Kapitel 15

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Als ich zurück war, hastete ich so unauffällig wie nur möglich in mein Zimmer. Micheal saß unten auf der Couch und der Aufzug schloss sich nur wenige Sekunden nach meinem Eintreffen. Ich murmelte ein flüchtiges guten Morgen und wandte mich so gut es ging von ihm ab. In meinem Zimmer angelangt brach es aus mir heraus.

Ich presste eine Hand auf meinen Mund, um das Schluchzen, das daraus hervorkam, zu ersticken.

Niemand sollte etwas mitbekommen. Sie sollten nicht ihm die Schuld geben, denn es war allein meine.

Ich hätte ihn nicht bedrängen sollen. Ich hatte ihn gezwungen so zu handeln.

Ich wischte mir energisch die Tränen vom Gesicht und ließ meine Stirn gegen die Wand sinken. Er besuchte dort seinen Vater... ich hätte einfach gehen sollen. Ich hätte ihn ernst nehmen sollen.

Sein Leben war schon schwer und belastend genug, ohne dass ich daherkam und ihn auf die Probe stellte.

Ich rieb über meinen Hals, der noch etwas brannte.

Schniefend schlürfte ich zum Spiegel im Bad. Sein fester Griff hatte rote Spuren hinterlassen. Morgen würde sich das rot womöglich schon in blau grün oder lila verwandelt haben.

Ich kramte einen alten Schal aus meinem, noch immer nicht vollständig ausgepackten, Koffer und legte ihn mir um. Ich wusch mein Gesicht und kämmte mir so energisch das Haar, dass ich mir einige ausriss. Ich ignorierte den Schmerz. Ich fühlte mich so schuldig und dumm.

Ich atmete tief durch und ging nach einer Weile wieder runter. Nun waren wieder alle drei im Wohnzimmer. Micheal hatte natürlich sofort gemerkt das etwas nicht stimmte.

Seine Gabe verriet mich, doch er fragte nicht nach. Er wusste, dass ich nicht drauf angesprochen werden wollte. Marissa nahm mich, nachdem wir ein wenig zusammengesessen und geredet hatten an die Hand und beschloss, mir das Schloss etwas genauer zu zeigen.

Wir verließen unseren abgekapselten Turm und sie zeigte mir große Säle und Räume überall im Schloss, die nun häufig für Schulbälle oder Bekanntmachungen genutzt wurden.

Sie zeigte mir das Verließ, in dessen Zellen die gebissenen Wölfe bei Vollmond untergebracht wurden. Unter ihnen Daniel.

Wir schlenderten durch die Gänge des Schlosses. Nur wenige Schüler waren hier außerhalb der Schulzeit unterwegs. Die meisten lungerten draußen, oder im Keller, in dem es einen großen Aufenthaltsraum gab, mit Billardtischen, Konsolen und hunderten von Spielen jeder Art.

Als Marissa mir diese Räume zeigte, hoben sich die Köpfe und die Schüler sahen uns eigenartig an... irgendwie- missbilligend. Als wollten sie sagen: haut ja ab!

Was wir letztendlich dann auch, mit einem Augenrollen von Marissa, ziemlich schnell taten.

Die Bibliothek hatte mich von allen Sehenswürdigkeiten am meisten begeistert. Als ich sie betrat, kam ich mir vor wie Belle, die das erste Mal die Bibliothek des Biestes sah.

Sie war so hoch und so riesig, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um wirklich alles zu sehen. Die Regale waren aus dunklem Holz und hier und da verteilt, standen ein paar gemütliche Ledersessel und dunkle Tische. Es huschten ein paar kleine Menschen... oder andere Wesen, zwischen den Regalen hindurch und sortierten massenhaft Bücher wieder neu ein. Ohne sie zu berühren! Langsam schwebten die Bücher an ihren Platz.

Mit offenem Mund betrachtete ich sie. Einer der Bibliothekare schmunzelte über meinen Anblick und machte sich dann eilig wieder an die Arbeit. Ich war völlig hinweg und hätte mich am liebsten auf ein Buch nach dem anderen gestürzt, doch Marissa packte mich schnell am Arm und zog mich lachend weiter.

Fear Gorta - Das Lied der Schatten (Neu!)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt