6| Amycus Carrow

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•„Du bist etwas Besonderes für mich. Eine Freundin, aber auch... Ich frage mich ob wir beide eines Tages-"
„Longbottom!"
Aufgeschreckt fuhren Neville und Luna auseinander und drehten sich um. Alle positiven Gefühle verschwanden augenblicklich und machten der alten, blanken Kälte in Neville Platz, als er sah, wer sie gerade unterbrochen hatte.•

Neville erstarrte beim Anblick der kalten, leichenblassen Augen von Amycus Carrow, Bruder von Alecto Carrow, Todesser wie sie und Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Er war ein hagerer Mann mittleren Alters, hatte dasselbe kalte und boshafte Wesen wie seine Schwester und starrte in diesem Moment gebieterisch auf Neville und Luna.

„Professor?", fragte Neville verkrampft. Was wollte Amycus?
„Ich habe Sie heute vermisst", meinte Amycus, auch wenn Neville fand, dass er mit seinem grausamen Blick gar nicht danach aussah.
„Tatsächlich?", fragte Neville kühl. „Und wieso haben Sie mich vermisst, Sir?"
Amycusˋ Blick verdunkelte sich vor Wut.
„Mir war, als hätten Sie Nachsitzen gehabt", zischte er eindringlich.

Nun war Neville verunsichert - Alecto hatte ihm zwar gesagt, er müsse nachsitzen, doch er konnte sich beim besten Willen nicht dran erinnern, dass sie ihm etwas genaueres gesagt hätte. Zwar war Neville bereits davon ausgegangen, seine Strafe würde wie üblich darin bestehen würde, als Versuchskaninchen für die anderen Schülerinnen und Schüler, die gezwungen wurden, den Cruciatusfluch zu erlernen, herzuhalten, doch bis jetzt war es nicht zu einer Unterrichtsstunde gekommen.

Auch Luna schien verwirrt und beobachtete das Schauspiel skeptisch vom Geländer aus.
Er beschloss zu versuchen, den ohnehin schon aggressiven Todesser nicht unnötig zu provozieren und sagte ruhig und ehrlich: „Nicht, dass ich wüsste. Ich meine - Verzeihung, aber werde ich nicht in Verteidigung gegen die dunklen Kü-"
Amycus unterbrach ihn mit einem wütenden Schnauben.

„Sie sind kein Erstklässler mehr. Es gibt da eine neue Art, Blutsverräter wie Sie wirkungsvoll zu bestrafen. Eben deswegen habe ich persönlich noch gestern eine Nachricht in Ihren Schlafsaal bringen lassen."
Für einen Augenblick dachte Neville verwirrt nach, ob er einen Zettel oder so gesehen hatte, doch er wusste von nichts. Diese angebliche neue Art von Bestrafung war ihm ebenfalls fremd. Er warf Luna einen ratlosen Blick zu, welchen sie mit ihren sturmgrauen Augen erwiderte. Schließlich wandte er sich wieder Amycus zu und reckte trotzig sein Kinn.

„Davon hatte ich keine Ahnung. Ich habe keine Nachricht erhalten und wusste von nichts", sagte Neville wahrheitsgemäß. Amycus zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen, so dass Neville schon davon ausging, er würde ihm nicht glauben. Er beobachtete den Todesser angespannt, als dieser spottend den Kopf schüttelte.

„Und Sie denken, nur weil Sie das so sagen, glaube ich das?"
„Wieso sollte ich lügen!?", rief Neville laut und aufgebracht. Dies schien Amycus nur noch wütender zu machen, er richtete drohend seinen dünnen Finger auf ihn.
„Weil ich genau weiß, was Sie sind! Ein dreckiger, kleiner Blutsverräter, genau wie Ihre Eltern!", schrie Amycus.

Diese Worte regten etwas tief verwurzeltes in Neville. Nun ging alles viel schneller. Augenblicklich schien er vor Wut in Flammen zu stehen, er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und handelte instinktiv.
„Wie können Sie es wagen!", schrie er zornig.

So bohrte sich keine Sekunde später die Spitze seines Zauberstabes in den schwarzen Stoff von Amycusˋ Kleidung, direkt über seinem Herzen.
Die Worte des Fluches lagen ihm schon auf der Zunge, während er zornig in die kalten, fassungslosen Augen Amycusˋ blickte.

Neville wusste tief im Inneren, dass sein Handeln dumm war und nur noch größere Schwierigkeiten mit sich bringen würde, doch das war ihm egal. Alles war egal. Er vergaß den vernünftigen Gedanken, die respektlosen Worte des Todessers über seine Eltern durften nicht ungestraft bleiben! Ein fetter Kloß brannte in seinem Hals, als er stockend Luft holte, um schließlich den Fluch zu sprechen, bevor der immer noch total überforderte Amycus reagieren konnte...

Da spürte Neville auf einmal eine warme, zarte Berührung an seiner Schulter. Sie passte gar nicht zu dem Sturm, der in ihm tobte. Ein wohliges Kribbeln breitete sich ohne Vorwarnung in seinem Körper aus, was ihn zugleich beruhigten verwirrte. Er fuhr mit dem Kopf herum und wurde von Lunas eindringlichem Blick in den Bann gezogen. Er wusste, was sie dachte. Die Erkenntnis traf ihn wie der Blitz, ihr kümmernder Blick und die bestimmte Berührung ihrer Hand legten einen Schalter in ihm um.

Es war nicht egal.
Er durfte das nicht tun. Um seinetwillen, um ihretwillen.
Die Worte des Todessers taten weh, doch angesichts des Krieges waren sie bedeutungslos.
Er würde seine Rache bekommen - Eines Tages.
Neville seufzte und schloss kurz die Augen, dann senkte er seinen Zauberstab.

Währenddessen sah Amycus ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
„Longbottom, was war das?", fragte er fordernd und zog auch seinen Zauberstab hervor.
Neville nahm all seine Selbstbeherrschung zusammen, die er hatte und antwortete gepresst:
„Verzeihung, Professor. Das war - Nichts. Kann ich vielleicht-" Er schluckte kurz.
„Kann ich die Strafe nicht wann anders nachholen?"

Luna drückte sanft Nevilles Schulter, dann nahm sie die Hand wieder runter. Irgendwie bedauerte Neville den Verlust des warmen Gewichts ihrer Hand, konzentrierte sich dann jedoch wieder auf Amycus. Dieser schien nachzudenken.

„Kommen Sie heute Abend um elf zu mir, ich werde mir schon noch was einfallen lassen", brummte Amycus schließlich.
„Ja, Sir", versprach Neville sofort, ohne groß drüber nachzudenken.
„Und jetzt machen Sie schon, dass Sie verschwinden", sagte er wieder bissig, nur um Neville und Luna im selben Moment den Rücken zuzudrehen und missgelaunt davonzustapfen.

„Das ist wohl gerade noch mal gut gegangen", meinte Neville etwas verlegen zu Luna. Diese sah ihn jedoch nur mit großen Augen an.
„Wirst du dann heute Nacht nicht mitkommen?", fragte sie staunend.
Neville sah sie kurz verwirrt an, dann fiel es ihm wie Schuppen vor den Augen: An die DA hatte er gar nicht gedacht! Konnte er das denn schaffen?

„Oh man, das hab ich ja total vergessen!"
Luna starrte Neville stumm an, so dass es ihm fast schon unangenehm wurde, da drehte sie sich um und hob die Ausgabe des Klitterers hoch, die sie hinter sich gelegt hatte. Im Nachhinein hatte sie Glück gehabt, dass Amycus die Zeitschrift nicht entdeckt hatte. Schließlich sah sie Neville wieder an.

„Ich bin mir sicher, dass du das heute Abend schaffen wirst. Komm einfach später hinzu", meinte sie sorglos.
„Du hast Recht, das klappt schon irgendwie... Solange Amycus mich nicht den ganzen Abend foltern wird", sagte Neville nüchtern. Dann kratzte er sich verlegen am Hinterkopf... Sollte er noch etwas sagen? Eher er jedoch wieder in Aktion treten konnte, nahm Luna ihm diese Entscheidung ab.

„Fantastisch", meinte Luna fröhlich. „Ich gehe dann noch Ginny suchen, sie braucht noch Hilfe bei der Farbe. Bis später!"
„Bis später", murmelte Neville schon etwas abwesend. Luna ließ sich davon nicht irritieren und tapste die letzten Stufen runter, bis sie vergnügt in hüpfenden Schritten davonging.
Zurück ließ sie einen sich leicht neben der Spur befindenden Neville.

Ob Neville es heute Abend wirklich noch schafft, bei der DA zu sein?

Wird das Nachsitzen härter als gewohnt oder völlig anders, als erwartet?

Damit ist auch dieses Kapitel vorbei, ich hoffe natürlich wie immer, dass es euch gefallen hat. Schreibt gerne in die Kommis oder per PN, falls ihr Kritik habt, ansonsten freue ich mich über jede Rückmeldung!

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