Kapitel 22

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Ich brauchte Zeit zum Überlegen. Ich brauchte Zeit um eine Entscheidungen zu fassen. Ich brauchte Zeit um erstmal das zu Verarbeiten, was in den letzten Momenten passiert ist.

Es war recht am Abend, als ich wieder kam. Der Schulhof war wie leer gefegt und die meisten müssten entweder noch Essen oder schon in ihren Zimmern sein. Ich dachte nicht, dass jemand auf mich wartete, aber als ich die Tür zum Internat aufmachte, fiel mein Blick auf Caleb und Olivia die auf der Treppe saßen. Daneben auf der Bank saß Miss Kingston, die mich direkt ansah, als ich hinein kam.

Ich konnte in Olivias Gesicht die Erleichterung sehen. Calebs Blick konnte ich nicht deuten. Mich wunderte es sowieso warum er zusammen mit Olivia und seiner Mom wartete. Immerhin müsste er total sauer auf mich sein.

Olivia war die erste die eine Reaktion zeigte. Sie stand von der Treppenstufe auf uns nahm mich in ihren Arm. Ich wollte in ihrer Anwesenheit nicht weinen, aber als sie mir beruhigend über ihren Rücken strich, sammelten sich einige Tränen in meinen Augen.

Ich legte mein Kopf auf ihrer Schulter ab und schloss meine Augen. Ich brauchte eine Umarmung. Ich brauchte ihre Umarmung.

"Ihr müsst stolz auf mich sein, ich hatte keine Ahnung wo ich war und hab wieder hier her gefunden.", sagte ich und lachte unter Tränen mit Caleb und Olivia. Miss Kingston schenkte mir nur ein einfaches Lächeln.

"Ihr beide solltet essen gehen. Ich kümmere mich um Louisa.", sagte Miss Kingston und schaute zu Caleb und Olivia. Die beiden nickten ihr zu und Olivia strich mir nochmal über meine Schulter, bevor sie Caleb nach lief. Mein Blick landete auf Miss Kingston.

"Komm mit."

*

Mein Vater hatte recht. Miss Kingston behandelte mich wie eine total andere Person. Wir fanden uns nicht in ihren Büro wieder, sondern in ihren Zimmer, in dem eine Couch stand. Sie hatte es sogar noch besser als Caleb, obwohl dieser schon ein recht großes Zimmer hatte.

"Ich gehe davon aus, dass dein Vater schon mit dir geredet hat.", fing sie an und drückte mir eine Teetasse in die Hand. Ich bedankte mich kurz bei ihr und nickte ihr schüchtern zu.

"Ich will dir sagen, dass ich dir nie das Gefühl geben wollte, dass ich gegen dich bin. Ich bin es nicht. Ich gebe zu, dass ich nicht so hart zu dir hätte sein sollen, aber-"

"Schon gut.", unterbrach ich sie. Ich verstand es. Die Worte meines Vaters hatten mir die Augen geöffnet. Sie hatte keine andere Wahl und ganz tief im Inneren wusste ich, dass sie nicht so sein mag. Meine Mom wäre unmöglich mit ihr befreundet gewesen.

"Ist es hier passiert? Mit meiner Mom?", fragte ich sie und brachte sie zum lächeln. Sie nickte mir leicht zu und setzte sich etwas lässiger hin.
"Mein Vater gehörte das Internat. Als Tochter des Direktors war ich nicht wirklich beliebt, aber deine Mom war das egal. Ich kann mich sogar noch an den genauen Moment errinern: es war beim essen und ich wollte nicht mit ihm essen, da ich es zu peinlich fand. Deine Mom war die einzige die neben mir essen wollte. Seitdem Moment waren wir unzertrennlich.", sagte sie und hatte einige Tränen in den Augen.

Der Tod meiner Mom musste nicht nur für mich schwer sein. Jeder einzelne trauerte auf seine eigene Art und für Miss Kingston musste es genauso schwer gewesen sein einer ihrer ersten Freundinnen zu verlieren.

"Sie wäre stolz auf dich.", fing sie an und schaute mich mit ihren tränenreichen Augen an. Ich konnte mir genauso wenig verkneifen zu weinen. Ich musste immer weinen, wenn jemand meine Mom in meiner Gegenwart erwähnte. Vorallem, wenn es darum geht wie stolz sie wäre.

"Sie wäre stolz was aus dir geworden ist. Eine unabhängige, selbstbewusste und wundervolle junge Frau. Ich kann mir dennoch vorstellen, dass sie mit deiner frechen Art oft die nerven verloren hätte.", sagte Miss Kingston und brachte uns durch ihren letzten Satz zum lachen. Ich konnte es mir genauso gut vorstellen.

"Es tut mir echt leid, wenn ich für Probleme gesorgt habe. Es war vielleicht am Anfang meine Intention, aber sie ist es schon lange nicht mehr. Außerdem kann man es mir mit Clarissa nicht verübeln. Sie hat diesen Schlag schon längst verdient.", sagte ich und schaute in das leicht lächelnde Gesicht von Miss Kingston.

"Ich darf dir mit deiner letzten Aussage nicht zustimmen, aber du warst nicht so schlimm wie du denkst.", sagte sie und brachte mich zum lächeln.

Es war angenehm mit Miss Kingston normal zu reden ohne Angst zu haben, dass sie mir gleich an den Hals springt.

"Das mit Caleb war keine einmalige Sache.", fing ich an und verwirrte sie etwas. Ich hatte meine Entscheidung schon längst getroffen. Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Ich stellte die Tasse auf den Tisch und redete zu Ende.

"Das erste Mal habe ich Caleb geküsst um von der Schule zu fliegen. Wie man sieht hat es nicht wirklich geklappt. Das Schulprojekt war auch gelogen. Wir waren zusammen auf einer Party und haben da etwas viel getrunken. Er hat mir das mit seinem Vater erzählt und meine Emotionen waren einfach am durchdrehen. Dort haben wir uns auch nochmal geküsst. Dabei blieb es aber nicht und das mit seinem Arm ist mit mir passiert. Caleb ist sowieso gerade sauer auf mich, also kann ich das ruhig alles erzählen.", machte ich eine kurze Pause und lachte.

Mir kam es nie so viel vor, aber wenn man darüber nach dachte, hatten wir echt viel gemacht.

"Clarissa hat es nur erzählt, weil sie uns zusammen bei ihm im Zimmer erwischt hat. Aber nicht auf die Art erwischt, Caleb und ich haben echt nicht miteinander geschlafen, was mich in Nachhinein echt wundert, immerhin waren wir nach der anderen Party echt angetrunken.", sagte ich und verwirrte mich selber etwas. Ich wollte gerade weiter reden, aber Miss Kingston schnitt mir ins Wort.

"Louisa.", sagte sie und lächelte mich etwas peinlich berührt an. Habe ich sie gerade in Verlegenheit gebracht?
"Es ist schön, dass du mir die Wahrheit sagen willst, aber Ich will es nicht wissen. Ich will euch noch etwas Privatsphäre geben und selbst, wenn es passiert wäre, seid ihr beide alt genug.", sagte sie und räusperte sich kurz bevor sie weiter redete.

"Deinen Geständnissen zu Folge kann ich mir denken, dass dir dein Vater die Entscheidung gelassen hat früher zu gehen. Was darf ich daraus lesen?"

The night we met ✓ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt