4| Ginnys Rat

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Bereits vor der ersten Unterrichtsstunde hatte Neville alleine die Gewächshäuser aufgesucht und wie erwartet einen kleinen Sprössling der Teufelsschlinge zwischen alten Blumentöpfen mit Alraunen vorgefunden. Um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen, hatte er die Pflanze in seinem Schlafsaal, gleich neben seiner Mimbulus mimbeltonia, verstaut.

Mithilfe der falschen Galleone benachrichtigte er Ginny, er könne ihr die Pflanze kurz vor dem Mittagessen bringen. Es dauerte nicht lange, bis er eine Antwort bekam:
Ginny war beinahe fertig mit dem Trunk, so dass sie schon in der heutigen Nacht zuschlagen konnten! In derselben Minute breitete sich die Nachricht auch bei den restlichen DA-Mitgliedern aus.

Neville brannte schon vor Vorfreude und Aufregung, er konnte es gar nicht erwarten, Snape und die Carrows wenigstens ein wenig zu ärgern. Die nächsten Minuten verbrachte er damit, sich ihre Reaktionen auszumalen. Würden sie einen Wutanfall bekommen? Schreien, wüten, verzweifelt sein und nicht genau wissen, wen sie dafür bestrafen sollten? Wie er diese Vorstellung genoss! Neville fühlte sich, als könnte er Bäume herausreißen.
Mit dieser Motivation machte er sich auf den Weg zu seiner ersten Unterrichtsstunde.

Nachdem er den ermüdenden Vormittag überstanden hatte, ging Neville, statt zum Mittagessen, zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors, wo er direkt auf Ginny traf. Es herrschte eine ruhige Atmosphäre, die durch die heimelige Einrichtung und den ebenfalls müden Leuten in den Gemälden unterstützt wurde. Ginny saß in einem der roten Sessel vor dem Kamin und stand auf, als er reinkam. Da sich der Rest der Gryffindors vermutlich beim Mittagessen befand, waren die beiden alleine in dem goldroten, gemütlichen Raum.

„Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr", begrüßte sie ihn lachend.
„Schneller konnte ich leider nicht kommen. Warte, ich hole eben den Sprössling", antwortete Neville und ging die Treppe herauf in den Schlafsaal der Jungen.
Wie am Morgen befand sich der Sprössling auf Nevilles Nachttisch, gleich neben seiner Mimbulus mimbeltonia. Behutsam nahm er die kleine Pflanze auf den Arm, als er ein rasselndes Keuchen hörte.

Neville drehte sich um und sah Trevor, seine Kröte, der auf Nevilles Bett saß und ein heiseres Geräusch von sich gab. Vermutlich hatte er sich wieder erkältet. Neville seufzte leise und hob seine alte Kröte mit der freien Hand zurück in sein Nest, welches sich in Nevilles Schublade befand. Er würde sich später darum kümmern müssen, aber noch schien es Trevor ja nicht allzu schlimm zu gehen. So ging er wieder hinunter in den Gemeinschaftsraum und übergab Ginny die kleine Teufelsschlinge.

„Was ist da eigentlich zwischen dir und Luna?"
„Wa - Was?", stotterte Neville völlig überrumpelt - Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.
„Also bitte, das ist doch offensichtlich", meinte Ginny leichthin und sah ihn schräg an.
„Ginny, ich- wir sind befreundet! Das weißt du doch. Wir beide, wir kennen uns seit-", versuchte sich Neville zu verteidigen, als er von Ginny unterbrochen wurde.

„Schon klar, sicher. Deswegen siehst du sie auch an, als wäre sie der einzige Stern am Himmel, wohingegen sie dir nicht mal in die Augen sehen kann, ohne zu grinsen!"
„D- Das stimmt doch gar nicht- Warte was? Echt?"
Ginny schüttelte den Kopf.

„Sag ich doch. Und du kannst nicht von ihr reden, ohne zu stottern"
„Was, nein, das ist doch nicht wahr"
Ginny zog besserwisserisch die Augenbrauen hoch.
„Ja... Nagut. Aber das hat nichts zu bedeuten. Ich meine, könnte sie mich wirklich, du weißt schon..."
„Neville, glaubˋ mir, ihr gehört zusammen.", sagte sie bestimmt.

In Neville tobten verschiedene Gefühle, Ginnys Meinung hatte wilde Hoffnungen und Sehnsüchte geweckt, so dass er am liebsten gleich zu Luna gelaufen wäre. Doch gleichzeitig fühlte er sich nach wie vor unsicher und nicht viel besser als damals in der ersten Klasse. Gedankenverloren ließ er sich auf den anderen Sessel neben Ginny fallen und starrte schweigend in den Kamin, wo noch die Glut von dem letzten Feuer glühte.

Sie hatte schon Recht, zumindest was ihn anging. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als bei Luna zu sein, sie an der Hand zu halten und nie wieder loszulassen. Ob er sie liebte, traute er sich nicht selbst zu sagen, doch er konnte nicht leugnen, wie sehr seine Seele nach diesem Mädchen verlangte. Er war verrückt nach ihr. Doch konnte er sich ihr wirklich öffnen?

Neville war noch nie verliebt gewesen und hatte noch nie mit jemandem über seine tiefsten Gefühle gesprochen. Er fürchtete sich vor einer Zurückweisung - Wenn er für sie doch nur ein Freund war? Würde er sie dann ganz verlieren? Sie brauchten doch einander, gerade in dieser Zeit. Sollte er dieses Wagnis eingehen?
Andererseits hatte seine Freundin was Beziehungen anging viel mehr Erfahrung als er.

Seufzend stand Ginny aus dem Sessel auf und weckte ihn so aus seinen Gedanken.
„Ich hab jetzt leider keine Zeit mehr, wenn die Farbe bis heute Abend fertig sein soll. Falls du Luna siehst, sag ihr, dass ich beschäftigt bin", bat Ginny ihn.

„Warte kurz", bat Neville sie. Ginny hob fragend die Augenbraue.
„Nur weil, naja... Wegen Harry. Von uns allen musst du ihn am meisten vermissen"
Neville war aufgefallen, dass seine Freundin in letzter Zeit etwas niedergeschlagen wirkte. Tatsächlich huschte in diesem Moment ein Ausdruck von Schmerz über ihr Gesicht, bevor sich ihre Mine wieder versteifte.

„Das geht in Ordnung. Mach dir keine Sorgen es - bringt eh nichts. Konzentrier dich lieber auf das, was wir vorhaben. Und auf Luna", den letzten Satz brachte sie gerade noch so mit einem Lächeln heraus. Neville bemerkte, dass sie anscheinend nicht reden wollte. Und das verstand er.
Wenn der Gryffindor ehrlich war, zählte er selbst nicht zu den extrovertierten Typen.

„Alles klar", meinte Neville, „Wir treffen uns dann heute Nacht alle vor der Bibliothek, oder?"
„Ja, dort werden wir uns allerdings in Gruppen aufteilen", erklärte Ginny. „So sind wir schneller und können mehrere Plätze gleichzeitig bemalen."

„Gute Idee, außerdem ist das Risiko, dass wir erwischt werden, geringer", fügte Neville hinzu.
„Du sagst es. Also dann, halte dich bis heute Abend bedeckt, wir treffen uns dann."
Mit diesen Worten ging Ginny mit dem Sprössling in der Hand hinaus. Neville hingegen blieb noch eine Weile sitzen. Zwar hätte er sich jetzt auf den Weg zur Großen Halle machen sollen, doch er hatte ohnehin kaum Appetit. So starrte er weiterhin auf die sanft leuchtende, alte Glut im Kamin und ließ seine Gedanken um Ginnys Worte kreisen, um Luna.

Irgendwann wurde er jedoch müde vom stillen Sitzen und rappelte sich mühsam hoch.
Neville wusste nicht genau, wieviel Zeit vergangen war, das Mittagessen aber mit Sicherheit schon vorbei war, also beschloss er, hinunter zu gehen. Vielleicht traf er dort noch Seamus oder vielleicht Luna. Luna... Konnte er es schaffen, offen mit ihr zu reden?

Und somit endet dieser Teil der Geschichte. Was glaubt ihr denn?

Hat Ginny mit ihren Vermutungen über Lunas Gefühle Recht?

Offenbart Neville ihr endlich seine Gefühle?

Dieses Kapitel ist etwas kürzer geworden als die anderen, dafür werde ich wahrscheinlich noch diese Woche ein weiteres veröffentlichen. Ich hoffe, es hat euch gefallen, schreibt wie immer gerne, wenn ihr Tipps habt oder Dinge, die euch so auffallen.

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