude versprühend. Zu diesem Zeitpunkt waren meine beiden Elternteile noch kerngesund...
Geschwister hatte ich nie. Ich hab mir schon immer welche gewünscht, aber meine Eltern wollten keine Kinder mehr.
Ich stelle es mir immer noch so wunderschön vor, eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder zu haben. Sie aufwachsen zu sehen, mit ihnen zu spielen, ihnen weismachen, wie das Leben so läuft. Aber ich habe Aubrey und ich liebe ihre Familie fast so sehr wie meine eigene. Ich weiß zwar nicht, wie es sich anfühlt eine Schwester zu haben, aber Aubrey kommt dem, glaube ich, schon ganz nahe.
Sie, hingegen, hat gleich 4 Geschwister. Ihre 18-jährige Schwester Trish, ihre 6-jährige kleine Schwester Cindy, ihr 2-jähriger kleiner Bruder Blake und ihr bereits ausgezogener 22-jähriger Bruder Stephen können aber auch ganz schön nervig sein. Zumindest die ersten drei genannten. Stephen hat mittlerweile eine Freundin und wohnt in einem anderen Bundesstaat.
Und das alles weiß ich aus 14 Jahren Freundschaft!! Wenn das keine lange Zeit ist! Aubrey und ich haben auch schon gestritten wie Geschwister, denn das kommt auch mal vor in so einer langwierigen Freundschaft. Vor allem im Kindergartenalter!
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann brauche ich auch gar keine Geschwister. Habe ich bis jetzt noch nie in meinem Leben gebraucht, da ich doch immer meine immer noch beste Freundin an meiner Seite hatte. Und dann kommt auch noch Eve dazu. Ich kenne sie zwar erst seit heute und doch bezeichne ich sie schon als Freundin.
Und kurz bevor ich einschlafe, befasse ich mich noch mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, die beiden beim nächsten Treffen einander vorzustellen. Ja, das wäre toll. Aubrey wird sie lieben und umgekehrt ebenso. Wie wären ein tolles Trio!
Doch jetzt lasse ich erst einmal die kommende Schulwoche auf mich zukommen. Ja, ganz richtig - ich werde morgen erstmals seit dem Tod meiner Mutter wieder zur Schule gehen und ich hab keinen blassen Schimmer, was auf mich zukommt.
DU LIEST GERADE
how life goes
Teen FictionNachdem die 17-jährige Lynn nun auch ihre Mutter verloren hat, weiß sie nicht, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll, doch ihre beste Freundin Aubrey ist immer für sie da, ob in guten oder schlechten Zeiten. Als Lynn es nicht länger in ihrem große...