Papas ganzer Stolz.

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Knapp eine Stunde später waren wir wieder unterwegs, ich war gekleidet in einer schwarzen Hosen, einem hellen Hemd und einem dunkelblauen Hoodie. Nicole meinte halbernst, dass ich das Hemd hätte weglassen können – aber ich möchte einen guten Eindruck machen. Am liebsten den besten Eindruck den man machen kann.

„Wir sind da.", verkündet Benjamin grinsend, Nicole schaute mich allerdings etwas bedrückend an.
„Dann lasst uns reingehen?", frage ich unsicher.
„Bist du dir sicher, dass du dir das antun möchtest?", fragt Nicole entgegen. Ich riss meine Augen auf, warum sollte ich nicht? Und warum fragt sie es, wenn wir bereits vor dem Haus stehen?


„Nicole, Papa und Rami werden ihn nicht quälen – dafür sorge ich."
„Aber du weißt wie Papa und Rami sein können! Denk doch an Tamara, sie hat damals im Bad geweint, weil Papa so furchtbar war."
„Papa war nicht furchtbar, er war neugierig und wollte nur das Beste für mich!"
„Aber Tamara fand es damals furchtbar."

Großartig, Geschwisterstreit live. Wer ist überhaupt Tamara?

„Es war damals nicht der optimale Zeitpunkt, das weiß ich auch. Aber wir haben das Kennenlernen so lange geplant, dass du in der Zeit im Sterben lagst, konnte keiner ahnen!"

Im Sterben .... WAS?

„Wie bitte was?", unterbreche ich die zwei schnell und laut.
Beide schauten mich an wie ein Reh in der Nacht, bevor Nicole dann schulterzuckend sagt: „Wurde angeschossen im Dienst, danach Infektion, war nichts wildes."
„Nichts wildes? Du lagst eine Woche auf der Intensivstation, die Ärzte haben keine Besserung gesehen. Papa und Rami waren krank vor Sorge!", schreit Ben wütend, wütend darüber, dass Nicole es so runterspielte.
„Nicole!", riefen Ben und ich gleichzeitig.
„Was? Später war ich wieder fit!", verteidigt sie sich und hebt unschuldig ihre Hände.
„Als wir zum Gespräch vom Arzt gebeten wurden, weil deine Werte sich kaum verändert haben, damit wir die nächsten Schritte besprechen können!", antwortet ihr Bruder immer noch sehr verärgert.

„Kann mir bitte jemand erklären was damals war? Vorher gehe ich nicht da rein!", bitte ich verzweifelt und zeige auf die Haustür.


Benjamin ergreift das Wort und erzählte: „Deine Freundin wurde im Dienst angeschossen, wurde eingeliefert, lange Operationen, wir wurden benachrichtigt. Tamara und ich sind schon früher als geplant hergeflogen, um Papa und Rami beizustehen. Ja, ungünstiger Zeitpunkt, um meinem Vater meine Freundin persönlich vorzustellen. Papa hatte logischerweise Panik um Nicole, nach einer Woche wurden die Werte nicht besser, wir gingen zum Gespräch, haben Nicole zwei Tage vorher zum letzten Mal gesehen. Nach diesem sehr depressiven und traurigen Gespräch wollten wir noch einmal zu Nicole. Und diese blöde Kuh, sitzt in ihrem Bett und winkt uns fröhlich zu."

„Um es zu ergänzen, habe ich gesagt: Ich lebe, Bitches.", wirft Nicole schnell hinterher.

Ich war fassungslos, überrascht, wollte lachen, aber auch weinen. „Das ist... wow. Natürlich war es eine harte Situation, aber...", weiter kam ich nicht vor Lachen. Ich konnte nicht anders als es mir bildlich vorzustellen, wie Nicole im Bett saß und fit war, als ihr Vater gedacht hat, es wird nicht besser.

„Siehst du, Seb findet es auch lustig.", grinst Nicole ihren Bruder an.
„Du bringst mich noch ins Grab, Nicole.", sagt Benjamin ermüdet.
„Das ist über 10 Jahre her, wir leben noch und Tamara ist immer noch an deiner Seite. Können wir jetzt?", verteidigt sich Nicole und schaut mich an. Benjamin und ich nicken im Chor.

Als wir vor der Tür standen, Nicole klingelte und meine Hand nahm, wurde ich doch etwas nervös. Was ist, wenn ihr Vater mich hasst? Was ist, wenn Rami mich hasst? Was ist, wenn beide schlecht englisch sprechen und ich die ganze Zeit jemanden bei mir haben muss, der übersetzt? Was ist, wenn ich später auch weinend im Bad stehe? Werde ich weinen?

at least 20 dates.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt