Märchenprinzen und Liebeskummer

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Um sieben gab es Abendessen. Alle erschienen mehr oder weniger pünktlich, bis auf Jannis und Kai. Vom Chelseaspieler und dem Fotografen war keine Spur zu sehen. Als die beiden nach einer halben Stunde immer noch nicht aufgetaucht waren, bat Jogi Julian, mal nach seinem Bruder und Kai zu sehen, nicht, dass den beiden etwas passiert war.

Der Dortmunder machte sich also auf den Weg zum Zimmer seines Bruders und klopfte. Keine Reaktion. Er klopfte ein weiteres Mal. Wieder nichts. Probeweise drückte er die Klinke herunter und stellte fest, dass die Tür abgeschlossen war. Seufzend wandte er sich ab und machte sich also auf zu Kais Zimmer.

Auch hier reagierte keiner auf sein Klopfen, doch die Tür war unverschlossen, wie er festellte. Vorsichtig öffnete Julian die Tür, linste in dem Raum und musste sich zusammenreißen, bei dem Anblick, der sich ihm bot, nicht laut "Awwwww" zu rufen. Denn was er sah, war an Niedlichkeit nicht zu übertreffen.

Kai und Jannis lagen auf Kais Bett, der Blonde hatte seinen Kopf auf der Brust des Brünetten abgelegt und seine Arme um dessen Bauch geschlungen, während Kai ebenfalls einen Arm um den Jüngeren gelegt hatte. Ein Laptop, den Julian als Kais erkannte, lag auf dessen Beinen und spielte das Outro eines Harry Potter Films.

Es tat Julian schon fast leid, als er auf das Bett zuschritt und Jannis' Fußsohle kitzelte, um diesen aufzuwecken, was sofort funktionierte. Der Blonde schreckte hoch. "Was? Wie? Wo?", fragte er desorientiert. Sein Blick fiel auf Julian, dann auf Kai, der sich gerade neben ihm räkelte, aufgeweckt von der hektischen Bewegung des Fotografen.

"Na, ihr Märchenprinzen? Gut geschlafen?", feixte Julian und erntete einen Todesblick von seinem Bruder. "Ich wollte euch ja nicht wecken, aber es gibt Abendbrot und wir wollen ja nicht, dass ihr verhungert.", meinte er dann. Kai, der bis jetzt noch im Halbschlaf gewesen war, erkannte plötzlich, in welcher Situation sein bester Freund gerade dessen Bruder und ihn entdeckt hatte und Sprang wie von Blitz getroffen auf.

"Kai, was-", begann Jannis, doch dieser murmelte nur etwas von "tut mir leid" und verschwand aus der Tür. Perplex sah Jannis ihm hinterher. Hatte er etwas falschgemacht? Auch Julian schien nicht recht zu wissen, was gerade passiert war und sah dementsprechend ratlos aus.

***

Nach dem Essen machte sich Timo auf den Weg zu seinem und Mats' Zimmer. Er schloss die Tür auf, zog sie hinter sich zu, schmiss sich aufs Bett, zog sein Handy hervor und wählte die Nummer seines Freundes, welcher fast sofort abhob.

"Hey, Darling!", begrüßte der Engländer den Deutschen und lächelte ihn durch das Handy an. "Hey!", hauchte Timo und war so unglaublich froh, wieder Chillys Stimme hören zu können. "Wie geht's dir?", erkundigte sich Ben, Timo antwortete mit einem "Gut" und begann dann vom Tag zu erzählen.

Als Chilly erfuhr, dass die Deutschen noch keine richtige Trainingseinheit hinter sich hatten, breitete sich Neid auf seinem Gesicht aus. Er befand sich seit heute im Trainingslager der endlischen Nationalmannschaft und Gareth Southgate hatte durchblicken lassen, dass es für sie morgen schon richtig losgehen würde, da in drei Tagen das erste Testspiel stattfand, gegen Belgien.

Auch die Deutschen würden in zwei Tagen ihr erstes Spiel haben, gegen die Franzosen, wie Jogi ihnen beim Abendessen verkündet hatte. Die einzigen, die sich darüber gefreut hatten, dürften Thilo und Kevin gewesen sein, da Presnel mit von der Partie sein würde und sich somit die Gelegenheit auftat, härtere Maßnahmen zu ergreifen, um sie endlich zusammenzubringen. Alle anderen hatten sich wahrscheinlich eine einfacherere Aufgabe zu Anfang gewünscht als den amtierenden Weltmeister, wobei die übrigen Gegner Spanien, Belgien und England natürlich auch keine einfache Nummer waren, wie beispielsweise Lettland.

Die beiden telefonierten noch eine Weile. Zwischenzeitlich war Mats kurz im Zimmer erschienen, hatte etwas in seinen Sachen gesucht und war dann wieder abgedampft, wahrscheinlich zu Marco oder Thomas.

***

Unterdessen war im Zimmer von Thilo und Erik die Hölle los. Julian Draxler hatte das Bett seines Pariser Kollegen für sich beansprucht, um dort in vollen Zügen seinen Liebeskummer auszuleben. Er saß auf der Matratze, eingewickelt in seine Kuscheldecke, die er mitgebracht hatte und löffelte Schokoladeneis, von dem keiner so recht wusste, wo er es her hatte. Dabei heulte er Thilo und Erik, die auf dem Bett des Frankfurters saßen und ihn augenverdrehend beobachteten, die Ohren voll.

Irgendwann reichte es Thilo und er verschwand, sein Handy gezückt, aus dem Zimmer. Eriks verzweifelten Blick erwiderte er nur entschuldigend und zog die Tür hinter sich zu. Schnell wählte er die Nummer von Kylian, der Franzose hob nach dem dritten Tuten ab.

"Thilo, mon frère! Wie geht's dir?", meldete er sich, entlockte Thilo ein Seufzen. "Eigentlich gut, aber Jules ist echt anstrengend! So hab ich ihn noch nie erlebt!", erklärte er. "Echt, so schlimm?", erkundigte sich der Jüngere. "Ja...er hockt auf meinem Bett, heult, isst Schokoeis...ich weiß nicht, was ich tun soll!", stöhnte der Deutsche verzweifelt.

"Schokoeis?", weiderholte Kylian, "Nicht unbedingt das, was man in einem Trainingslager essen sollte, oder?". "Schon, aber was soll ich dagegen tun?", antwortete Thilo schulterzuckend, dem Franzosen entwich ein zustimmender Laut, schließlich wusste er nur zu gut, wie stur Julian manchmal sein konnte.

Erik war im Zimmer inzwischen etwas überfordert mit der Situation, denn Julian hatte sich von Thilos Bett erhoben, war zu ihm herübergekommen und hatte sich um seinen Hals geschmissen. Zögerlich legte er dem Jüngeren eine Hand auf den Rücken, während dieser zum wiederholten Male etwas an seine Schulter schluchzte, was klang wie: "Er wird mich nie lieben!".

Ehrlich gesagt war der Ex-Dortmunder etwas überfragt, was er jetzt tun sollte, denn in all den Jahren, die er den Ex-Schalker jetzt schon kannte, hatte er ihn nie so erlebt wie jetzt gerade. Zum Glück ging in diesem Moment die Tür auf und Thilo kam zurück. Als er die Worte hörte, die Julians Lippen verließen, seufzte er genervt auf und wiederholte das, was er seinem Teamkollegen schon allzuoft gesagt hatte: "Er liebt dich auch, ihr seid einfach nur beide blind und taub.".

2 Wochen Chaos - DFB TrainingslagerWhere stories live. Discover now