3 Streit unter Freundinnen

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Vor der Klasse angekommen, ist die Tür einen Spalt geöffnet. Und die Klasse ist, wie zu erwarten, sehr laut. Wie ein Gentleman öffnet er die Tür mit seinem Fuß und wartet, bis ich eintrete. Natürlich tue ich dies auch. Alle Blicke richten sich auf uns. Wir gehen zum Pult. Ein leises Flüstern geht durch die Reihen. Endlich am Pult angekommen, stellen wir alle Sachen ab. Langsam legt sich die Aufmerksamkeit und die anderen kümmern sich wieder um ihre eigenen Dinge.

Ich schaue ihn an und sage schließlich: „Auch wenn ich das jetzt schon mehrmals gesagt habe, danke für alles. Aber vor allem danke für diesen Lolli.“ Ich nehme den Lolli aus dem Mund und schaue ihn an.
„Und ich sage, kein Problem. Und das mit dem Lolli, wenn du noch mehr willst, frag einfach, ich gebe dir immer gerne welche.“
„Wirklich sehr nett von dir“, sage ich, stecke meinen Lolli wieder in den Mund und gehe zu meinem Platz.

Endlich mal ein bisschen Ruhe haben. Doch dann kommt meine beste Freundin zur Tür herein und kommt mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zu mir.
„Ist alles ok?“, frage ich sie direkt, als sie sich neben mich auf ihren Platz setzt.
„Bis eben ja...“, sagt sie und schaut mich zornig an.
„Ich glaube, ich weiß schon, was dir eben über den Weg gelaufen ist oder wohl eher, wer dir über den Weg gelaufen ist.“
„Ja, woher weißt du das? Egal. Sie hatten und haben wahrscheinlich noch immer mega schlechte Laune und ich musste leider an ihnen vorbeigehen und natürlich war ich dann direkt ihr neues Opfer.“

„Entschuldigung...“, sage ich leise und versinke etwas in meinem Stuhl.
„Was? Was tut dir leid?“, sagt sie leise in meine Richtung.
„Es ist meine schuld, dass die so sauer sind...“
„Weil du was getan hast?“
„Sie haben angefangen mich zu ärgern und dann haben sie mir auch noch einen Gehfehler gezogen, sodass alle Materialien zu Boden fielen.“
„Und dann bist du auf sie losgegangen und hast gewonnen?!“, sagt sie mit einem lächeln und etwas Schadenfreude in der Stimme.
„ICH? Ja klar natürlich – sonst noch was?“
„Hmm nein. Wer aber dann?“

Ich zögere kurz, doch dann sage ich entschlossen: „Felix hat mir geholfen...“
„Was FELI...", sie unterbricht, als sie merkt, dass ihre Stimme viel zu laut ist und alle Klassenkameraden nur auf sie schauen. Inklusive Felix natürlich.
„Waas? Noch nie ein Mädchen gesehen, was auf Filly-Pferde steht?“, schreit sie durch die gesamte Klasse. Einige müssen lachen, wieder andere wundert dies anscheint kaum und unterhalten sich wieder mit ihren Sitznachbarn oder arbeiten an irgendwelchen Aufgaben.

„Das war echt knapp meine Liebe.“, sage ich dann wieder leise.
Sie atmen tief durch und sagt dann: „Sogar sehr knapp. Aber jetzt nochmal. Er war da und hat dir geholfen, aber was hat er ihnen denn angetan, dass sie so sauer wurden?“
„Er hat zu ihnen gesagt, dass sie mich und alle anderen Mitschüler in Ruhe lassen sollen und endlich mal was lernen sollen. Dann hat er mir noch geholfen die Sachen wieder aufzuheben und dann habe diesen Lolli von ihm bekommen.“, sage ich, hole den Lolli aus meinem Mund und lächle.

„Ich wollte dich gerade schon fragen, woher du den hast, aber das ist ja süß, dass er dir einen gegeben hat. Vielleicht steht er ja auch auf dich und ihr lebt glücklich zusammen bis ans Ende eures Lebens.“, beendet sie ihren Satz und strahlt wie ein kleines Kind, was gerade seine Geschenke an Weihnachten öffnen darf.
„Fertig? Ja gut ok, dann wieder zurück in die Realität bitte. Wie gesagt, er hat mir nur geholfen, weil ich in der Unterzahl war und die mich sonst so mega fertiggemacht hätten. Wenn ich aber gewusst hätte, dass du die ganze Wut von diesen Biestern abbekommst, wäre ich mit dir da gewesen und hätte dir geholfen. Ich wusste ja nicht mal, dass wir keinen richtigen Unterricht haben...“ „Valerie, es ist alles gut. Du hättest ja nicht ahnen können, dass ich genau in diesem Moment dort lang müsste und sie sowas tun würden. Alles gut, ich habs ja überlebt.“, sagt sie und dreht sich wieder nach vorne in Richtung Pult.

„Was haben sie denn zu dir gesagt. Scheint was nicht gerade nettes gewesen zu sein. So wie du drauf bist.“
„Warum willst du das wissen?“
„Ist es etwa ein Geheimnis? Vielleicht waren sie ja gar nicht sauer wegen mir, sondern wegen etwas ganz anderem. Und mich würde schon sehr interessieren, worüber sie geredet haben. Vielleicht könnte man es ihnen so heimzahl...“
„Verdammt nein! Sie haben nichts gesagt oder zumindest habe ich nichts gehört, ok? Wenn du jetzt so nett wärst, würde ich echt gerne das Thema wechseln.“, unterbricht sie mich, schaut mich aber nicht an - nichtmal in meine Richtung. Sie bleibt einfach wie verzaubert in eine Richtung blickend klebend.
„Was ist denn jetzt mit dir los?“, frage ich sie schon etwas besorgt.

„Was soll schon sein? Ich will jetzt einfach nicht darüber reden - warum auch? Ich habe alles gesagt, was gesagt werden muss und ich habe einfach nichts gehört und basta.“ „Ok! Aber warum bist du denn gleich so angespannt und nervös.“
„Lass mich jetzt doch einfach mal bitte in ruhe – danke!“, sagt sie, nimmt aus ihrer Tasche ein Buch und fängt an zu lesen.

Keine Ahnung, was für ein Buch sie da liest und in diesem Moment ist es mir völlig egal. Was auch immer die Mädchen dort gemacht oder gesagt haben, es scheint was wirklich gemeines oder total beunruhigendes gewesen zu sein. Oder warum will sie es mir nicht erzählen? Vielleicht hat sie aber auch wirklich nichts mitbekommen und ist einfach nur mega angenervt von ihnen und will sie, so wie ich auch, am liebsten nie wiedersehen. Aber warum geht sie mich deswegen so an?

Die ganze Stunde über grüble ich noch, was sein könnte. Doch zu einem Ergebnis komme ich nicht. Den ganzen restlichen Tag über redet sie kaum mit mir. Nicht in Englisch, in Deutsch oder in Bio. Selbst in unserer AG war alles komisch. Sogar die Kinder merken dies und fragen natürlich nach. Doch wir antworteten nur, dass es keine Probleme gibt, und dass wir einfach nur übermüdet wären. Wir bauen Laternen mit den Kindern. Sie waren gerade mal 5.Klasse, aber sehr pflegeleicht, wenn man es so nennen darf.

Wieder überlege ich die ganze Stunde, nur dieses Mal, wie ich am besten an meine Freundin rankomme. Es ist mir sogar schon egal geworden, was diese Gänse gesagt oder gemacht haben. Ich will einfach nur meine beste Freundin zurückhaben und wieder ganz normal mit ihr reden können. Deswegen gehe ich direkt nach Ende der Stunde zu ihr. Dieses Mal will ich mich nicht so einfach abwürgen lassen.

„Hei, können wir mal bitte miteinander reden?“, frage ich sie, nachdem alle Schüler den Raum verlassen haben.
„Wenn du wieder über das selbe Thema wie vorhin rede willst, dann lasse es bitte.“
„Nein. Ich will nur meine beste Freundin zurückhaben. Wenn du mir nicht sagen willst, was los war, dann ist es auch ok.“
„Ich wollte dich nicht so anpflaumen, aber ich kann es dir gerade einfach nicht erzählen...", sie unterbricht und überlegt, was sie sagen soll. Dann lenkt sie doch schließlich ein und sagt: „Wir reden, aber dann kommst du zu mir, wo uns niemand zuhören kann ok? Und du musst versprechen, es für dich zu behalten und nichts zu machen, was darauf schließen könnte, dass ich etwas mitbekommen habe, als sie miteinander geredet haben - ok?.“
„Ok, ich werde es versprechen. Ganz egal was passieren wird, ich werde die Klappe halten – Freunde?“ „Hallo? Beste Freunde, ja?!“, sagt sie und lächelt.
Ich lächle zurück und sage nur kurz: „Natürlich.“

Dann gehen wir zusammen aus dem Klassenraum und zur Bushaltestelle. Wir fahren zu ihr und reden den ganzen Tag. Natürlich erzählt sie mir alles und ich kann teils kaum glauben, was ich höre. Ich kann sofort verstehen, warum sie zögerte, ich hätte vielleicht sogar das gleiche getan. Es sind Dinge, die mir sehr weiterhelfen und einiges verändern können - das hoffe ich zumindest.

Am Abend wurde ich schließlich von meinen Eltern abgeholt und bin gleich danach duschen und ins Bett gegangen. Irgendwie freue ich mich auf den nächsten Tag.
Denn eine Sache wird ganz sicher meinen Tag verändern - positiv natürlich.

Fernbeziehung? - Nein danke.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt