21 - Newt

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   Die Box war nach unten gefahren. Allerdings nicht sonderlich weit. Ehe Newt sich an das Gefühl des Unterdrucks hatte gewöhnen können, war sie auch schon wieder zum Halten gekommen. Durch das abrupte Abbremsen waren sie alle durcheinander geworfen worden und Newt, der versuchte, Thomas aufrecht zu halten, war hart mit dem Kopf gegen die eisernen Vergitterung geschlagen.
   Das rote Licht erlosch und ließ sie in vollkommener Dunkelheit zurück. Niemand wagte es, zu sprechen, aber die Anspannung in der Luft schien greifbar. Benommen tastete Newt nach dem Handgelenk des Jungen in seinen Armen, um dessen Puls zu fühlen. Er war schwach, aber er war noch da. Jemand zu seiner Rechten schluchzte heftig, aber Newt konnte das Geräusch niemandem zuordnen.
   „Komm schon, Jorge." Hörte er Minho murmeln. „Lass uns jetzt nicht im Stich."
   Als hätte es sich bei diesen Worten um ein geheimes Signal gehandelt, ertönte ein lautes Poltern. Newt glaubte, Schritte zu hören, dann ein Dröhnen. In der gegenüberliegenden Wand tat sich eine viereckige Öffnung auf und das bläuliche Licht zweier Taschenlampen blendete sie.
   Die Silhouette eines Mannes materialisierte sich in dem schwachen Schein. Newt hoffte inständig, dass es sich bei ihm um den mysteriösen Jorge handelte und, dass sein Auftauchen ihre Rettung bedeuten würde. Er wagte es jedoch nicht, dieser Hoffnung zu viel Raum zu gewähren. Es war unmöglich, den Hungerspielen zu entfliehen. Und erst Recht nicht den Fängen WICKEDs oder des Kapitols.
   Der Mann begann mit einer handlichen Lasersäge, ein Loch in das Gitter der Box zu schneiden. Es dauerte ewig, oder vielleicht kam es Newt auch bloß so vor, während er sich fragte, wie viel Zeit ihnen wohl bleiben möge, bis WICKED ihren Fluchtversuch durchschaute. Er glaubte nicht daran, dass es WICKED entgehen könnte, dass acht Tribute samt Füllhorn aus der Arena verschwunden waren. Zumal alle verbliebenen Tribute mittlerweile tot sein dürften. Somit blieb kein Sieger, was den Verantwortlichen im Kapitol missfallen dürfte.
   Mit einem laut hallenden Scheppern landeten die herausgeschnittenen Stäbe endlich auf den metallenen Boden der Box und der Mann im Schein der Taschenlampe streckte seinen Kopf durch den so entstandenen Weg nach draußen. Brenda sprang auf und umarmte den Fremden – der für sie offensichtlich kein Fremder war – doch dieser schob sie sanft, aber bestimmt, von sich. „Später, Bren. Dafür ist jetzt keine Zeit!" Dann halfen sie einem nach dem anderen dabei, durch die Öffnung in den dahinterliegenden Schacht zu klettern.
   Als Newt an der Reihe war, musterte der Mann Thomas erwägend. „Was ist mit ihm? Ist er noch am Leben?"
   „Ja", antwortete Newt bestimmt, der Ausdruck im Gesicht des anderen beunruhigte ihn. Unter der Anstrengung, den bewusstlosen Thomas aufrecht zu halten, drohte sein schlechtes Bein nachzugeben und auch das gesunde Bein zitterte bedenklich.
   „Ich weiß nicht, ob wir noch was für deinen Freund tun können, man", sagte er, doch Brenda fiel ihm ins Wort.
   „Wir lassen niemanden zurück. Jorge. Über uns liegen schon genug Leichen!"
   „Schon gut, Bren. Aber der Junge hier kann ihn nicht tragen, er kann ja selbst kaum stehen."
   „Dann trägst du ihn. Bring Thomas nach draußen, Minho und ich übernehmen hier."
   Kurz zögerte Jorge, dann nickte er knapp. Seine zusammengepressten Lippen ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass er mit diesem Arrangement mehr als unzufrieden war.
   Newt gelang es mit Minhos Hilfe, Jorge Thomas' reglose Gestalt entgegen zu hieven. Dann griff er nach Brendas Hand und ließ sich selbst hinaus helfen. Kraftlos stütze er sich an die Wand des Lüftungsschachtes. Er war niedrig und sie würden geduckt gehen müssen, eine weitere Belastung für sein Bein, der er sich in diesem Moment nicht gewachsen fühlte.
   Eine dritte Taschenlampe flackerte am Ende des Ganges auf und jemand näherte sich ihnen mit schnellen Schritten.
   „Scheiße, Jorge. Was dauert hier denn so lange?", ertönte eine tiefe Männerstimme.
   „Mehr Verletzte, als befürchtet", antwortete Jorge knapp, während er sich Thomas' rechten Arm um die Schulter legte. Das kreidebleiche Gesicht des Jungen stand im Kontrast zu dem dunklen Rot des Blutes, das nach wie vor aus den drei Einstichstellen seiner linken Schultersickerte. Seine Augenlider waren nur halb geschlossen, aber er schien nichts von dem mitzubekommen, was um ihn geschah. "Solltest du nicht den Ausgang bewachen, Lawrence?"
   Der andere Mann erreichte sie und Newt konnte sein vernarbtes Gesicht im Licht der Taschenlampe erkennen. Er kam ihm bekannt vor, aber ihm fiel nicht ein, wo er ihn schon einmal gesehen hatte.
   „Solltest du nicht längst wieder im Berg sein?", erwiderte der Mann namens Lawrence. "Ohne dich als Piloten sind wir aufgeschmissen. Vince tut zwar alles, um das Teil startklar zu machen, aber ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich weiß, was er da tut. Schnapsidee, dass ausgerechnet du hier runter zu den Kids gehst..."
   „Schwing' keine langen Reden, hermano", unterbrach Jorge ihn. „Geh lieber voraus und leuchte uns den Weg."
   „So lasse ich nicht mit mir reden!"
   „Nicht jetzt, hermano", entgegnete Jorge und Newt fand, dass er genauso erschöpft klang, wie er selbst sich fühlte. Der andere Mann wirkte, als wollte er lieber noch ein wenig weiter streiten, schien sich dann aber eines Besseren zu besinnen und drehte sich zum Gehen. Jorge folgte ihm mit Thomas im Schlepptau.
   Inzwischen waren auch Frypan und Teresa in den Schacht geklettert und gingen wortlos an Newt vorüber. Dieser jedoch verharrte. Seine Schwester war noch dort drin und ohne sie, würde er nicht gehen. Newt fühlte sich nutzlos, denn er konnte nur daneben stehen und zuschauen, während Gally Sonya hochhob und sie an Minho übergab. Auch sie hatte viel Blut verloren, aber im Gegensatz zu Thomas war sie noch bei Bewusstsein. Sie lächelte schwach, als sie Newt erblickte.
   „Ist schon okay, geh du mit den anderen. Ich kümmere mich um Sonya", sagte Minho, der ihrem Blick gefolgt war und bemerkte, dass Newt nach wie vor an der Wand lehnte und sie beobachtete.
   „Ich...", begann Newt, doch im gleichen Augenblick dröhnten laute Sirenen durch den Schacht und übertönten jedes mögliche andere Geräusch. Der Alarm war unerträglich, aber um sich die Ohren zuhalten zu können, hätte Newt die Hände von der Wand neben sich lösen müssen, und sie war das Einzige, das ihn in diesem Moment daran hinderte, zu Boden zu sinken. Brenda tauchte neben ihm auf, sie legte einen Arm um seine Hüfte und zog ihn mit sich. Dann war Gally da, er schrie irgendetwas, aber obwohl er so nah war, wurden seine Worte von dem Lärm der Sirenen verschluckt, deren schrille Töne mit ihren eigenen Echos um die Wette hallten. Er wollte Brenda dabei helfen, Newt zu stützen, doch der Schacht war zu schmal, als dass sie zu dritt hätten nebeneinander her laufen können, das würde sie bloß weiter aufhalten, also bedeutete Brenda ihm, voraus zu gehen
   Newt blickte über die Schulter und sah Minho, wie er mit Sonya auf den Armen, und durch die niedrige Decke zu einem gebeugten Gang gezwungen, lief, so schnell es ihm die Umstände ermöglichten. Den Schluss bildete der Mann mit der Taschenlampe, der seit Beginn der Rettungsaktion noch kein Wort gesprochen hatte. Die Lichtkegel der beiden Lampen in seinen Händen reflektierten auf den silbrigen Oberflächen der Wände um sie herum und flackerte im Rhythmus der Schritte des Mannes, der sie trug. Newt wurde übel, aber er konnte nicht sagen, ob er dies dem Flackern oder der übermäßigen Anstrengung zu verdanken hatte. Ihm war, als würde der Boden unter seinen Füßen immer steiler und die Decke über ihnen immer niedriger werden, bis sie mehr vorwärts krochen als liefen. Der immerwährende Lärm der Sirenen tat sein Übriges. Allerdings hatte sich seine Sequenz verändert und so herrschten immer wieder einige Sekunden Stille, ehe ein weiterer jaulender Ton diese zerriss.
   Es war keine Einbildung. Der Schacht schmälerte sich tatsächlich und bald verlief er so steil bergauf, dass sie ihn als Rutsche hätten nutzen können, wäre es die entgegengesetzte Richtung gewesen, in die ihr Weg sie führte. Brenda konnte ihn nicht länger stützen und ließ sich hinter ihn fallen. Newt stemmte sich mit den Armen gegen die Wände, um Gally einzuholen, der einige Meter vor ihnen innegehalten hatte.
   „Hier geht's nicht weiter", drang die Stimme des Jungen gedämpft an Newts taube Ohren. Als er ihn erreichte, erkannte er, was Gally gemeint hatte. Der Schacht gabelte sich in zwei parallele Röhren, zu eng für einen Menschen, um durch sie hindurchzukriechen.
   „Nach oben, hermano!" Newt legte den Kopf in den Nacken, um den Ursprung der Stimme zu lokalisieren. In der Decke über ihnen tat sich eine weitere Gabelung auf, breit genug für eine Person und mit seitlich eingelassenen Leitersprossen, die ihnen den Aufstieg um Einiges erleichtern dürften. Gally musste sie ebenfalls bemerkt haben, denn er wandte sich zu Newt. „Glaubst du, du packst das?"
   Newt nickte knapp, er selbst war nicht von belang, er würde es schon irgendwie schaffen. Es war Sonya, um die er sich sorgte. Und Thomas. Wie hatten sie den bewusstlosen Jungen dort hinauf bekommen?
   Die Antwort darauf erhielt er ihn Form von mehreren breiten Gurten, die im nächsten Moment über ihren Köpfen pendelnd nach unten gelassen wurden.
   „Du zuerst", schrie Gally über den anhaltenden Alarm hinweg und machte Anstalten, die Gurte aus der Luft zu fischen, um sie Newt anzulegen.
   „NEIN", brüllte dieser zurück. „Hilf mir einfach, die unterste Sprosse zu erreichen, dann kann ich mich hochziehen. Nutzt die Gurte für Sonya!"
   Gally zögerte kurz, entschied sich dann jedoch, nicht weiter Zeit mit sinnlosen Diskussionen zu verschwenden. „Okay, gib mir dein Bein, ich werf' dich hoch."
   Für Sonya, dachte Newt, als er das letzte bisschen Kraft aufwand, das er zu sammeln vermochte, und sich nach der Leiter streckte. Für Thomas.
   Das dünne Metall schnitt in seine Handflächen, doch irgendwie gelang es ihm, sich daran festzuhalten. Er zwang sich, weder nach oben, noch nach unten zu schauen und starrte geradeaus auf die silbrige Wand vor ihm.
   Der Weg nach oben war kein langer. Höchstens acht Meter, aber die wenigen Sprossen lagen weit auseinander und Newt konnte sich einzig auf die Kraft seiner Arme verlassen, denn sein linkes Bein war ohnehin zu nichts zu gebrauchen und auch das rechte war mittlerweile, vom permanenten Versuch diesen Umstand auszugleichen, geschwächt. Sein ganzer Körper schmerzte.
   Dann erreichte er die oberste Sprosse und vier Hände griffen nach ihm, um ihn das letzte Stück hinaufzuziehen. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wurde ihm schwarz vor Augen. Er stolperte rückwärts und übergab sich.
   „Alles in Ordnung, man?" Newt glaubte, dass es Frypan war, der neben ihm stand und versuchte ihm auf die Beine zu helfen, während das Schwarz vor seinen Augen sich allmählich wieder zurückzog und die Übelkeit ihn erneut zu überwältigen drohte. Aber er konnte sich nicht sicher sein. Hier draußen war der Alarm zwar immer noch allgegenwärtig, jedoch bei Weitem nicht mehr so durchdringend wie in dem Schacht unter ihnen. Sie befanden sich in einem weitläufigen Hangar. Eine einzige Flugmaschine stand am Rande des weit geöffneten nördlichen Tores. Teresa und der Mann namens Lawrence mit den Narben im Gesicht standen vor der heruntergelassenen Laderampe und sahen ihn ihre Richtung. Thomas war nirgendwo zu sehen. Hatten sie ihn bereits in die Maschine gebracht? Newt hoffte inständig, das es jemanden an Board gab, der ihn und Sonya würde medizinisch versorgen können.
   „Geht!", rief Jorge ihnen über die Schulter zu, während er Brenda nach oben zog.
   Frypan packte Newt bei der Schulter. „Komm!"
   „Nicht ohne meine Schwester!", entgegnete Newt und strauchelte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
   Indessen war auch Gally zu ihnen gestoßen. Mit vereinten Kräften zogen er und Jorge an den Gurten und wieder kam Newt sich unglaublich nutzlos vor, als er dort stand und dabei zusah, wie die anderen Sonya bargen. Kurz darauf tauchte ihr Kopf in der Öffnung am Boden auf und Newt atmete erleichtert auf, wenngleich die Gefahr noch nicht vorüber war.
   „Jorge! Uns bleibt keine Zeit!", rief Lawrence von der Laderampe. „Beweg deinen Arsch hier her!"
   „Zwei Minuten! Minho und Darius sind noch unten!"
   „Die packen das alleine, aber ohne dich kommt keiner von uns hier raus!"
   Jorge tauschte einen Blick mit Brenda, fluchte vernehmlich und kam schließlich dem Drängen des Mannes in der Flugmaschine nach.
   „Brenda, komm mit mir."
   „Ich warte auf Minho."
   „Schön. Ihr da, kommt mit mir!"
   Dazu brauchte Jorge sie nicht zweimal auffordern. Während Frypan und Gally sich je einen von Sonyas Armen um die Schulter legten und sie mehr mit sich schliffen, als trugen, flogen auf der gegenüberliegenden Seite gigantische Flügeltüren auf. Friedenswächter in ihren weißen Uniformen stürmten den Hangar.
   Newt rannte trotz des Schmerzes in seinem Bein, der einen neuen Höhepunkt erreichte. Panik machte ihn für sämtliche körperliche Empfindungen unempfänglich. Ihm war, als wäre nicht er es, der dort rannte, sondern, als würde er als Außenstehender auf das Geschehen blicken. Das musste die Mischung aus Erschöpfung und Adrenalin sein, die ihm nicht sonderlich bekam.
   Er sah Jorge einige Meter vor ihnen die Rampe hoch sprinten und im Inneren der Maschine verschwinden und Newt betete, dass es sich bei den sich schnell nähernden Schritten hinter ihnen um die Brendas und Minhos handelte und nicht um Friedenswächter, die in diesem Moment das Feuer eröffneten.
   Als er das Berg endlich erreichte setzte sich dieses bereits in Bewegung und die seitliche Öffnung begann sich zu schließen. Erst jetzt wagte Newt, einen Blick über die Schulter zu werfen. Die anderen waren gleich hinter ihm. Sie würden es schaffen. Doch dann schlug ein Projektil direkt neben Newt ein und greller Funkenregen blendete ihn. Blind sprang er vorwärts und kam strauchelnd auf der von den laufenden Motoren vibrierenden Rampe auf. Brenda und der Mann, den Jorge Darius genannt hatte, landeten neben ihm. Das Berg befand sich inzwischen ein gutes Stück über dem Boden und Newt konnte von seiner Position aus beobachten, wie auch Minho absprang, die Distanz jedoch nicht mehr überwinden und sich nur gerade so am Ende der Rampe festhalten konnte.
   Dann, noch bevor er sich ganz über ihren Rand schwingen konnte, traf ihn eines der Geschosse aus den Launchern der Friedenswächter in den Rücken. Blaue Energie schlängelte sich von der Stelle aus seine Arme und den Hals hinauf. Seine Augen verdrehten sich auf groteske Weise nach hinten und er drohte abzurutschen.
   „Nein!", schrie Brenda und hechtete ihm entgegen. Auch Newt reagierte, während das Berg sich langsam drehte und sie somit vor den Schüssen der Friedenswächter abschirmte. Aber es gelang ihnen nicht, Minhos erschlafften Körper zu ihnen hinaufzuziehen.
   Ein drittes paar Arme griff an ihnen vorbei und als das Berg den Hangar verließ, hatten sie es mit Gallys Hilfe geschafft, Minho ins Innere der Flugmaschine zu schleppen.
   Die Rampe schloss sich hinter ihnen und mit einem Mal kehrte Ruhe ein.
   Newt starrte auf den gräulichen Boden des Laderaums in dem sie sich befanden und kämpfte gegen die erneut aufkommende Übelkeit an. Er sah frisches Blut und wusste, dass es sich nur um Tommys handeln konnte, aber weder er ,Sonya, noch einer ihrer Retter waren anwesend. Auch der schweigsame Darius war verschwunden.
   Gally kniete neben Minhos Körper, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Frypan saß, den Kopf in den Händen verborgen, in der Mitte des Raumes. Brenda stand zwischen ihnen und begutachtete einen übel aussehenden Kratzer an ihrem rechten Arm.
   Und dann war da noch Teresa. Das dunkelhaarige Mädchen stand, immer noch gefesselt, etwas abseits und wirkte, als würde sie all das überhaupt nicht berühren.
   „Brenda", durchbrach Gally schließlich das Schweigen. Seine Stimme war rauer als gewöhnlich und Newt sah Tränen auf seinen Wangen. „Was... wie geht es jetzt weiter?"
   „Jorge und die anderen bringen uns in Sicherheit."
   Gally nickte bloß, als würde das alle seine Fragen beantworten, aber Newt glaubte, dass dem Jungen lediglich die Kraft fehlte, weiter nachzuhaken. So zumindest erging es ihm selbst.
   Brenda ging auf Minho zu, der sich allmählich zu regen begann und legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.
   „Bleib lieber noch einen Moment liegen, es hat dich ganz schön erwischt", murmelte sie, dann erhob sie sich wieder und sah Newt an.
   „Wo ist er... sie? Sonya und Thomas, meine ich. Kann ich zu ihnen?"
   „Diese Typen haben sie dort rein gebracht", antwortete Gally an Brendas Stelle. „Sie meinten, sie haben eine Ärztin dabei."
   „Sie sagen uns sicherlich Bescheid, sobald wir rein können. Aber vielleicht solltest du dich auch untersuchen lassen, du siehst echt nicht gut aus", sagte Brenda und sah Newt besorgt an. Frypan lachte humorlos auf.
   „Es wär' nen Wunder, wenn er besser aussehen würde nach allem, was wir in den letzten Stunden durchgemacht haben, Mann."
   Newt war schwindelig und er hätte sich gerne hingesetzt, aber er befürchtete, dass er einschlafen würde, sobald er diesem Bedürfnis nachkam und er konnte nicht schlafen, bevor er sich nicht davon überzeugt hatte, dass es Thomas und Sonya gut ging.
   „Das ist eine Entführung. Damit werdet ihr nicht durchkommen." Teresa hatte leise gesprochen, ihr Tonfall war beiläufig, aber aus ihrem Mund klangen die Worte wie eine Drohung
   „Kann' mich nicht erinnern, nach deiner Meinung gefragt zu haben, Zwei", zischte Gally sie an.     „Ich hab auch nicht darum gebeten, hierzu sein. Ihr habt mich in diese Situation gebracht, also lebt damit."
   „Du solltest dich glücklich schätzen! Du solltest dankbar sein, noch am Leben zu sein!", Gally war aufgesprungen und zeigte mit dem Finger anklagend auf Teresa, während sich sein Gesicht vor Wut und Schmerz mit jedem weiteren gesprochenen Wort mehr zu einer Grimasse verzog. „Alby. Ben. Suzanne. Harriet. Chuck...jeder einzelne von ihnen hätte es verdient, an deiner Stelle hier zustehen. Du bist die Allerletzte auf der Liste und, dass du noch am Leben bist verdankst du einzig und allein Brendas Prinzipien, also pass' gefälligst auf, was du sagst!"
   „Prinzipien", Teresa spuckte das Wort aus, als hätte sie sich daran verschluckt. „Vielleicht fragst du deine geliebte Brenda mal, wer sie wirklich ist. Würde mich wundern, wenn du ihr danach immer noch so blind hinterherlaufen würdest."
   „Kann der Schlampe jetzt mal jemand das Maul stopfen", stöhnte Minho vom Boden. „Ich würd's ja selbst erledigen, aber ich spüre meine Arme zur Zeit nicht."
   „Was meint sie, Bren? Was soll das heißen, wer du wirklich bist?"
   „Gally... jetzt ist nicht der richtige Moment für eine solche Unterhaltung. Wenn wir erst in Distrikt 13 sind erkläre ich..."
   „Distrikt 13?", unterbrach Frypan irritiert. „Bren, was zur..."
   „Distrikt 13 existiert nicht. Das ist ein Märchen, das man kleinen Kindern erzählt, um..."
   „Um ihnen von klein auf einzutrichtern, was mit ihnen passiert, wenn sie sich dem Wiedererstand anschließen?", fiel Brenda dem anderen Mädchen ins Wort. „Um ihnen die Macht des Kapitols zu demonstrieren? Um ihnen Angst einzujagen? Huh?" Teresa funkelte sie böse an, hatte ihr jedoch scheinbar nichts mehr entgegenzusetzen.
   „Das war die ganze Zeit der Plan?", fragte Gally nüchtern.
   „Es tut mir so leid, Gally, ich hätte dich eingeweiht, wirklich, aber wir konnten nicht riskieren, dass die Spielemacher oder irgendwer sonst uns abhört. Diese Beetle Blades hatten ihre Kameras und Mikrofone überall... nicht einmal Minho kannte den gesamten Plan..."
   „Schuldig in allen Punkten der Anklage", kommentierte Minho überdreht. Der Junge kicherte und Brenda war nicht die einzige, die ihn mit einem sorgenvollen Blick bedachte.
   „Möchtest du uns vielleicht erklären, was so witzig ist?"
   „Ach, eigentlich gar nichts. Ich bin nur froh am Leben zu sein. Außerdem haben mir diese Mistkerle vor kurzem mehrere hundert Volt in den Rücken gejagt... Was ist die Entschuldigung für dein Gesicht, Bren?"
   Bevor Brenda eine passende Antwort formulieren konnte, betrat der narbengesichtige Mann durch einen seitlichen Zugang den Laderaum. „Ich unterbreche diese kleine Party ja nur höchst ungern, aber da Jorge es versäumt zu haben scheint, euch von diesen netten kleinen Mikrochips in euren Nacken zu befreien, ist diese Mission von waghalsig zu selbstmörderisch aufgestuft worden", sagte er und zog ein kleines schwarzes Etui aus seiner Tasche. „Und ich für meinen Teil hänge an meinem Leben, also müsst ihr euch jetzt mit mir vergnügen."
   Während der Mann mehrere spitze Instrumente zum Vorschein brachte und diese auf einer Frachtkiste neben sich ausbreitete , tastete Newt unwillkürlich nach der Stelle in seinem Nacken, an der sie ihm am Morgen vor den Spielen etwas injiziert hatten. Natürlich, er hätte sich denken können, dass sie ihn auf die eine oder andere Weise markiert hatten. Aus der Arena gab es kein Entkommen. Zumindest bis zum heutigen Tage nicht.  

The Maze Games | GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt