Verhext

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Am nächsten Abend stand Izuku vor der Tür. Er war mir wesentlich sympathischer, seit ich wusste, dass er eine feste Freundin hatte.

„Komm schon rein. Ich war gerade dabei mir einen Kaffee zu machen. Möchtest du auch einen?"

Er schüttelte den Kopf.

„Sag mal, könntest du diesen Trank nicht etwas stärker machen? Ich befürchte, der wirkt nicht mehr richtig."

Seine Augen wurden schmal. „Was ist los, Kat?"

„Seit Todoroki mir sein Blut gegeben hat, scheint dieser Fluch, noch intensiver von mir Besitz zu ergreifen. Scheiße, ich bin total verwirrt und kann mich kaum noch zurückhalten."

Jetzt weiteten sich seine Augen und er musterte mich argwöhnisch. „Du hast Shoto gebissen?"

„Ja, verdammt. Er hat es mir angeboten. Ich wäre sonst wahrscheinlich krepiert. Hat er dir nichts erzählt? Hat es vielleicht etwas mit seinem Blut zu tun?"

„Mh, ich weiß nicht so viel über diesen Hexenzauber, aber so, wie ich den Fluch verstanden habe, glaube ich eher, dass es damit zu tun hat, dass er dir das Leben gerettet und sein eigenes dabei quasi riskiert hat. Dadurch könnte die Verbindung gestärkt worden sein. Aber das ist reine Spekulation. Dennoch ist Blutmagie, wenn auch eine dunkle Magie, sehr mächtig. Verbindungen die mit oder durch Blut geschlossen werden sind stark."

Nachdenklich sah ich ihn an. „Verstehe."

Auf einmal lag ein schelmisches Glitzer in seinen Augen. „Soll das heißen, ihr habt es noch gar nicht miteinander getrieben?"

„Halt die Klappe du scheiß Elf, oder willst du sterben? Glaubst du, ich würde diesen halbstarken Milchbubi entjungfern, nur weil dieser Fluch es so gerne hätte. Ich dachte, du bist sein Freund."

„Hä? Also Shoto ist alles andere als ein Milchbubi. Lass ihn das bloß nicht hören. Aber hey, das ist eure Sache. Es wundert mich nur, dass ein Vampir ... Ach vergiss es! Ich versuche den Trank stärker zu machen. Aber er hilft hauptsächlich gegen die Schmerzen und nur bedingt gegen das Verlangen." Er warf einen Blick auf die Uhr. „Shoto sollte gleich hier sein. Ich muss etwas mit euch besprechen."

Augenblicklich schossen mir die Bilder von letzter Nacht durch den Kopf. Verdammt, wenn das so weiterging, würde ich noch durchdrehen. So ein Dreck, der Fluch hatte mich ganz schön im Griff. Ich hatte damit gerechnet, dass Icy-Hot mir nach gestern aus dem Weg gehen würde, aber vielleicht war er ja doch erwachsener, als ich dachte.

Keine fünf Minuten später stand er in der Wohnungstür. Er trug doch tatsächlich die Kampf-Kleidung eines Shinobi und war bis zu den Zähnen bewaffnet. Selbst die Protektoren waren mit kleinen, scharfen Silberklingen übersäht. Nur die Maske fehlte. Er wirkte angespannt und befremdend distanziert. Das Eis hinter seinen Augen war wieder deutlich zu sehen. Und noch etwas war anders. Seine Aura hatte deutlich an Präsenz verloren, als wollte er sie bewusst verbergen. Aber nicht als wäre er das Raubtier, sondern eher als wäre er die verletzte Beute. Er hielt ungewöhnlich viel Abstand. Wenn ich mich ihm näherte, wich er zurück. Was zur Hölle ...? Ich war verzweifelt. Was, wenn alles was ich glaubte für ihn zu tun, falsch war und ich ihn so verletzt hatte, dass es ihn gebrochen hatte. Was sollte ich jetzt tun. Ich wusste es nicht und ging erstmal auf Abstand, auch wenn es mir unendlich schwerfiel. Ich ballte die Fäuste und vergrub sie in meinen Taschen.

Izuku sah zwischen uns hin und her. „Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist oder ob es daran liegt, dass das erste Siegel des Fluches gebrochen wurde, aber wir haben ein echtes Problem. Also reißt euch bitte am Riemen."

„Rück schon raus! Was ist so wichtig?", knurrte ich zurück.

„Ich beobachte es schon seit einiger Zeit. Es sind ungewöhnlich viele Dämonen in die Menschenwelt gelangt. Menschen sterben und das hat die ersten Hexer aufs Spielfeld gerufen. Ich habe mit Toshinori, dem Hexenmeister des Lichtclans gesprochen. Ein Tor zur Hölle hat sich unbemerkt einen Spalt geöffnet. Schuld daran ist der Fluch, der euch verbindet. Seine Magie ist wie ein Leuchtfeuer für Dämonen und sie drängen mit aller Macht hervor. Toshinoris Hexenzirkel wird versuchen, den Spalt zu versiegeln. Aber so wie es aussieht, sind ein paar üble Dämonen entkommen und so lange der Fluch nicht gebrochen ist, werden immer mehr versuchen in die Menschenwelt zu gelangen. Ihr müsst vor allem Nomu finden und vernichten. Sie ist ein Menschenfresser. Sonst wären die Straßen im Nu von Blut überschwemmt und zudem kann sie mit ihrer dunklen Magie die nächste Eiszeit über die Menschen bringen."

Als Izuku ging, lag eisernes Schweigen in der Luft. Das hatte gerade noch gefehlt. Was nun? Wir waren irgendwie schuld an dem Dämonen-Chaos. Scheiße! Ich hatte den Fluch für dunkle Magie gehalten. Scheinbar war er das nicht, wenn von ihm so ein seltsames Leuchten ausging, das die Schattenwesen anzog.

Die Atmosphäre im Raum war sprunghaft aufgeladen. Ich sah zu Todoroki und erstarrte. Seine Aura leuchtete gefährlich auf und seine Präsenz flutete den Raum, als hätte er einen Schalter umgelegt. Die Raumtemperatur sank um mehrere Grade. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Das erste Mal sah er mich heute richtig an. Auf einmal hatte ich das Gefühl, in seinen Augen zu ertrinken. Sie schienen mir den Atem zu rauben und ich schnappte nach Luft. Ich war unfähig, mich zu bewegen. Hatte er mich verhext? Alles um mich herum schien in weißem Rauschen zu versinken. Ich sah nur noch seine Augen. Hätte Shoto mich jetzt gewollt, ich hätte mich ihm hingegeben. Mich von ihm nehmen lassen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Ohne Gegenwehr. Er trat auf mich zu und legte seine Hand in meinen Schritt. Ich keuchte, war aber immer noch nicht in der Lage mich zu bewegen. Konnte noch nicht mal zwinkern. Das einzige was sich bewegte war mein Penis, der sich ihm keck wie ein Speer entgegenstellte. Er schob seine Hand in meine Sporthose und griff danach. Scheiße, was war hier los?

„Glaub ja nicht, du hättest es mit einem dummen Kind zu tun, Vampir. Wenn du denkst, dass du mich noch einmal so behandeln kannst wie gestern, dann wundere dich nicht, wenn ich mir einfach das nehme was ich begehre." Seine Stimme war kälter als Eis. Er ließ mich los und drehte sich um. „Ich warte draußen."

Selbst meine Gänsehaut hatte eine Gänsehaut bekommen. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, löste sich der Bann. Meine Knie gaben nach und ich sackte zu Boden. Zwei Dinge waren sicher, gebrochen hatte ich ihn nicht. Er hatte es vor dem Elf nicht zeigen wollen, aber Icy-Hot war sauer. Und vermutlich zu Recht. Aber mir zu drohen ... Das erste Mal begriff ich es. Ich war weder ängstlich noch zerbrechlich, aber dennoch war er derjenige, der die Macht besaß mich letztendlich völlig zu zerstören. Es war schwer für mich, etwas zu akzeptieren, was man weder anerkennen kann, noch will.

Ich zog meine Lederhosen und den Ledermantel an. Waffen hatte ich keine. Silberne und versilberte Waffen konnten Dämonen zwar vernichten, aber einen Vampir nun mal auch.

Die Nacht war unerwartet kühl und regnerisch. Wir marschierten schweigend nebeneinander her. Jeder in seine Gedanken vertieft. All diese Toten, die es in den letzten Wochen gegeben hatte, gingen irgendwie auf unsere Kappe. Wir waren schuld, dass immer mehr dieser menschenverschlingenden Kreaturen im Diesseits wandelten. Auch wenn wir uns das nicht ausgesucht hatten. Wenn wir das nicht in den Griff bekamen, würde es bald von Hexern und anderen Dämonenjägern hier nur so wimmeln. Keine guten Aussichten für einen Vampir.

Ich warf einen Seitenblick auf Icy-Hot. Das was mit uns hier passierte, ging an keinem von uns spurlos vorbei. Aber wenn er dachte, ich würde mit ihm Spielchen spielen, dann lag er falsch. Ich kannte noch nicht mal die scheiß Spielregeln dieses perfiden Fluchs. Ich wusste schon lange nicht mehr, was richtig und was falsch war. Was echt und was unecht. Dass ein frivoler Elf einen einfachgestrickten Blick auf solche Dinge hatte, wunderte mich nicht wirklich. Wahrscheinlich hätte ich den auch, würde der Fluch nicht auf mir lasten. Doch da waren die zwei Stimmen in meinem Kopf. Die eine, die diesen wunderschönen Mann zutiefst begehrt, ihn lieben und verdammt noch mal ficken wollte, und die andere Stimme. Lauter und durchdringender. Die ihn einfach nur beschützen wollte. Vor diesem Fluch und vor mir selbst.

Jegliches Geräusch verstummte. Die Nacht wurde dunkler und es wurde eisigkalt. Das zweite was ich wahrnahm, war ein fauliger Gestank, nach Schwefel und Tod, der sich in den Nebenhöhlen einnistete und einem den Magen umdrehte. Todorokis Körperhaltung änderte sich schlagartig. Er zog mich in den Schatten des Gebäudes. Dorthin wo das Licht der Straßenlaterne uns nicht erreichte und uns mit der Nacht verschmelzen ließ. Meine Zähne fuhren reflexartig aus. Eine gräuliche Gestalt kam auf uns zu. Weiße, lidlose Augen, leuchteten vor Fressgier. Ein gut drei Meter großes Unding. Speichel triefte zwischen den langen, spitzen Zähnen hervor. Dort wo man Haare vermutet hätte, wuchsen seltsam glibberige Tentakeln. Ihre Pranken waren gewaltig und die Klauen messerscharf. Sie neigte sich nach vorne. Schnüffelte wie ein Hund. Ein Schwanz peitschte wild hin und her. Ihr Körper war mit einer Drachenhaut gepanzert. Die Aura so eisgrau wie ihr Körper. Das war sie, die Menschenfresserin Nomu. Ich warf Icy-Hot einen Blick zu. Er nickte kurz. Mit einem riesen Satz katapultierte ich mich in die Luft und ließ mein Quirk auf Sie herabdonnern. Die Explosion, die aus meinen Händen hervorbrach, schleuderte sie an die Hauswand. Wurfmesser, die an mir vorbeizischten, nagelten sie fest. Ihr gellender Schrei riss an meinen empfindlichen Trommelfellen. Ließ mich wie betrunken rückwärts taumeln. Sie zog sich die Messer aus dem Leib. Ich kämpfte noch mit dem Schwindel, als Ihr Schwanz mich traf und mir die Luft aus den Lungen presste. Ein paar Rippen knackten. Ich knallte auf den Rücken und schlitterte über den Boden. Ohne meinen Mantel hätte es mir die Haut von den Knochen gerissen. Blitzschnell sprang ich wieder auf die Füße. Icy-Hot preschte hervor. Stellte sich in Abwehrhaltung vor die Winter-Dämonin und hielt sie mit seinen Flammen in Schach. Mit einem Eisnebel drängte sie das Feuer zurück. Gleichzeitig schleuderte sie Dolche aus Eis auf ihn. Sie durchdrangen die Flammen und verletzten ihn an Arm, sodass er den Feuerangriff unterbrechen musste. Dieses Dreckstück.

„Bring dich in Sicherheit!", brüllte ich.

Stinksauer stürzte ich mich erneut auf sie. Meine Explosionen stießen sie von Neuem zurück. Konnten ihr aber nicht viel anhaben. Ihr wuchsen ein weiteres Armpaar aus Eis, mit gewaltigen Speeren bewehrt. Mit gebleckten Zähnen stürze sie sich abermals auf mich. In diesem Moment erfasste mich eine Art Eisexplosion, schleuderte mich zurück und hüllte mich fast gänzlich in einen Eis-Sarkophag. Paralysierte mich. Scheiße, das war übel. Augenblicklich drang mir die brennende Kälte schmerzend in die Glieder. Mein Sichtfeld schrumpfte und dunkle Flecken tanzten vor den Augen. Vergeblich versuchte ich, meine Fähigkeit zu benutzen. Sie rannte auf mich zu, um mir den Rest zu geben. Am Rande des Bewusstseins sah ich einen schwarzen Schatten durch die Luft segeln. Verdammt! Konnte dieser Trottel nicht ein einziges Mal auf mich hören? Mit gezogenen Samuraischwertern stürzte sich der Heiß-Kalt-Bastard auf sie. Wich ihrer Attacke akrobatisch aus und spaltete das Monster der Länge nach auf. Auf der Stelle löste sich die Dämonin in stinkenden Nebel auf. Wir hatten es geschafft. Er hatte es geschafft. Ich schloss die Augen. Konnte mich nur noch dem tödlichen Frost ergeben, doch unvermittelt spürte ich eine wärmende Hand an meiner Wange, die die Kälte zurückdrängte. In wenigen Minuten hatte er mich aus dem Eis befreit. Nur mein Vampirkörper hatte mich vor dem sofortigen Erfrieren bewahrt. Er drückt mich so fest an seinen behaglich warmen Leib, dass meine Wirbelsäule knackte. Der metallische, süßliche Geruch seines Blutes blieb mir in der Nase hängen.

Ich strich ihm über sein Haar. „Mir geht es gut. Danke. Du kannst mich wieder loslassen. Lass mich deine Wunden verbinden."

Er legte seine Hand an meine Wange und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, als wäre es das Selbstverständlichste. „Nicht nötig, sind nur ein paar Kratzer." Er stand auf und half mir auf die Beine. „Das war ein voller Erfolg."

„Ja, wir hatten scheiß viel Glück!", knurrte ich. „Wieso zur Hölle, hast du dich nicht in Sicherheit gebracht?", fauchte ich, obwohl ich die Antwort kannte.

Im Tode vereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt