Ruhestörung und Blitzberühmtheit - 16. Kapitel

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Genervt lag ich auf meiner Matratze und starrte an die Decke. „AAAAAH MAAAAN!“, hörte ich es schon wieder über mir brüllen. „ALS OB, ALS OOOHOHOOOOOOOB! WARUM DENN!!!“ Langsam wurde es mir echt zu viel. Schon 10 Minuten ging das so. Die ganze Zeit brüllte dieser verkackte Nachbar über mir rum. Und ich wusste genau wer das war. „BOAAAAAH!!“, grölte er erneut. Das brachte das Fass zum überlaufen. Stinkwütend sprang ich auf, sprengte schon beinahe die Wohnungstür auf und raste in den Stock über uns, um an der anscheinenden Wohnung für Geistesgestörte sturm zuklingeln. „Was?!“, eine angepisste Hakennase stand mir gegenüber. „Lieber Herr Fricke.“, versuchte ich so falsch lächelnd wie möglich zu sagen. „Es ist nach meiner Uhr bereits verKACKTE 4 Uhr. Könnten Sie mir BITTE erklären, warum sie so verF*CKT laut herumbrüllen?“, kurz hatte ich die Beherrschung verloren, doch nach der Vollendung meiner Predigt lächelte ich wieder nett. Und freundlich. Nicht. 

„Ich nehme auf.“, kam es als schroffe Antwort von ihm. „Aha. Interessant. Und warum muss man da so rumbrüllen? Aggressionsprobleme?“ Ich lächelte provokant. „Ne. YouTubeMoney. Nettes Outfit, übrigens.“ Ich schaute an mir herunter. Musste ich mich eigentlich immer peinlich vor anderen Menschen präsentieren? Eine Schlafshorts, mit Hello Kitty- Druck, welche mir nur knapp bis zu der Mitte meiner Oberschenkel reichte und ein übergroßes Kraftklubshirt. Nicht das gleiche, welches ich bei der Begegnung mit Taddl anhatte, sondern diesmal ein Weißes. Ja ich besaß viele. Und alle in Übergröße. 

Nicht mal Schuhe hatte ich angezogen. Lief bei mir. Ich wurde rot. Aber nicht vor Scham sondern vor Wut. „Was fällt dir ein das Thema  auf einen absolut unrelevanten Aspekt zu wechseln, wenn ich dich gerade um was gebeten habe.“ „Pfff.“ Er zuckte mit den Schultern. „Deinetwegen musste ich meine Aufnahme unterbrechen.“ „Pech! Deinetwegen musste ich meinen SCHLAF unterbrechen. Und der ist weitaus wichtiger als deine beschissene Aufnahme!“ Langsam kam ich in Rage. Warum wir uns plötzlich duzten, kann ich mir bis heute nicht erklären. „Achja? Verdienst du mit deinem Schlaf dein Geld?“ „Unter anderem! Ich muss morgen früh raus, und ich BRAUCHE meinen Schlaf!“ „Ach einpaar Minuten wirst du doch wohl aushalten.“ Abfällig wendete er sich ab. „So lang wie wir hier diskutieren hätte ich schon längst meine Aufnahme beenden können. Jetzt muss ich sie komplett neu drehen.“ „Jaja. JAJA. Das dulde ich aber nicht!“ „Dann zieh’ doch aus!“ „Gott, ich dachte ich könnte hier mit einem eventuell erwachsenen Mann ein eventuell erwachsenes Gespräch führen, aber anscheinend ist dem ja nicht so.“ Ich verschränkte die Arme. „Achja? Du bist ja selbst noch ein Kind.“ So, jetzt reichte es. „Ich bitte dich nun umständig deine scheiß Aufnehmerei MORGENS am hellichten Tag zu vollziehen und nicht mitten in der NACHT.“ Er schaute mir kurz in die Augen. Plötzlich nahm er einen warmen Gesichtsausdruck an. „Geht klar. Schlaf schön.“ Dann schloss er dir Tür vor meiner Nase und ließ mich irritiert und mit nackten Füßen draußen stehen. „Okay.“ Auf dem Absatz machte ich kehrt um endlich wieder in mein Bett, bzw. auf meine Matratze, zu fallen. 

Am nächsten Morgen beim Frühstück erzählte ich Ossi und Mica von dem unverschämten Kerl. „Pff, du überreagierst richtig. Ich hab’ rein gar nichts gehört und ich muss es wissen. Ich war die ganze Nacht wach, weil Mica mir andauernd in meine Eier getreten hat.“ Mica zuckte unschuldig mit den Schultern. „Aber mein Zimmer ist direkt unter ihm! Wenn der das jede Nacht macht, rufe ich schon irgendwann sie Polizei wegen Ruhestörung, dann soll der mal sehen wo der hinkommt, dieser Bastardo.“ Ich biss ein großes Stück von meinem Salamibrot und angelte mir ein Spiegelei aus der Pfanne.

 „Patrick ist der Wahnsinn.“, schwärmte Mica schon wieder. „Habt ihr euch schonmal seine Videos angesehen? So talentiert!“ „Nein. Und das habe ich auch nicht vor.“, entgegnete ich ihr und schnitt derweil mein Spiegelei in mundgerechte Stückchen. „Ihr verpasst was.“ „Jaja, oh nein. Ich sterbe.“ „F*ck dich doch.“, mümmelte sie deprimiert in ihr Brötchen. „Obwohl!“, fiel mir ein. „Apropos, Video. Ich will überprüfen ob Simon uns wirklich unkenntlich gemacht hat.“ Sofort raste ich aus dem Raum um mein Handy zu holen, da wir immer noch keinen Laptop hier hatten. 

Seufzend ließ ich ich wieder auf meinen Platz plumpsen und schaltete YouTube ein. „So, wie heisst er nochmal?“ „Unge.“, kam es von dem bis jetzt recht stillem Ossi. „Danke.“ Hastig tippte ich den merkwürdigen Namen in die Suchzeile ein. „Moment, wieso weisst du eigentlich immer wie die heissen?“ „Ich hör halt zu und merk mir sowas. Im Gegensatz zu euch.“ „Jaja.“, stöhnte Mica als ich gerade auf seinen Kanal tippte. Und da fand ich ein Video, was passen könnte. Mit Simon als Frontbild, oder wie man das nennt, der den Arm um eine andere Person gelegt hat, dessen Kopf verpixelt ist. Ich musste wohl oder übel feststellen, dass ich das war. ‚WIR HELFEN den NEUEN NACHBARN beim STREICHEN // Ungefilmt/ Unge‘ lautete der Titel. „Starte doch endlich das Video!“, meckerte Mica. Schon hatte ich raufgetippt. 

Zuerst sah man Simon der mit uns redete. Also nicht mit uns sondern seinen Zuschauern. Er stand alleine in einem Zimmer mit einem grünen Sofa und einigen Pc’s und laberte irgendwas von einem verspätetem Auspackvideo. Okay. Dann im nächsten Schnitt sah man, dass er nun im Flur stand und erzählte, er würde nun die neuen Nachbarn begrüßen, er würde uns schon kennen und wir wären Kamerascheu, weshalb unsere Gesichter wahrscheinlich verpixelt sein werden. Alles geplant, hatte dieser Schlingel das. 

Im nächsten Schnittbild sah man, wie er klingelte, ich, als weißer Farbklecks verkleidet, aufmachte und er seinen Kicheranfall bekam. Jaja, das kannten wir ja alles schon. Dann kam die Scene wo er einen Arm um mich gelegt hatte und mit seiner Hand herumwuselte. Nun war sie wirklich pixelig. Ich musste kurz lachen. 

Doch nachdem er Pullermann geholt hatte und in mein Zimmer gekommen war, sah ich dass Ossi NICHT verpixelt war. Zuerst viel mir das nicht wirklich auf, doch mit dem Laufe der Zeit, als man realisiert hatte, dass Mica und ich als einziges verpixelt waren, wurde es klar. „Ehm, Ossi…“ „Jaa?“, er hatte keinen Bock mehr auf das Video gehabt, außerdem war sein Tee fertig, woran er gerade genüsslich schlürfte. „Simon hat dich nicht verpixelt.“ Dann verschluckte sich Ossi. Tierisch. Und er brauchte mindesten 2 Minuten um sich wieder einzukriegen. 

„W-WAS?!“ „Ja.“ Ich stoppte das Video und ließ mein Handy von Mica aus der Hand nehmen. „Sollen wir ihm sagen, dass er’s runter nehmen soll?“, schlug ich vor. Ossi fuhr sich durch die Haare. „Ach ne, lass nur. Er hat sich bestimmt Mühe mit dem Video gemacht. Ich meine, es ist bestimmt schwer in jeder Frequenz jemanden zu verpixeln.“ Trotzdem klang er verzweifelt. 

Plötzlich hörten wir Mica prusten. „Leute schaut euch das an!“ Sie zeigte uns mein Handy. Sie war zu den Kommentaren des Videos gescrollt. Und was dort stand, brachte mir selbst in dieser Situation einen Lachanfall. Nur Ossi sah nicht all zu glücklich aus. 

‚Oh mein GOTT!1 Der blonde typ da is ja mal sowasvon heiss!!!‘

‚Ohaat der neue nachbar, ne aaaaalter hol den öfter ins video!!‘

‚ach du scheise, hoffentlich Esser nicht mit einem von der Mädchen da zsm, voll die schlampen die lassen sich bestimmt beide von dem bumsehn so wie der heiss aussieht‘

Das, und noch viel mehr Kommentare solcher Art standen unter diesem Video. „Du bist in der Frauenwelt schonmal heiß begehrt, Ossi.“ „Jaa…“, muffelte er. „…In der Frauenwelt.“ „Och Ossiii…“, bemitleidend strich ich ihm durch die Haare. „Du brauchst doch gar keinen Freund, du hast doch uns.“ „Haha.“ Er legte seinen Kopf auf den Tisch und starrte nach draußen. 'Bestimmt Liebeskummer!', formte ich mit meinen Lippen, sodass Ossi es nicht sehen konnte. Mica nickte bedenklich. „Ossi?“, fing sie an. „Liegt dir etwas auf dem Herzen? Du kannst uns alles sagen.“ „Hmm? Nene.“ Er richtete sich wieder auf und steckte sich um dabei anfangen zu lachen. „Seid ihr jetzt Psychotherapeuten geworden, oder was?“ Er grinste uns an. „Leute…?“ Er sah nun unsicher zwischen Mica und mir hin und her. Wir hatten beide einen sehr ernsten Therapeutenblick angenommen und wollten eigentlich anfangen, ihn auf andere Gedanken zu bringen, doch das tat er schon von selbst. „Leute. Ich bin berühmt.“, sagte er, mit einem Blick auf mein Handy. „Das Video hat fast eine halbe Million Aufrufe. „Ach du scheiße, wir haben eine Blitzberühmtheit im Hause.“, lachte Mica. „Wir werden nie wieder mit dir raus gehen können.“, heulte ich gespielt. 

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Jo Menschen. I freu me.

Wetten die Absätze im Text sind viel zu groß? 

Tschüß.

Walrosse haben auch Gefühle - Youtuber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt