Als er wieder zu sich kam, sah er in die besorgten Gesichter seiner Schüler und wünschte sich, sofort im Boden zu versinken oder gestorben zu sein. Bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, versuchte er sich aufzurappeln, was ihm allerdings erst mit Shinsous Hilfe gelang, der ihn vorsichtshalber weiterhin stützte, als seine Knie erneut nachgeben wollten. Diese dämlichen Verletzungen waren wirklich hinderlich. „Das Überraschungsmoment hast du sehr gut genutzt", stöhnte Shota lobend und versuchte so zu tun, als wäre nichts passiert, auch wenn ihm alles wehtat und er den Drang hatte, sich zu übergeben.
„Sie loben ihn? Das ist doch verrückt! Wegen ihm waren Sie gerade kurz weggetreten!" Kirishima konnte sich nicht mehr zurückhalten. Wie konnte Katsuki überhaupt so gemein sein und auf den verletzten Lehrer losgehen? Egal, ob dieser ihn zuvor aufs Kreuz gelegt hatte, so etwas machte man einfach nicht. Das war unmännlich. Vor allem da Aizawa sichtlich nicht in der Verfassung war, selbst einzuschätzen, wie viel er sich zumuten konnte. Sie hatten doch die Weisung, auf ihn aufzupassen, und nicht seinen Zustand zu verschlimmern.
„Sie sollten das wirklich nicht machen, quack! Am Ende müssen Sie wieder ins Krankenhaus", mischte sich auch Asui ein, „bitte ruhen Sie sich lieber aus!"
Aizawa stöhnte nur genervt auf. Hielten sie ihn alle für so schwach, dass sie ihn lieber in Watte packen wollten? Wenn ein Schurke sie angriff, der schon ramponiert aussah, würden sie alle sterben, weil sie ihn am Ende unterschätzen würden. Man durfte sich nie auf Äußerlichkeiten verlassen. „Ich hoffe, dass ihr alle zugesehen und etwas gelernt habt, damit ihr es nun umsetzen könnt", fuhr er einfach fort, als ob er sie nicht gehört hatte, „Bakugo du musst an deiner Täuschaktion arbeiten, man hat dir angesehen, was du vorhattest."
„Und Sie waren scheißlangsam und ein leichtes Ziel, alter Mann", keifte Katsuki wütend zurück und ließ seine Knöchel knacken. Für diese Meldung verpasste Kaminari ihm einen Hieb auf die Schulter, doch es juckte ihn nicht. Aizawa hatte ihn nicht ohne Grund ausgewählt, um eine Kampfsituation vorzuzeigen. Er wusste, dass er sich zur Wehr setzen würde und hatte wohl auch darauf gehofft, dass er ihm die Chance geben würde, mit ihm zu kämpfen. Bakugo wusste, dass sein Lehrer es satthatte, mit Samthandschuhen angefasst zu werden, auch wenn es ihm sichtlich nicht gut ging. Jeder ging nun einmal anders mit solchen Dingen um. Die beiden wussten zumindest, dass sie einander genug respektierten und einschätzen konnten. Außerdem wusste der Blondschopf auch, dass unter normalen Umständen gegen seinen Lehrer niemals im Kampf gewinnen könnte.
Nach dieser Vorführung und ein paar weiteren Anweisungen, half Shinsou seinem Lehrer auf eine Sitzbank, auf der er ihn vorsichtig absetzte, ehe er zu seinen Klassenkameraden zurückkehrte, die gerade dabei waren, sich in Zweikampfteams aufzuteilen. Asui stellte sich freiwillig Bakugo, da sie wusste, dass er sie nicht anders behandeln würde, nur weil sie ein Mädchen war; Kirishima wollte unbedingt einmal die Chance nutzen und gegen Midoriya kämpfen; und somit blieb für Shinsou nur mehr Kaminari übrig, der ihn schief angrinste.
Aus sicherer Entfernung beobachtete Aizawa die Kampfaufstellungen, und verfluchte seine Verletzungen. Die Schmerzen schienen mit jedem Atemzug schlimmer zu werden, doch anstatt eine der Schmerztabletten zu nehmen, die ihm vom Krankenhaus verschrieben wurden, versuchte er sie einfach zu ignorieren. Das Gefühl, es nicht besser verdient zu haben, stieg langsam ihn ihm auf, während er zusammengekrümmt auf der Sitzbank saß und dabei zusah, wie Shinsou zum wiederholten Male Denki ohne große Mühe zu Boden gehen ließ. Der Junge lernte sehr schnell, und hatte die Handgriffe, die Shota ihm gezeigt hatte, schon sehr gut drauf. Doch anstatt Stolz und Glück zu empfinden, hatte er das Gefühl, dass er Shinsou bereits mehr beigebracht haben müsste, so schnell wie er lernte. Schon bald würde er ihn überholt haben und ihn nicht mehr brauchen. Niemand brauchte ihn, so oft wie er versagte in letzter Zeit.
Erneut kamen ihm die Bilder der verletzten Schüler in den Sinn. Schüler, die er im Stich gelassen hatte, weil er nicht schnell und stark genug gewesen war und sich hatte ablenken lassen. Schon damals im USJ hatte er wahnsinnig große Angst gehabt, kurz bevor er das Bewusstsein verlor, dass er nun nicht mehr verhindern konnte, dass den Schülern, seinen Schülern, etwas zustieß. Aus diesem Grund hatte er vor ein paar Tagen so lange weitergekämpft wie er nur konnte, obwohl er das Gefühl gehabt hatte, dass seine Eingeweide rausfallen könnten und jeder Atemzug schmerzte. Er wollte nicht wieder der sein, der gerettet werden musste. Doch am Ende war es doch wieder so gekommen. Wie konnte er sich weiterhin als Held bezeichnen?
Die Kopfschmerzen, die zuerst als leichtes Pochen begonnen hatten, wurden immer stärker. Die Finger seiner heilen Hand krallten sich in seinen Haarschopf, in der Hoffnung, es würde dadurch irgendwie besser werden. Sein Blick ging starr auf den Boden, seine Umgebung verschwamm langsam und die Laute, die seine Schüler von sich gaben, schienen zu verstummen. Nur die Stimme in seinem Kopf wurde immer lauter. Versager. Wegen deiner Unfähigkeit werden sie am Ende alle sterben. So wie Oboro. Und Sir NIghteye. Bisher hatte er nie jemanden erzählt, dass er sich die Schuld am Tod des Heldenkollegen gab. Wäre er nicht so unvorsichtig gewesen und hätte sich gefangen nehmen lassen, würde der Mann noch leben. Nur weil er die Macke von Overhaul nicht mehr löschen konnte, wurde Nighteye aufgespießt. Ebenso wäre fast auch Midoriya gestorben, wenn Asui und ein paar Helden Aizawa nicht rechtzeitig aus den Klauen von Chronostasis befreit hätten. Obwohl er so hart trainierte, brauchte er ständig Hilfe und bekam nichts auf die Reihe. Als ob er noch der sechzehnjährige Junge wäre, der nichts in der Heldenklasse verloren hatte.
Wie schon vor ein paar Tagen kam alles wieder hoch und überrollte ihn wie ein heftiger Wirbelsturm. Alles, das er schon längst abgelegt hatte, oder es zumindest glaubte getan zu haben, kochte wieder hoch. Die Dunkelheit legte sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz und seinen Hals und drückte zu. Er hatte das Gefühl, als würde ihm die Luft wegbleiben. „Shinsou", keuchte Shota leise, während er nach Luft rang, „Hitoshi!" Es kam ihm bescheuert vor, nach dem Jungen zu rufen, doch sie hatten sich vor dem Einschlafen noch ein Versprechen gegeben und an solche hielt der Dunkelhaarige sich immer.

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Demon in his mind
Hayran Kurgu[MHA| Aizawa zentrisch] Ein weiterer Versuch, die 1-A auf ein Trainingscamp zu schicken, läuft erneut schief. Gewaltig schief. Denn am Ende sind es nicht die Schüler, um die man sich große Sorgen machen und auf die man aufpassen muss. Shinsou hätte...