Und so spaziere ich nach Hause. Obwohl ich es jetzt eigentlich nicht mehr so nennen kann. Ich weiß nicht, was sich dort für mich verändert hat, außer dass sie nie mehr da sein wird, wenn ich von der Highschool nach Hause komme und immer schon von weitem zu riechen war, was es zu Mittag gab.
Seit es passiert ist, habe ich bei Aubrey gewohnt, um mich nicht allzu alleine zu fühlen, aber jetzt weiß ich nicht mal mehr, was ich mir dabei gedacht habe, denn egal wo ich war oder woran ich gedacht habe - ich spürte immerzu diese unendliche Leere in mir.
Heute ist Freitag und ich bin seit einer Woche nicht mehr zur Schule gegangen. Ich wollte niemandem, außer natürlich Aubrey, unter die Augen treten. Ich wollte keine mitleidigen Blicke auf mir ruhen sehen und keine unangenehmen und nahegehenden Fragen beantworten.
Aubrey war für solche Situationen die allerbeste beste Freundin, die man sich nur vorstellen konnte. Klar, sie nahm mich gelegentlich in den Arm und tröstete mich, wenn ich wieder mal einen Zusammenbruch hatte, aber sie ist trotzdem eher diejenige, die mich immer und überall aufmuntert, tröstet oder motiviert. Und schon wieder redet sie auf mich ein und beschwert sich über den knallroten Lippenstift meiner Tante Margret auf der Beerdigung meiner Mutter. Sie findet immer irgendwelche Themen, über sie reden kann, um eine eigentlich traurige Situation zum positiven zu wenden.
"... unglaublich respektlos!! Also in meiner Familie hätte das niemand gewagt! Ok, außer vielleicht meine oberrespektlose große Schwester Trish. Aber sonst echt keiner. Ich meine, hallo? Zu einem Begräbnis trägt man schwarz, das ist doch wohl klar!! Oh, und hast du ihre Fingernägel gesehen? Mal abgesehen davon, dass sie viel zu lang sind und ungepflegt aussehen, sind sie pink lackiert! Pink und rot matcht einfach nicht! Das weiß doch jeder!!"
Und so geht es den ganzen Weg bis in die Borderstreet weiter. Und ich bin ihr dankbar dafür! Vor der zweiflügeligen Haustür eines gigantischen, himmelblauen Hauses bleiben wir stehen. In meiner Kehle bildet sich ein großer Kloß, der es mir schwer macht zu atmen. Jetzt hört auch Aubrey auf zu reden und sieht mich abwartend an.
"Lynn, du weißt, dass ich dich liebendgerne noch begleiten würde" , will sie mich noch einmal umstimmen, doch ich bleibe stur und sage nur: "Danke und das meine ich auch wirklich so, aber ich war jetzt eine Zeit lang nicht hier und muss mich erst wieder zurechtfinden." Verwundert darüber, wie viel ich trotz meiner Nervosität herausbekommen habe, umarme ich meine Freundin und öffne die Tür.
Das Haus meiner Eltern ist riesig. Es ist über Generationen vererbt worden und mindestens 200 Jahre alt. Jetzt, wo nicht nur mein Vater, sondern auch meine Mutter tot ist, fühlt es sich nicht mehr wie mein zu Hause an. Es ist kalt und der lange Korridor, der zur Küche ganz hinten rechts führt, kommt mir mit jedem Schritt gruseliger vor. Früher bin ich hier oft ohne Erlaubnis mit meinen Rollschuhen herumgefahren und mein Lachen hallte von den Wänden wider. Es war so schön, so lebendig. Doch jetzt ist es das, was übrig geblieben ist. Mit mir.
Als ich den Kopf zur Küchentür reinstrecke, bekomme ich fast einen Herzinfarkt, denn still und unscheinbar wie eh und je sitzt Mr. Pouls, unser - halt nein - mein Haushälter, am Küchentisch und isst seine tägliche Dosis Haferschleim.
Als er mich bemerkt, springt er auf und nimmt mich in seine kräftigen, aber alten Arme. Schon fühle ich mich wieder ein bisschen geborgen und dieses Gefühl verstärkt sich auch noch, als plötzlich auch Mrs. Pouls erscheint und auf mich zurennt, als wäre ich ewig weg gewesen.
Bin ich ja auch. Naja, eine Woche ist keine Ewigkeit. Als mich ihre Stämmigkeit und seine Arme fast erdrücken, keuche ich auf und sage schon etwas glücklicher über meine Wiederkehr: "Ich freue mich auch euch wiederzusehen, aber ich ersticke hier fast und wenn ihr mich noch für den Rest eures Lebens haben wollt, dann lasst ihr mich am besten jetzt los!" Ich grinse die beiden an, denn jetzt, wo wir uns gegenüber stehen, kann ich sie erst wieder richtig ansehen.
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how life goes
TienerfictieNachdem die 17-jährige Lynn nun auch ihre Mutter verloren hat, weiß sie nicht, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll, doch ihre beste Freundin Aubrey ist immer für sie da, ob in guten oder schlechten Zeiten. Als Lynn es nicht länger in ihrem große...