freetime

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Es vergingen drei Tage bis Nicole sich wieder meldete.

>'Hey Seb, jeder meiner Kollegen hat etwas vor außer ich. Hast du Tipps für mich, was ich unbedingt in New York sehen sollte?'<[Nicole]
Ja, mich. Nein Spaß beiseite. Ich schrieb ihr die besten Museen und Orte, die sich lohnen. Zusätzlich noch eine Pizzeria für die beste Pizza. Erst nachdem sie sich bedankt, schlage ich ihr vor, sie zu begleiten. Es vergingen ein paar Minuten bevor sie antwortet, dass das fantastisch wäre.

Ich springe auf, gehe in Rekordzeit duschen, renne in mein Schlafzimmer und schmeiße ein paar Klamotten aufs Bett. Verdammt, wo habe ich mein Handy hin? Also renne ich wieder zurück ins Wohnzimmer und sehe schon neue Nachrichten von ihr.
Bei der ersten fragte sie mich nach der Uhrzeit, bei der zweiten wo wir uns treffen sollten. Die dritte beinhaltet nur den Vorschlag, dass ich sie vom Hotel abhole und wir von dort aus starten könnten.

In der vierte stand nur die Adresse des Hotels, dass ich mich melden soll, wenn ich los gehe und da bin. Fuck, ich sollte mich vielleicht beeilen. Oder? Schnell ziehe ich ein blaues Shirt und eine schwarze Hose an. Ich entschied mich für Sneaker, da wir vermutlich viel laufen werden. Meine Haare, welche für meinen Geschmack mal wieder zu lang waren, steckte ich unter einer Cap. Ich schnappte mir noch einen grauen Hoodie und eine Sonnenbrille und ging los. Am Hotel angekommen, schrieb ich ihr noch einmal und bekam gleich eine Antwort.
>'Hast du etwas gegen einen vierbeinigen Freund? Allergien oder so?'<[Nicole]
>'Nein, alles gut.'< antworte ich nur und bin etwas verwirrt. Vielleicht hätte ich doch die Tage die ganzen Tourblogs anschauen sollen oder ihr Instagram durchscrollen...
Noch völlig in Gedanken, ruft sie mich bereits. Als ich vom Boden hochschaue, hat sie einen braunen Labrador dabei.
„Das ist Marty. Mein tierischer bester Freund seit 5 Jahren. Kein Begleithund, kannst ihn gerne begrüßen.", strahlt sie mich an. Sofort gehe ich in die Knie, lasse ihn mich beschnuppern und streichle ihn.
„Ich wusste nicht, dass du einen Hund hast.", sage ich selbst lächelnd. Schon nach den paaren Sekunden merkt man Marty's beruhigend und fröhlichen Charakter.

„Dann hast du mich immerhin nicht gegoogelt.", lacht sie. „Eigentlich habe ich nur Instagram, um der Welt zu zeigen, wie süß mein Hund ist. Und vielleicht bisschen Promo zu machen für neue Musik."
„Vielleicht sollte ich später das nachholen.", kichere ich scherzend. Ich stehe wieder auf und überlege wo wir mit Marty nun problemlos hinkönnen. Viele Sachen fielen nun aus.
Nach einigen Momentan hatte ich nun wieder einen Plan, wir liefen los und ich erzählte ihr von meinem nun, hundefreundlichen Plan.

„Tut mir leid, dass ich es nicht vorher erwähnt habe.", sagt sie leise.
„Du musst dich nicht entschuldigen, ich musste nur etwas umdenken. Alles gar kein Problem.", lächle ich sie an. Wir laufen stumm bis zum Museum und verbrachten Stunden dort.
Nicole schien jede Sekunde zu genießen, betrachtet die Gemälde und Statuen sehr genau. Während sie in einen anderen Bereich ging, wartete ich auf einer Bank, zusammen mit Marty. Der Bereich, in dem sie nun war, war bereits gut gefüllt weshalb ich hier mit Marty warte. Ich versuchte nicht hinterher zu starren, aber es ist faszinierend wie sie aus der Masse heraussticht. Abgesehen von ihren knalligen roten Haaren, hebt ihr gelbes Shirt sie ebenfalls vor. Einige Tattoos an ihrem Bein sah man durch die löchrige Jeans, welche an ihr einfach gut aussehen. Sie strahlt etwas Positives aus, so wie die pure Freude. Man könnte meinen sie strahlt.
„Sebastian, ich bekomme allmählig Hunger.", grinst sie mich an als sie wieder vor mir steht.
„Dann wird es wohl Zeit für die beste Pizza New Yorks!", entgegne ich ihr, stehe auf und gebe die Leine wieder ab.
Auf dem Weg erkläre ich ihr, dass in der Nähe der Pizzeria auch ein Park ist, in dem wir uns setzen könnten. Irritiert fragt sie ob dort keine Hunde geduldet sind, woraufhin ich keine Antwort weiß. Auf ihren Wunsch nenne ich ihr den Namen der Pizzeria und schneller als ich denken konnte, war sie am Telefonieren.

„Wir haben einen Tisch für zwei plus Marty im ruhigen Bereich des Restaurants.", strahlt sie nachdem sie auflegte.
Wie hat sie das jetzt geschafft?
„Auch wenn ich es hasse, name-dropping hilft bei sowas unfassbar."
Was ist jetzt bitte name-dropping?
Wie soll das helfen?

Anscheinend sah man meine Verwirrung an, denn sie lachte und erklärte, dass sie ihren vollen Namen und der Bandname nannte am Telefon. Der Mitarbeiter versprach ihr sofort einen Platz, denn ein Restaurant hofft durch prominenten Besuch auf eine Empfehlung oder ein Posting bei Social Media. Das ist dann gratis Werbung und gut für den Betrieb.
Ah, wieder was gelernt.

„Danke übrigens, dass du deine freie Zeit mit mir verbringst."
„Gerne, ansonsten wäre ich nur den ganzen Tag im Fitnessstudio. Es ist viel angenehmer ein Tag mal wieder durch New York zu laufen und vor allem Zeit mit dir zu verbringen.", lächle ich sie schief an. Sie flüstert ein leises Danke.
Das Essen war fantastisch. Mein schlechtes Gewissen, wegen der Pizza schiebe ich gedanklich ganz weit nach hinten. Der Kellner kam mit der Rechnung und ich krame sofort mein Geldbeutel raus. Allerdings war Nicole schneller und gibt ihm ihre Kreditkarte. Etwas erstaunt schaue ich sie an.
„Jetzt sag nicht, dass du findest, das der Mann zahlen sollte. Weil dann werfe ich dir etwas an den Kopf.", sagt sie gleichgültig.
„Nein... doch... manchmal... Nur du warst so schnell. Das nächste Mal zahle ich.", schlage ich vor.
„Abgemacht Sebastian.", grinst sie.
Nachdem der Kellner wieder ihre Karte bringt schlage ich Nicole vor, dass wir etwas rausfahren könnten; vielleicht etwas spazieren und den Sonnenuntergang anschauen. Als sie zustimmt buche ich schon ein Mietwagen, der in der Nähe steht. Wir fuhren eine knappe Stunde, denn in New York ist schließlich immer Verkehr, bis wir am Manhatten Beach ankamen. Nicole sang immer wieder mit den Liedern im Radio mit und drehte komplett laut als ein Lied ihrer Band gespielt wurde. Sie filmte es und schickte es ihren Bandmitgliedern, was echt süß war.

„Es ist immer noch so surreal, wenn eines unserer Lieder im Radio laufen.", schmunzelt sie. Verrückt, selbst nach einer Europatour und mittlerweile weltweiter Bekanntheit ist es für sie noch etwas Besonderes.
Wir stiegen aus und spazierten damit Marty genug Bewegung bekam. Aus ihrer Umhängetasche zauberte sie, nach einigen Meilen, einen Napf und gießt Wasser für Marty ein.
„Darf ich Fragen wie es dazu kam, dass du dir Marty geholt hast?", forsche ich nach.
„Natürlich.", strahlt sie. „Als ich aufwuchs hatten wir immer schon Tiere und bevor wir wirklich mit der Band begangen, hatten wir ganz normale Berufe. Ich war 15 Jahre bei der Polizei, hatte auch einen Polizeihund. Nur leider wurde dieser irgendwann zu alt für die Arbeit und zusammen mit meinem Vater haben wir ihn dann komplett adoptiert. Es ist nicht Pflicht seinen Diensthund danach zu sich zu nehmen, aber er ist uns über die Jahre so ans Herz gewachsen. Wir haben ihm noch seine restliche Zeit verschönert, danach festgestellt wie gut uns ein Hund tat und dann Marty adoptiert. Mein Vater hat zeitgleich einen schwarzen Labrador geholt. Und ich merke, wie gut er mir tut, er beruhigt mich immer, wenn ich langsam panisch werde."
Selbst als sie nur das Wort panisch aussprach, schaut Marty sofort Nicole an und stupst sie mit seiner Nase an. Was für ein fantastischer Hund! Allerdings konnte ich nicht ganz fassen, dass sie mal bei der Polizei war. Und warum erwähnt sie ihre Mutter nicht? Oh Gott, ich habe so viele Fragen...
„Abgesehen davon, dass es eine schöne Geschichte ist wie du zu Marty gekommen bist, du warst bei der Polizei? Wie kamst du dazu?", frage ich vorsichtig nach.
„Es hat einfach gepasst. Ich wollte einen aktiven Beruf lernen, etwas erleben, wichtig sein und Menschen helfen. In unserer Nachbarschaft hatten wir einige großartige Polizisten, die für mich zu Vorbildern wurden. Sie haben mehr gemacht als wahrscheinlich gefordert wurde, aber ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen was für ein Einfluss so ein guter Polizist auf einen haben kann. Und das wollte ich für andere Personen sein.", erklärt sie. „Ich bin für jede Erfahrung dankbar, natürlich gibt es furchtbare Fälle, bei denen man selbst schlucken muss und die dich auch noch Jahre später erschüttern lassen.", erzählt sie stolz.
Wow. Ich möchte mir gar nicht vorstellen was sie dadurch gesehen hat.

Wir saßen einige Zeit einfach still auf einer Bank, die Sonne ging langsam unter. Momentan könnte ich mir es nicht schöner vorstellen. Sonnenuntergang, schöne Frau, süßer Hund und einfach die Möglichkeit haben tief durchzuatmen.
Tief durchatmen musste ich auch, denn ich überlegte die ganze Zeit, wie ich sie am besten nach einem weiteren Date fragen kann. Also falls das hier überhaupt sowas wie ein Date ist.
Ist es ein Date?
Wie definiert man überhaupt Date?
Ist es nur ein Date, wenn man sich mit der Person etwas vorstellen könnte?
Ist es auch ein Date, wenn man sich einfach weiter kennen lernen möchte?
„Nicole, ich finde dich echt klasse und genieße die Zeit mit dir sehr. Darf ich dich eventuell auf ein Date einladen? Natürlich nur wenn du Lust und Interesse hast...", frage ich schnell und traue mich nicht ihr dabei in die Augen zu schauen. Was mich nur noch mehr verunsicherte, war ihr Lachen. Sie lachte...
Scheiße.
„Das war ja furchtbar süß. Ich habe nichts dagegen, aber ich habe für mich selbst ein paar Regeln für Dates, die dich dann auch betreffen... Also wenn du so in die Richtung gehen willst, dass man sich eventuell irgendwann verliebt.". Schnell frage ich was für Regeln sie sich aufgestellt hat.

„Zuerst, ich brauche furchtbar lange, um Gefühle zu entwickeln – also brauchst du Zeit und Geduld in der Hinsicht. Zweitens hasse ich diesen Druck, der auf einem lastet, wenn man sagt, dass man auf ein Date geht. Drittens, für körperliche Zuneigung brauche ich auch lange. Viertens, ich habe für mich selbst beschlossen, dass ich auf mindestens 20 Dates mit einer Person gehen möchte. Einfach um ihn wirklich kennen zu lernen und zu kennen. Ich hasse es, wenn man in einer Beziehung ist und dann erst all das schlechte von der Person kennen lernt. Das hatte ich in meinen vergangenen Beziehungen und ich will es nicht mehr.", erklärt sie selbstsicher.
Oh wow, sie hat klare Vorstellungen und Ziele. Ich vermute einfach mal, sie hatte nicht unbedingt Glück mit ihren Ex-Partnern. Wer kennt es denn nicht?
„Ich habe über die Jahre echt Probleme bekommen, fremde Menschen in mein Leben zu lassen. Weil viele mich so sehr enttäuscht haben bin ich jetzt so vorsichtig. Es schreckt Männer immer ab, also falls du gleich verschwindest, weiß ich auch wieso. Ich bin dann auch nicht traurig.", grinst sie mich schief an.

Jetzt wäre der Zeitpunkt, an dem ich meinen Mund aufmache und etwas sage... „Ich finde es nicht abschreckend, ich kann dich da echt verstehen. Mit der Zeit lernt man, dass man nicht jedem sein Vertrauen schenken sollte. Oder dass es manche Menschen einfach nicht wert sind. Also wenn du auf weitere 19 Dates mit mir gehen möchtest, ich bin bereit.", schmunzle ich.

Ihre Augenbrauen heben sich, sie reist die Augen weiter auf und ihre Lippen formen sich zu einem Lächeln. „Warte, zählst du das hier als Date mit?", fragt sie kurz verwirrt.
„Von meiner Sicht aus, ja. Aber ich treffe mich auch gerne hundertmal mit dir."
„Dann ist das hier das erste von zwanzig Dates, Sebastian.", strahlt sie.
Erfolg!

Stumm beobachten wir wie die Sonne langsam unterging. Es ist unmöglich dieses Spektakel zu sehen und nicht anfangen zu träumen, alles scheint gerade greifbar. Unauffällig schaue ich zu Nicole rüber, sie hatte ihre Augen geschlossen und trug ein Grinsen auf ihren Lippen.
„Danke für den schönen Tag, Sebastian.", bedankt sie sich leise als wir an ihrem Hotel hielten. Ich flüsterte noch ein leises „Bis zum nächsten Mal.", bevor sie ausstieg. Ich wartete noch bis sie hinter den Hoteltüren verschwand und fuhr dann nach Hause. Auf dem ganzen Weg konnte ich mein Grinsen nicht unterdrücken. Verdammt, ich freue mich auf die nächsten Treffen und noch mehr von ihr kennen zu lernen. Als ich, immer noch grinsend, im Bett lag, suchte ich sofort nach ihrem Instagram Account. Ich drückte auf Folgen und schaute mir ihre Bilder an. Viele Bilder von ihren Kollegen, Ausblicken, Marty und Konzerten. Ich scrollte soweit, dass ich irgendwann bei einem Welpen Bild von Marty und einem anderen Labrador landete. Vermutlich war es der Hund ihres Vaters. Ohne groß darüber nach zu denken, kommentierte ich, dass Marty schon seit klein auf sehr süß war.

Innerhalb ein paar Sekunden bekam ich die Benachrichtigung, dass ihr mein Kommentar gefällt. Die Bilder von den verschiedenen Konzerten sahen alle umwerfend aus. Das einzige komische daran war, dass jeder der vier auf verschiedenen Bildern, ein anderes Instrument spielte. Können die einfach alle Instrumente ohne Probleme spielen, oder was? Ich fühle mich etwas untalentiert...

>' Du bist aber weit nach unten gescrollt. '<, schrieb Nicole mir privat mit einem Smiley.
>' Ich wollte nur sicher gehen, dass du genug Bilder von Marty postest. '<
>' Wenn du mehr Bilder sehen willst, kann ich dir auch einfach welche schicken. '<, daraufhin schickte sie ein Haufen Welpenbilder von Marty. Mein Herz ging auf – was für ein süßer Hund er einfach ist. Auf einem Bild war sie mit drauf, damals noch mit blonden Haaren. Süß.

at least 20 dates.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt