Seit jeher hat der Mensch versucht, das Unmögliche zu erklären. Bereits in der Steinzeit existierten Malereien in kahlen Felswänden, die Naturereignisse mit übernatürlichen Geschehnissen verknüpften. Und die einfältigen Menschen kauerten ängstlich und zitternd in ihren Behausungen und lauschten dem rollenden Donner, während ihre Gesichter von Blitzen erhellt wurden.
Die Ägypter waren eines der ersten Völker, die Götter verehrten. Ihre Inschriften zierten prächtige Pyramiden und Kriege wurden in den Namen der Götter gefochten.
Ein Teil von ihm war durch diese Verehrung tatsächlich geschmeichelt, auch wenn er die Gewalt als sinnlos erachtete. Und doch kam er nicht umhin die Augen zu rollen, denn natürlich hatte sein Bruder durch wenig feinfühlige Beeinflussung die Sterblichen dazu gebracht, Osiris, den Gott des Himmels als ihren Hauptgott zu verehren. Die Ägypter waren ein einflussreiches, herrliches und fortgeschrittenes Volk und es war ihm unbegreiflich, dass sie trotzdem solch einen profanen Gott huldigen konnten.
Deshalb beobachtete er nicht ohne Interesse, wie rechts am Mittelmeer eine andere Kultur entstand. Die Griechen, so stellte er bald fest, hatten die unangenehme Angewohnheit, einander bei jeder Gelegenheit zu bekriegen, was bedauerlich war, waren sie doch ein Volk von immensem Wissen und hervorragender Kultur. Er las gerne die Schriften ihrer Philosophen und Denker, studierte den neuartigen Gedanken der Demokratie und lauschte den Huldigungen an die Götter, die sie als gegeben erachteten. Und er konnte sich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen. Zeus, Gott des Donners. Ein Volk, so kultiviert und elegant, verehrte einen Blitze werfenden Hünen, der nicht in der Lage war, sein Geschlechtsteil in der Tunika zu lassen. Und er wusste, dass Thor hier erneut seine Hände im Spiel hatte, denn die Beschreibung passte zu diesem wie die Faust aufs Auge.
Aber er war geduldig. Die Griechen fochten weiter emsig ihre Kriege, trugen in Perioden des Friedens Sportspiele aus, bekriegten sich weiter. Er war so gefesselt von den Intrigen, den Schlachten und den kulturellen Errungenschaften, dass er dem Wolf Fenrir nur geringe Beachtung schenkte, als dieser ihm berichtete, dass die Wölfin Lupa seines Rudels, zwei kleine Menschenskinder aufgezogen hätte – Nachfahren des Kriegers Äneas von Troja. Was für interessante Zufälle es doch gibt, dachte er und erinnerte sich an die legendäre Schlacht von Troja zurück. Besonders mit Achilles und dessen Liebhaber Patroklos hatte er damals eine innige Freundschaft geschlossen.
Die beiden Knaben wuchsen heran und beschäftigten sich in den kommenden Jahren schließlich eifrig mit dem Bau einer Stadt. Ihm fiel dabei auf, dass Romulus der Gewissenhaftere der beiden war: Der Junge arbeitete bereits an einer Mauer, welche die Stadt umschließen sollte, während sein Zwillingsbruder träge in der Sonne lag. Loki fühlte sich bei dem Mann auf eine ungute Weise an Thor erinnert. Romulus stapelte weiter Quader auf Quader übereinander.
„Sieh dir diese mickrige Mauer an! Ich wette, ich kann ohne Anstrengung darüber springen!"
Ja, dachte Loki trocken. Definitiv Thor.
Remus holte Anlauf und sprang mit angezogenen Beinen über die Mauer. Romulus' Augen flammten auf und Loki beugte sich gespannt nach vorne. Remus grinste, doch der Hochmut verschwand aus seinem Gesicht, als ein Faustschlag seines Bruders ihm an der Stirn traf.
Im Nachhinein, sinnierte Loki, während er auf die Leiche am Boden blickte, hatte er nicht erwartet, dass der kleine Streit so ausarten würde. Besonders, da Romulus scheinbar der Besonnenere der beiden Brüder gewesen war. Aber gut.
Und auf blutbefleckten Boden entstand Rom.
Zuerst gab er zu, empfand er die Stadt als eine billige Kopie Athens. Kultur, gestohlen von den Griechen, Architektur, ebenfalls gestohlen von den Griechen und die Götter ... gestohlen von den Griechen. Jupiter wurde Zeus nun genannt, hatte allerdings nichts von seinem fragwürdigen Charakter eingebüßt. Und Loki selbst? Er wurde nicht einmal erwähnt! Loki knirschte mit den Zähnen. Langsam musste Veränderung geschehen.
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Schurken "Villains" OneShots (german/deutsch)
FanfictionBösewichte, Antihelden, Schurken, "Villains": Charakterisiert als narzisstisch, sadistisch, wahnsinnig und doch Genies in ihrem Gebiet - wer hat nicht eine heimliche Schwäche für sie entwickelt? (Das war übrigens eine rhetorische Frage, die mit unte...