11 Verzweifelte Suche

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Schon als ich in der Schule ankomme, habe ich ein schlechtes Gefühl, welches meinen gesamten Körper durchläuft. Warum? Nur weil Michelle Geburtstag hat? Wohl kaum. Sie ist die beste Freundin meiner Freundin. Und ich mag sie, auch wenn unsere Vorgeschichte wirklich komisch ist. Dafür ist sie aber auch 'verantwortlich' gewesen, dass Valerie und ich uns so nah kamen.

Doch in letzter Zeit ist nicht alles so schön, wie es sich anhört. Seit Wochen benimmt Valerie sich total komisch. Ich habe das Gefühl, als würde sie mir aus dem Weg gehen.

Als würde sie mich ignorieren.

Als würde sie mich hassen.

Als würde sie mich loswerden wollen.

Auf jede SMS reagiert sie Stunden später. Jeder Anruf wird gnadenlos weggedrückt. Jede Berührung mit einem Zucken beantwortet. Anfangs dachte ich ja noch - sie bräuchte ihren Freiraum oder sie hätte einfach nur ihre Tage. Als es aber immer schlimmer wurde - machte ich mir immer mehr sorgen. Bis ich jetzt vor Angst platzen könnte.

Natürlich lässt mich mein Bauchgefühl mal wieder nicht im Stich. Sie ist nicht in der Schule. Wie die letzten 2 Tage ebenfalls nicht. Meine Kraft und Wille gehen langsam aus. Weiterkämpfen bleibt nicht mehr lange eine Option. Wie denn auch? Wenn man mit allen Mitteln weggedrückt wird.

Auch der Ausfall der ersten Stunde hilft mir nicht wirklich weiter. Denn sie ist wieder nicht hier. Bei mir. Wo sie hingehört. Ich hasse mich selber. Ich enge sie zu sehr ein. Sie ist ein Freigeist. Denkt viel nach, macht sich zu allem und jeden Gedanken, aber tut, was auch immer sie will. Und ich zerstöre all dies. Warum? Was bringt es mir? Aber ich liebe sie doch zu sehr. Sie einfach zu verlieren, nach all dem Mist, was passierte – undenkbar.

Zu Beginn des Schuljahres dachte ich noch, sie wäre wie die anderen. Eingebildet. Ignorant. Arrogant. Hochnäsig. Verlogen. Hinterlistig.

Als sie dann aber das erste Mal den Mund öffnete, wusste ich, sie ist besser. Das komplette Gegenteil dieser Super-Zicken. Ich wusste, dass sie was besonderes ist. Unbezahlbar besonders. Plötzlich betrat ein altbekanntes Gesicht den Raum. Michelle. Sie wirkt alles andere als glücklich. Eher Niedergeschlagen und traurig. Mir wird unendlich schlecht. Die Sicht verschwommen. Stimmen ziehen sich wie Fäden um meine Ohren.

Ich durchbreche den Kreis und gehe ohne nachzudenken auf Michelle zu.

„Du siehst schieße aus.", sagt sie monoton als ich vor ihrem Platz ankomme.

„Und du erst." Sie senkt ihren Blick in ein Buch. Harry Potter oder ähnliches. Was sie nur daran findet? ! „Hast du 2 Minuten für mich?"

Ohne ihren Blick zu heben, antwortet sie: „Kann das warten. Bin grad nicht wirklich in der Stimmung zum Reden."

„Nein. Kann es nicht."

Dann hebt sie ihren Kopf. Ihre Augen sind rot und geschwollen. Was auch immer passiert ist – es muss tragisch sein. Hoffentlich nichts mit Valerie.

Ohne ein Wort zu sagen, steht sie auf und verlässt den Raum. Ich hinterher. Immer weiter läuft sie durch den Gang – ohne sich auch nur einen Moment nach mir umzudrehen.

Schließlich bleibt sie an einer Ecke hängen, an der eine Bank und ein Tisch stehen. Sie setzt sich auf die Bank und legt ihre Arme schlaff auf den Tisch.

„Was kann so wichtig sein, dass..." Sofort falle ich ihr ins Wort.

„Valerie. Warum ist sie nicht in der Schule? Vor allem aber, warum antwortet sie auf keine meiner Nachrichten oder Anrufe?" Der gesamte Flur füllte sich im Schweigen. Passender Moment.

Verwirrt schaut sie zu mir herüber.

„Sie hat dir nichts gesagt?"

„Was sollte sie mir sagen?" Sie schweigt. „Michelle?! Was sollte sie mir sagen?" Langsam werde ich wütend. Dieses Schweigen bringt mich noch um. „Mir reicht's bald endgültig." Nun brülle ich sie nur noch an. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie doch noch etwas sagt.

„Sie soll es dir selber erklären."

„Zum letzten Mal. Wie soll sie es mir erklären, wenn sie nicht hier ist beziehungsweise, wenn sie unerreichbar ist?"

Erneutes Schweigen.

„Weißt du, melde dich bitte, falls du reden kannst oder dazu fähig bist. Bis dahin – rede mich auf keinen Fall an."

Meine Worte sind eine Aufforderung und ein Abschied zugleich. Wütend lauf eich ohne einen weiteren Blick wieder in den Klassenraum zurück. Sofort setze ich mich auf meinen Platz und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Wiedereinmal werde ich gestört. Jakob. Freudestrahlend kommt er auf mich zugelaufen und setzt sich genau neben mich. Sein Arm liegt plötzlich um mir.

„Hey, Kleiner. Warum so ein langes Gesicht? Hat Valerie dich etwa versetzt?" Sein Lachen dringt kaum zu mir durch. Mit wütendem Blick lasse ich ihn spüren, dass seine Anspielungen fehl am Platz sind.

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?" Wieder dieser blöde Unterton. Scheiß Sarkasmus.

„Wenn ich das nur wüsste.", gebe ich Wahrheitsgetreu zurück.

„Ist was mit deiner Freundin?"

„Ja... Nein... Wenn ich wüsste, was überhaupt los ist – aber ich weiß von nichts."

„Was ist denn passiert?"

„Sie meldet sich nicht mehr. Sie antwortet auf keine Nachricht. Sie ist nicht mal zu Hause."

„Vielleicht hat sie Probleme und musste kurzfristig vereisen. Warum sonst ist sie nicht zu Hause?"

„Keine Ahnung. Ich glaube aber Michelle weiß was. Sie will mir aber nichts sagen."

„Quetsche es doch einfach aus ihr heraus."

„Klar. Du bist ein Genie. Sie ist auch nicht nur die beste Freundin meiner Freundin..." Langes Schweigen folgt.

„Hmm."

„Ich muss wohl warten. Irgendwann muss sie sich ja melden. Bis dahin – sollten wir uns auf die Weihnachtszeit freuen."

„Sie plant bestimmt etwas total süßes, um dich überraschen zu können. Immerhin ist Weihnachten."

„Das Fest der Liebe.", füge ich etwas lächelnd hinzu.

Auch wenn ich mich nur selbst versuche aufzumuntern – hebt es meine Laune deutlich. Ich versuche mich immer wieder einzureden, dass alles einen Sinn macht. Alles würde sich aufklären – wie bei einem riesigen Puzzle.

Bis ich plötzlich Michelles verheultes Gesicht in der Tür sehe. Von einer auf die andere Sekunde wurde mir komplett Unwohl.


Fernbeziehung? - Nein danke.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt