Endlich und Schuldgefühle

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"Hey, Jules!", begrüßte Presnel den Deutschen, der ihn soeben fast umgerannt hatte. "Ich hab dich vermisst.", nuschelte Julian, bevor er den Franzosen freigab und sein Blick auf seine umstehenden Teamkameraden fiel, die sie allesamt mit erwartenden Blicken ansahen. "Was?", warf er in die Runde, da er das übermäßige Interesse der Mannschaft an ihm und Presnel nicht nachvollziehen konnte.

Kevin rollte genervt mit den Augen, dann griff er sich je einen Ärmel des Deutschen und einen des Franzosen und schleifte sie vor die Kabinentür. "So, ich sage es jetzt zum letzten Mal: Redet verdammt nochmal endlich miteinander! Ihr wisst genau, was ich meine." Mit diesen Worten ließ er die beiden los und stapfte zurück zur Kabine, doch bevor er sie betrat, drehte er sich nochmal um. "Ach und Jules, denk nicht mal dran, zurückzukommen, bevor ihr nicht zusammen seid.", merkte er auf Deutsch an, was ihm einen verwirrten Blick von Presnel und einen Verzweifelten von Julian einbrachte.

***

Die Stimmung in der Kabine war komisch, wie Thomas auffiel. Mo, der normalerweise wie ein Wasserfall plapperte, war ungewöhnlich ruhig und schien in Gedanken versunken zu sein. Dabei wanderte sein Blick durch die Kabine und blieb auffällig oft an Nadiem hängen, der einige Plätze neben ihm saß.

Plötzlich stand Marco neben ihm. "Siehst du das?", fragte er den Bayern, der verstand, dass der Dortmunder von Mo und Nadiem redete. "Jap, ich sehe das.", antwortete er also. Er sah Marco an und erkannte diesen einen Ausdruck auf seinem Gesicht. Den Ausdruck, den der Blonde immer hatte, wenn er einen Plan hatte. "Was heckst du aus?", erkundigte sich Thomas und grinste. Marco sah sich kurz in der Kabine um, dann beugte er sich vor und flüsterte dem Bayern ins Ohr: "Mario hat zwar gesagt, ich soll mich nicht einmischen, aber ein kleiner Schubser hat noch nie jemandem geschadet." 

Abwartend sah der Kapitän der Dortmunder ihn an. Thomas überlegte kurz, dann schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht. "Wir verkuppeln sie.", beschloss er begeistert und alle beide grinsten so sehr, dass sich Emre, der in diesem Moment zu ihnen herübersah fragte, wer den beiden ihre letzte Schraube gelockert hatte.

***

Als kurz vor Anpfiff Julian Draxler die Kabine wieder betrat, verstummten auf der Stelle alle Gespräche. Jeder sah ihn an, doch niemand traute sich so recht, nachzufragen. Denn der Gesichtsausdruck des Parisers war sogar für Thilo und Kevin unlesbar.

Plötzlich begann der Brünette breit zu grinsen. "Ihr hattet alle recht!", deklarierte er dann, "Er liebt mich auch!" Ein einstimmiges Aufatmen ging durch die Ränge. "Ach wirklich!", brummte Thilo, doch auch er schien zufrieden zu sein, dass seine beiden Teamkollegen es endlich geschafft hatten und er sich das Gejammer nicht länger würde anhören müssen. Kylian freute sich bestimmt auch. 

Doch sie hatten alle keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn die Trainer scheuchten sie hinaus aus der Kabine. Schließlich wollte keiner zu spät zum Einlaufen kommen.

***

Das Spiel war aus deutscher Sicht...wie sollte man sagen...durchwachsen. Einige Gute Aktionen gab es immer mal wieder, doch bis auf ein Tor von Timo wollte der Ball einfach nicht ins Netz der Franzosen gehen. Das deutsche Tor schien ihm jedoch umso besser zu gefallen, denn am Ende stand es 3:1.

Dementsprechend war auch die Stimmung in der Kabine, nachdem das Spiel abgepfiffen war. Einige wenige Spieler waren noch draußen geblieben, um Interviews zu geben, doch es hatte sich zugegeben keiner darum geschlagen, diesen Part des Tages zu übernehmen. Nicht nach dem, was sie dort auf dem Platz zusammengespielt hatten.

***

Leroy war einer der Ersten gewesen, die sich in die Katakomben verzogen hatten. Er gab sich selbst die Schuld an dieser Niederlage. Er hatte ganze 65 Minuten auf dem Platz gestanden, bevor Jogi ihn ausgewechselt hatte, und es war nicht so gewesen, als hätte er nicht die Chancen gehabt, um Anschlusstreffer zu erzielen.

Nein, Chancen hatte er im Überfluss gehabt. Immer wieder hatte er vor dem Tor den Ball bekommen, doch nie war dieser im Tor gelandet. Von den sechs Chancen, die er gehabt hatte, waren gerade einmal zwei aufs Tor gegangen und das dann so unplatziert, dass Hugo Lloris diese leicht hatte halten können. 

Er hielt sich absichtlich nicht lange in der Kabine auf, sondern kramte nur sein Handy hervor und verzog sich dann in irgendeine Ecke der Katakomben, in der ihn hoffentlich keiner finden würde. Jetzt gerade wollte er einfach nur seine Ruhe. Keine Kritik, keine aufmunternden Worte. Nur Ruhe.

Obwohl das eigentlich nicht ganz stimmte. Es gab genau eine Person, mit der der Bayer jetzt reden wollte. Das war der Grund, dass er sein Handy geholt hatte. Er rechnete damit, dass Raheem das Spiel gesehen hatte und ihn anrufen würde und er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er jetzt Raheems Stimme hören musste, um sein Selbstbewusstsein wieder einigermaßen zurückzuerlangen.

***

Währenddessen sackte Julian Brandt, der in der 65' Minute für Leroy eingewechselt worden war, kraftlos auf seinen Platz in der Kabine. Er hatte zwar nicht so viele Chancen liegenlassen wie der Bayer, doch auch er wusste, dass er heute nicht in Topform gewesen war.

Plötzlich ließ sich jemand neben ihm nieder. "Hey." Julian sah auf und sah in Marius' Gesicht. Der Ältere sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, den der Dortmunder nicht ganz deuten konnte. War das Mitleid? Sorge? Doch das war ihm auch egal, denn alles was zählte war, dass der noch-Kölner einladend seine Arme öffnete und er sich ohne zweimal zu überlegen in diese Fallen ließ.

"Du warst gut.", wisperte Marius und hielt ihn fest an seiner Brust. Julian schüttelte stumm den Kopf. "Nicht gut genug. Ich kann das besser und das weiß ich." Der Ältere seufzte. "Mach dir keinen Kopf, Jule. Jeder hat mal eine schlechte Phase." Daraufhin erhielt er nur ein Grummeln seitens des Jüngeren.

***

Schon den ganzen Tag konnte Mo seinen Blick nicht von Nadiem nehmen. Egal wie oft er es versuchte, irgendwann kehrte sein Blick immer zum Leverkusener zurück. Der Dortmunder wusste, dass Marco es bemerkt hatte. Daraufhin hatte er sogar noch mehr versucht, Nadiem zu ignorieren, doch es wollte einfach nicht klappen.

Auf der Rückfahrt zur Unterkunft beobachtete Mo aus dem Augenwinkel Marco, der neben Thomas saß und mit diesem tuschelte. Er spürte auch, dass Marcos Blick immer wieder zu ihm wanderte und danach an Nadiem hängen blieb, der ein paar Reihen vor ihm saß. Tuschelten sie etwa über ihn und Nadiem? Wenn ja, konnte das nichs Gutes bedeuten, denn Marco und Thomas verhielten sich manchmal wie Grundschulkinder.

Wenn sie also gemerkt hatten, dass er in Nadiem verliebt war (und das hatten sie bestimmt, so auffällig, wie er heute gewesen war), würde das Ganze wohl nicht gut enden.

Hier wie versprochen direkt das nächste (vorerst letzte) Kapitel hinterher.

2 Wochen Chaos - DFB TrainingslagerWhere stories live. Discover now