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Oh Gott. Heute ist es so weit. Es ist Freitag. Eve und Shawn kommen! Ich bin schon den ganzen Tag ganz zappelig.

Es ist zwar erst Vormittag und die beiden kommen erst um ca. 14:00 Uhr, aber ich kann mich null auf den Unterricht konzentrieren. Mr. Chub, mein Geschichtslehrer, quasselt gerade irgendetwas von den verschiedenen Zeitaltern, doch ich bin mit meinen Gedanken ganz wo anders.

Was ist, wenn es heute ganz verkrampft wird, wenn sie kommen? Vielleicht ist ja Eve auch ganz anders, wenn mehrere Leute anwesend sind. Was ist, wenn mich ihr Freund überhaupt nicht ausstehen kann, weil ich so unreif und unentschlossen bin? Vielleicht wollen sie mich beide nach diesem Tag nie wieder sehen!

Und dann ist da noch Aubrey. Sie könnte sich ein bisschen unangenehm über Shawn äußern - nicht dass ich mich für sie schämen würde! Das ist ganz und gar nicht der Fall, nur ich mache mir ziemlich viel aus der Meinung anderer und Eves Meinung interessiert mich komischerweise am meisten von allen.

Wahrscheinlich bekomme ich keinen geraden Satz heraus und benehme mich völlig daneben.

Eigentlich wollte ich schon lange damit aufhören, die Meinungen anderer Leute so wichtig zu nehmen, doch das ist schwerer als gedacht. Ich kann diesen Impuls nicht einfach abschalten. Dafür bin ich viel zu weit reingerutscht.

Es läutet zum Ende der Stunde und wie in Trance marschiere ich zu den Schließfächern und anschließend in den nächsten Klassenraum. Doch auf dem Weg dorthin begegnet Aubrey und mir leider Josh. Aubrey wendet sich mir zu.

"Frisur?" , fragt sie.

"Check" , antworte ich automatisch. Aubrey sieht immer gut aus. Mit ihrem schulterlangen, mit einem Lockenstab gelockten, haselnussbraunen Haar sieht sie einfach nur aus wie ein Model. Sie hatte auch einmal Stirnfransen, doch die hat sie jetzt wachsen lassen und deshalb sind ihre Haare etwas stufig, was ihr aber auch extrem gut steht.

"Outfit?" , fragt sie, jetzt schon etwas nervöser, da Josh immer näher kommt, doch er scheint uns noch nicht bemerkt zu haben.

"Check" , erwidere ich. Sie trägt ein kirschrotes bauchfreies Spaghettiträger-Shirt und dazu Straight-Jeans mit braunem Gürtel. Natürlich High-Waist, denn jeder der sie kennt, weiß, dass sie nur solche trägt. Das alles kombiniert mit ihren braunen Boots sieht sie einfach nur wunderschön aus.

Unser Frisuren- und Klamotten-Check ist mittlerweile zur Gewohnheit geworden und nimmt ein paar Sekunden in Anspruch.

"Oh Gott, er kommt!" , zischt sie mir noch aufgeregt zu, als sie sich auch schon in Pose wirft.

Wir gehen lässig den Korridor entlang und da entdeckt uns Josh und ein breites Lächeln umspielt seine perfekt geschwungenen Lippen, als sein Blick auf Aubrey landet.

Ach, die beiden wären so süß zusammen. Fast entfährt mir ein kleiner Seufzer, doch das nimmt mir meine Freundin schon ab, als sie nun seinem Blick begegnet.

"Hey Aubrey!" , versucht er lässig rüberzubringen, doch ich merke natürlich sofort, dass sein Herz rasen muss.

"Lynn" , fügt er mit einem kurzen Nicken hinzu, das ich, freundlich wie ich bin, erwidere.

Schnell murmele ich Aubrey zu: "Ich geh schonmal vor. Leiste du ihm ruhig ein bisschen Gesellschaft. Die Pause dauert noch 4 Minuten, also mach was draus und erzähle mir nachher alles detailgetreu!" Ich zwinkere ihr unterm Gehen noch aufmunternd zu und biege dann links in den Physiksaal ein.

Ich glaube, so bald vor Unterrichtsbeginn war ich noch nie in diesem von mir verabscheuten Raum.

Nach der Schule, als wir uns gerade auf den Weg zum Park machen, wo wir uns mit Eve und Shawn verabredet haben, kreischt Aubrey schon fast, als sie mir zum ungefähr fünften Mal erzählt, wie Josh sie morgen ins Kino eingeladen hat. Das wäre dann ihr erstes Date mit ihm.

Verstehe ich eigentlich nicht, denn Josh sieht sie schon seit zwei Jahren auf dieselbe Art und Weise an, wie es verliebte Pärchen tun.

Vielleicht ist er doch nicht so tough wie immer alle denken und er hat sich einfach total in die Hosen gemacht bei der Vorstellung, sie nach einem Date zu fragen. Ha! Josh Kyre, ich habe dich durchschaut!

Nun sitzen wir schon seit über 10 Minuten auf der Bank im Park, wo ich letzten Sonntag auf Eves Schoß einen Nervenzusammenbruch hatte und warten auf ebendiese. Es ist zwar erst in ein paar Minuten 14:00 Uhr, aber ich habe schon schreckhafte Befürchtungen.

Ich male mir bereits das Schlimmste aus, als Aubrey mich hypnotisiert von Shawn's Anblick am Arm rüttelt.

"Gott, ich wusste nicht, das Männer so gut aussehen können!" , murmelt sie vor sich hin und hat anscheinend schon wieder völlig vergessen, dass sie morgen mit einem anderen Mann ins Kino geht. Daraufhin schüttele ich belustigt den Kopf und gehe auf die beiden zu.

Eve begrüße ich mit einer herzlichen Umarmung und bei ihrem Freund wird es etwas peinlich, denn wir haben keine Ahnung, was wir machen sollen. Also stehen wir einfach nur voreinander, während uns Eve einander vorstellt.

Ich bin so beschäftigt, Shawn gründlichst zu mustern, dass ich gar nicht richtig wahrnehme, wie Aubrey ihm die Hand schüttelt und etwas von: "Ihn hat der Himmel geschickt" murmelt.

Gott, jetzt wo ich ihn mir genauer ansehe, kann ich Aubrey plötzlich wahnsinnig gut verstehen.

Er hat die tiefblauesten Augen, die ich jemals gesehen habe und seine gelockten brünetten Haare fallen ihm stylisch ins Gesicht. Außerdem hat er volle Lippen und Eve hatte recht - seine Gesichtszüge sind markant und sexy. Er trägt ein hellgrünes T-Shirt, das seine Muskeln vorteilhaft betonen und Jeans mit Löchern an den Knien.

Ich kann sofort verstehen, wie sich Eve in ihn verlieben hat können. Die beiden passen perfekt zueinander!

"Also wenn ihr beiden dann mal eure Blicke von meinem heißen Freund reißen könnt, können wir dann vielleicht etwas essen gehen? Wir haben eine lange Zugfahrt hinter uns und sterben gleich vor Hunger!!" Eve schmunzelt und ich würde am liebsten im Boden versinken.

Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt und drehe mich deshalb sofort weg, um weitere peinliche Momente zu vermeiden. Gott sei Dank bietet sich mir so die Gelegenheit vorzugeben, ich wolle sie auf ein Restaurant am Ende der Straße hinweisen.

"Das Restaurant dort drüben ist wirklich sehr empfehlenswert. Aubrey und ich kennen da die Besitzer, stimmts?" , frage ich und gib ihr einen Klaps auf die Schulter, der sie zwingt mich anzusehen.

"Oh... oh ja, die kennen wir. Ist echt gut dort, vor allem der Fisch!"

Langsam wird sie sich unserer Situation bewusst und geht, peinlich berührt wie sie ist, voraus in Richtung des Restaurants ihrer Eltern, in dem sie schon des Öfteren den Fisch mariniert und dafür gute Kundenbewertungen bekommen hat.

Und um die ganze Situation nicht noch peinlicher zu machen, erzähle ich das, und die Tatsache, das ich eine der Kundenbewertungen abgegeben habe, obwohl ich Fisch nicht einmal mag, lieber nicht.

Wir folgen ihr schweigend und innerlich schlage ich mir die flache Hand auf die Stirn. Schlimmer kann es heute echt nicht mehr werden!

how life goesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt