5 Die ganze Wahrheit

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So schön der letzte Morgen auch war, dieser ist wieder einmal die nackte Wahrheit. Wieder 6.30 Uhr. Nur dieses Mal bin ich total fertig und müde. Warum? Schlechte Träume und ein unruhiger Schlaf. Die Angst vor der Aussprache mit Felix hat seine Spuren hinterlassen. Wenn ich nur darüber nachdenke, fange ich bereits an zu zittern.

Ich quäle mich aus dem Bett und gehe ins Badezimmer. Wieder das gleiche Prozedere: Gesicht waschen, Zähne putzen, Haare bürsten und dann auch schon wieder zurück in mein Zimmer. Ich gehe zum Schrank und öffne ihn. Dieses Mal wähle ich eine dunkelblaue Jeans, ein schwarzes Top und eine schwarze Strickjacke.

Ich gehe in die Küche, packe mein Essen ein und ziehe mir meine Schuhe an. Ich nehme meinen Rucksack und gehe aus der Haustür. Ich schließe sie hinter mir zu und gehe, wie jeden Morgen, zur Bushaltestelle. Dort krame ich meine Kopfhörer aus meinem Rucksack und stecke sie in mein Handy. Ich drücke auf 'Zufällige Wiedergabe'. Das erste Lied ist <End Up Here> von 5 Seconds of Summer, welches es schafft mich direkt zu verzaubern. Ich frage mich ebenfalls, wie Felix und ich nur so enden konnten.

In der Schule angekommen gehe ich direkt zu meiner Klasse, wo schon ein paar Mitschüler warten. Die Tür ist noch verschlossen. Weder meine beste Freundin noch Felix sind zu sehen. Ich stelle mich an die Wand neben meiner Klasse. Dann kommt sie doch um die Ecke gebogen. Grinsend kommt sie zu mir gelaufen. „Was grinst du denn heute Morgen so breit?“, frage ich sie lachend.
„Wie du immer sagst, alles supi.“
„Hör auf, das sage ich nie!“, sage ich etwas lauter.
„Jaja schon klar. Aber egal. Heute morgen habe ich mal gut Laune, ist das so außergewöhnlich?“
„Ja Mäuschen, bei dir schon.“, sage ich und setze ein bedrückendes Gesicht auf.
„Ja ich weiß Goths sind immer schlecht gelaunt bla bla. Vorurteile!“, sagt sie mit verzogener Mimik. Ein junger Lehrer geht an uns vorbei und wird von einem meiner Klassenkameraden angesprochen.

Er hat ihn wohl gefragt, ob er unsere Tür öffnen könnte, denn das tut er.
„Lass uns drinnen weiter reden.“, sagt sie und geht als erstes von uns beiden in den Klassenraum. Wir gehen auf unsere Plätze und reden dort weiter.
Neugierig fragt sie: „Und? Hast du dich entschieden mit Felix zu reden?“
„Lass mich bloß damit in Ruhe. Ich will gerade echt nicht mit ihm reden. Was soll ich denn auch sagen? Ich liebe dich und ich hab gehört das du mich auch ein wenig mehr magst, aber deine Ex ist eine Hexe?“
„Das wäre natürlich das Beste“, sagt sie lachend.
Ich schaue sie ernst an. „Ok, ok, hab schon verstanden. Sag ihm doch einfach...“ Sie unterbricht. Die Tür geht auf und einige Schüler stürmen herein. Auch Felix.

Ich kann meine Augen nicht von ihm lassen. Ich liebe ihn, aber hasse es, wenn jemand über Andere schlecht redet. Und seine Ex wird mich umbringen, wenn ich was mit hätte. Ein langsamer, aber dennoch qualvoller Tod. Er legt seine Sachen ab und kommt auf direktem Wege zu mir. Ich verfalle in Panik und schaue mit großen Augen zu meiner Freundin. Sie verzieht das Gesicht und fängt dann plötzlich an über irgendeinen Film zu reden. Als ich merke, dass es um den Film <Bad Teacher> von Jake Kasdan geht, steige ich direkt mit ein, um beschäftigt zu wirken.

Dann steht er vor uns. Mein Herz rutscht in die Hose. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich stolz auf Frau Würzel und ihre Pünktlichkeit. Denn genau als es zur Stunde klingelt steht sie in der Tür. Felix dreht sich um und geht schnell zu seinem Platz zurück. Erleichtert atme ich auf. Dann beginnt auch schon der Deutschunterricht. Ich hatte mir wieder vorgenommen, den ganzen Tag Felix aus dem Weg zu gehen. Vielleicht gibt er irgendwann auf oder verliebt sich neu. Ich bleibe einfach weiter Single – no Boyfriend, no Problems. Leider passte dies nicht zu seinem Plan. Den ganzen Tag versucht er mich zu erreichen und mit mir zu reden. Glücklicherweise schaffe ich es immer wieder ihm aus dem Weg zu gehen.

Fast geschafft. Nur noch aus der Tür heraus und schon habe ich den heutigen Tag überstanden. Ich will ihm um jeden Preis aus dem Weg gehen, um nicht mit ihm reden zu müssen. Nicht mal sehen will ich ihn. Ich liebe ihn zwar, aber irgendwann hat man einfach zu viel. Genauso ist es gerade bei mir.

Fernbeziehung? - Nein danke.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt