Dienst am Freitag

310 8 0
                                    

Oliver kommt beschwingt und gut gelaunt in den Aufenthaltsraum und sieht Jessica mit Phil in der Sofaecke in einem ernsten Gespräch.
Phil blickt zu ihm rüber und sein Blick sagt ihm, er soll erstmal warten.
Am Liebsten würde Oliver gleich zu ihr gehen, sie umarmen und küssen, aber er versteht Phils Blick und holt sich einen Kaffee.

Ein paar Minuten später sieht er wie Jessy nickt, aufsteht und in die Küche kommt.
Er schnappt sich gleich eine zweite Tasse, blickt in ihre Richtung und fragt freundlich "Moin Jess, Kaffee?"
Sie stellt sich mit einem kleinen Abstand zu ihm und antwortet "gern, ohne alles bitte."
Ein Blick in ihre Augen und er weiß sofort, Phil hat mit ihr geredet.

Er kommt nicht mehr dazu mit ihr zu reden, da der erste Alarm durch die Wache schrillt und Jessy mit Mirko angefordert wird.
Sie verschwindet zu ihrem Einsatz und er sieht sie erst kurz vor Mittag mit Mirko wieder zurück kommen.

'Sie sieht fertig aus. Das war wohl ein schlimmer Einsatz. Ich versuche mal mit ihr zu sprechen, vielleicht taut sie dann auf' denkt er und geht in ihre Richtung.

'Mist Phil ist im Einsatz. Ich hätte ihn gern kurz gesprochen, der Einsatz war gerade zu heftig. Oh Oli kommt rüber. Vielleicht kann ich mit ihm reden, Versuch ist es wert, dann weiß ich ob ich ihm vertrauen kann' denkt Jessy und lässt sich in den Sessel fallen.

Leise fragt Oli "He, Jess, du siehst fertig aus. War der Einsatz so heftig? Kann ich irgendwas für dich tun?"
Sie schaut ihn an und antwortet "wenn du gerade Zeit und ein Ohr frei hast, das würde schon helfen."
Er setzt sich auf das Sofa und bemerkt, in ihren Augen ist Trauer zu erkennen.
Vorsichtig fragt er "was hattet ihr für einen Einsatz?"
Jessica sammelt sich kurz etwas und erzählt dann "Plötzlicher Kindstod, das Kind war gerade mal vier Monate alt. Die Frau hatte im Vorfeld schon zwei Fehlgeburten und der Mann hat Krebs. Also einmal richtig in die Scheiße gegriffen. Das war eben so ein Einsatz wo ich ungern hinfahre, aber das geht wohl jedem so und jeder geht da anders mit um."
Oliver nickt verständnisvoll und nimmt vorsichtig ihre Hand in seine, hofft sie belässt ihre Hand da und sagt leise "wie verarbeitest du solche Einsätze? Also, womit hilfst du dir dann?"
Sie schaut auf und antwortet "entweder indem ich darüber mit Phil spreche, mir meinen MP3-Player nehme, mit den Pferden raus oder spazieren gehe."
Oliver versteht sie nur zu gut und fragt "sollen wir uns denn draußen mal an die frische Luft setzen, hilft mir immer und dann nehm ich mir oft Franco mit raus und rede mit ihm. Der ist mein bester Kumpel."
In dem Moment platzt Björn rein und erklärt "wir wurden gerade in Alarmbereitschaft versetzt. Durch die Regenfälle der letzten Tage gibt es Überflutungen und in der Eifel öffnen die sämtliche Talsperren. Heißt, da kommen mehrere Wellen auf Köln zu und der Rheinpegel steigt. Jessy, dich brauch ich im Einsatzleitercontainer für Koordination und als leitende PSNV und NFS, Abfahrt in fünf Minuten."
Jessy atmet einmal tief durch, steht auf und erklärt "nutz ich die fünf Minuten noch um den Kaffee noch los zu werden und trink noch einen Kaffee."
Er grinst und fragt "soll ich dir einen mit nach unten nehmen?"
Sie schafft ein kleines Lächeln und antwortet "gern, schwarz bitte."
Damit verschwindet sie schnell im Flur zum WC und Oliver geht in die Küche.

Drei Minuten später ist sie in der Fahrzeughalle, Oli reicht ihr den Kaffee und Franco gesellt sich dazu.
Kurz vor Abfahrt rückt Phil mit Team ein, umarmt Jess und sagt leise "pass auf dich auf Kurze, falls wir unterschiedliche Einsatzorte haben kann ich dir nicht groß helfen."
Sie grinst und sagt "ich koordiniere laut Björn, also lässt sich was machen. Ansonsten pass du auch auf dich auf."
Franco erklärt noch "wir passen alle aufeinander auf und jetzt los!"
Björn kommt mit seinen Leuten und alle verteilen sich auf die Fahrzeuge.

Vor Ort die reinste Katastrophe, Wassermassen in den Straßen und viele evakuierte Menschen die Redebedarf haben.
Jessy rotiert nur noch und ist permanent entweder am Funk, in Gesprächen oder am Telefon.
Oliver merkt irgendwann, dass sie ziemlich durch ist, organisiert ihr einen Kaffee und eine Suppe.
Gerade als sie ihr Telefon aus der Hand legt stellt er beides vor sie hin und schimpft leise "he Jess, durchatmen nicht vergessen. Gib mir mal das Telefon und Franco das Funkgerät für die nächste viertel Stunde."
Sie schaut ihn einen Moment an und bemerkt, er macht sich wirklich Sorgen.

'Oliver ist tatsächlich besorgt um mich. Total feinfühlig und nett. Vielleicht ist er ja doch ganz okay' denkt sie.

'Jessy ist ganz schön im Stress. Die braucht mal dringend eine Pause, da hat Oli absolut recht' denkt Franco.

'Sie sieht so fertig aus. Ob ich sie einfach mal in den Arm nehmen darf ohne, dass sie gleich flüchtet? Ich frag am Besten vorher' denkt Oliver.

Irgendwann später sieht er sie draußen mit jemandem im Gespräch, kurz danach kommt sie zurück in den Container und sieht müde aus.
Vorsichtig berührt er ihren Arm, als sie an ihm vorbei muss, und fragt leise "geht es dir gut?"
Sie schaut ihn einen Moment an und erklärt leise "frag mich das nach Einsatzende nochmal. Im Moment versuche ich die gesamte Situation nicht zu nah an mich ran zu lassen."
Oliver schaut ihr sehr intensiv in die Augen, zieht sie behutsam an sich heran, legt die Arme um sie und flüstert "he, du bist trotzdem kein Roboter. Komm mal einen Moment runter. Durchgängig hart bleiben ist auch keine Lösung."

'Oliver hat recht. Im Grunde bin ich schon über meine Kraftreserven hinaus und diese Umarmung tut gerade unsagbar gut. An ihm geht das ja auch nicht spurlos vorbei"

Oliver spürt, wie ihre Anspannung etwas nachlässt und sie tatsächlich zögernd ihre Arme auch um ihn legt.

'Ist das ein schönes Gefühl dieses zierliche Wesen im Arm zu halten. Das tut gerade richtig gut. Ich würde sie sehr gerne nie mehr los lassen. Ach Jessy, ich liebe dich' denkt er.

Sachte haucht er ihr einen Kuss auf den Scheitel und drückt sie vorsichtig fester an sich, spürt wie sie sich tatsächlich zögernd anschmiegt und ist froh, dass sie nicht gleich wieder panisch flüchtet.
Ihr Telefon holt sie aus dieser kleinen Kuscheleinheit und sie nimmt den Anruf an.
Er hört noch ihr erschrecktes "oh scheiße, ja okay, dann evakuieren wir."
Sie dreht sich zum Pult und ruft alle Bereichsleiter zusammen.

Kurze Zeit später evakuieren sie die Notunterkunft und ein anderer Teil evakuiert das gesamte Equipment.
Oliver verliert Jessica aus den Augen und bekommt nur über Francos Funk mir, dass sie in Sicherheit ist, trotzdem macht er sich Sorgen und weiß er muss mit ihr reden.
Endlich können sich alle ein paar Stunden Schlaf gönnen und er schreibt sie an.

He Jessy, Süße, bist du save? Ich denk mal, am WE reiten wird nichts, oder? Seh ich dich trotzdem noch? Ich würde gerne mit dir reden. Diese Umarmung tat unsagbar gut und ich könnte sowas nochmal vertragen. Wo bist du? Ich brauche dich.

Einige Sekunden später vernimmt er ihre Stimme hinter sich als sie sagt "ich bin hier, hättest nicht schreiben brauchen. Habt ihr Feldbetten?"
Statt einer Antwort zieht er sie einfach ganz fest in seine Arme und flüstert "ich bin froh, dass du hier bist und ich nun weiß, dass du in Sicherheit bist."
Als sie dann zu ihm hoch schaut kann er nicht mehr anders, er überbrückt die kleine Distanz und küsst sie sehr zärtlich.
Im ersten Moment erstarrt Jessica und dann bleibt sie doch, lässt diesen Kuss zu und er spürt eine zögerliche, zurückhaltende Erwiederung.
Sofort vertieft er den Kuss und verstärkt seine Umarmumg.
Franco kommt vorbei und erklärt nüchtern "los, ich hab uns eine große Turnmatte zum Schlafen gesichert, da passen auch drei Leute drauf."
Zwei überraschte Gesichter blicken ihm hinterher und dann müssen beide lachen.
Oli nimmt ihre Hand und zieht sie mit sich hinter Franco her.
An der Matte grinst Oli, denn Franco schmeißt sich auf die rechte Außenseite und lässt den beiden genug Platz.
Oli lässt sich mittig nieder und zieht Jessy neben sich.
Mit sicherem Griff zieht er sie ganz nah und fest in seine Arme, legt die Decke über sie beide, küsst sie nochmal und beide schlafen endlich eng aneinander gekuschelt ein.

Wirbelwind ungezähmt  *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt