Kapitel 15

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Ein paar Minuten vergingen, ehe er aufsprang und zur Tür eilte, die er aufriss und fluchtartig den Raum verließ, als ob er vor seinen Gedanken flüchten konnte. An der Wand entlang tastend, trugen seine wackeligen Beine ihn in den Gemeinschafstraum, der längst leer und verlassen war, weil die Schüler früh zu Bett gegangen waren. Auf einer Couch ließ er sich nieder und atmete aus, bekam endlich wieder Luft, während seine heile Hand eine Schläfe massierte. Nur langsam ließen die Kopfschmerzen nach, doch es schien besser zu werden, auch wenn die Stimme immer noch leise flüsterte.

Er wusste nicht, wie lange er bereits dort saß, als sich plötzlich jemand neben ihm niederließ und ihm ein Glas Wasser hinhielt, das er dankend annahm. „Können Sie auch nicht schlafen?", fragte Shinsou besorgt und lehnte sich zurück, jedoch darauf bedacht, seinen Lehrer nicht aus den Augen zu lassen. Seit er ihn halb verblutet gefunden hatte, schaffte er es nicht, sich nachts hinzulegen und zu schlafen. Ständig verfolgte ihn Aizawas Gesicht und die Worte, die ihm keine Ruhe ließen. Auch heute war es Hitoshi nicht gelungen, einfach einzuschlafen, weswegen er sich entschlossen hatte, sich etwas aus der Küche zu holen. Dass er dabei seinen Lehrer im Gemeinschaftsraum begegnen würde, hätte er nicht gedacht und ihn neugierig gemacht. Schließlich sollte dieser längst schlafen und nicht alleine herumsitzen. Ob man sich erneut Sorgen um ihn machen musste?

„Irgendwie nicht ... zumindest nicht in diesem Raum", gestand Shota und lehnte sich ebenso zurück, zog die Beine an und machte sich etwas klein, soweit es ging, damit er keine Schmerzen hatte. Zum ersten Mal seit Tagen war er allein mit dem Jugendlichen, dem er nun schon seit Monaten Einzelunterricht gab, und zu dem er ein ziemlich gutes Verhältnis aufgebaut hatte. Dennoch fühlte es sich seltsam an, nun mit ihm hier zu sitzen. Vor allem weil nun diese Situation zwischen ihnen lag und Shota endlich etwas Wichtiges loswerden musste. Schließlich war es ihm äußerst unangenehm, dass er ihn so schwach gesehen hatte und sich scheinbar seither Sorgen machte. „Hitoshi ... es tut mir leid, dass du mich so sehen musstest", brachte er es endlich über die Lippen, schaffte aber nicht ihn dabei anzusehen, „und ich möchte mich dafür bedanken, dass du nach mir gesehen hast. Ich verdanke dir mein Leben."

Der Junge nickte, wich jedoch ebenfalls einem Blickkontakt aus, weil ihm plötzlich zum Heulen zumute war, was dem Mann neben ihm nicht entging. Ohne zu zögern stellte Aizawa das Wasserglas ab und legte seinen Arm um die Schultern des Jüngeren, zog ihn zu sich heran und versuchte ihn so gut es ging zu umarmen. So etwas tat man doch, um jemanden zu trösten, oder nicht? „Es belastet dich sehr, stimmts? Es tut mir wirklich furchtbar leid ... Das wollte ich nicht ..." Am liebsten würde er ihm sagen, dass er sich keine Sorgen machen musste, doch er kam sich egoistisch vor, wenn er auch nur annahm, dass sich ein Schüler um ihn sorgen würde. Niemand sollte auch nur einen Gedanken an ihn verschwenden.

Unerwartet erwiderte Shinsou seine Umarmung und vergrub sein Gesicht in seinem T-Shirt. Shota könnte schwören, dass er leises Schluchzen hörte, was ihn trocken Schlucken ließ. Wie sehr hatte er den Jungen verstört? Das wollte er nicht. Allein bei dem Gedanken setzten die Kopfschmerzen wieder pochend ein, doch er ließ den Jungen nicht los und versuchte es zu ignorieren, obwohl es immer schlimmer wurde.

„Es muss ihnen nicht leid tun ... ich hatte nur Angst, dass Sie ... Sie sahen so ..." Immer wieder versuchte Shinsou sich zu erklären, doch ein Schluchzer unterbrach ihn. Außerdem wusste er gar nicht, was er sagen sollte. Vor allem nicht, wie er erklären sollte, zu welcher Erkenntnis er erst vor kurzem gekommen war. „Izuku und Eijiro waren der Meinung, dass es normal ist, sich um seinen Mentor Sorgen zu machen aber ..." Erneut brach er ab und schüttelte den Kopf. Eigentlich war Aizawa weitaus mehr als nur ein Mentor für ihn.

Dass den Jungen etwas bedrückte, konnte Shota fühlen. Er wusste jedoch nicht, wie er ihn dazu ermutigen sollte, darüber zu sprechen, wo er doch selbst kein Meister darin war, über Gefühle zu reden. Außerdem wollte er ihn zu nichts drängen. „Du kannst mir alles erzählen, das weißt du doch", erinnerte er ihn an ein längst gegebenes Versprechen. Als er nach dem Sportfest an den Jungen herangetreten war, um ihm die Chance zu ermöglichen, in die Heldenfakultät aufgenommen zu werden, hatte er ihm dieses Angebot unterbreitet. Wenn er wirklich so kämpfen lernen wollte, wie Eraserhead, dann musste er ihm auch genug vertrauen können, um zu wissen, wie weit er das Training treiben konnte. Dazu gehörte auch Ehrlichkeit.

Demon in his mindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt