Entschuldigung

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Mit gesenktem Haupt schleiche ich schon geraume Zeit vor Snapes Büro herum. Laut Plan hat er heute keine Aufsicht bei den Hausarbeiten, ergo befindet er sich in seinem Büro. Korrigiert den Mist, den seine Schüler so verzapfen.

Höre ihn leise fluchen und ein Teil meines Verstandes wägt die Notwendigkeit einer Entschuldigung bei der Fledermaus ab. Ein wenig hilflos klammere ich mich an der Flasche Barolo fest, die ich als kleines Friedensgeschenk mitgebracht habe. Und falls er mir sofort an die Gurgel springen sollte, kann ich ihm die Flasche über den Schädel ziehen. Soweit der Plan.

Muss mich aber erstmal überwinden, an die Tür zu klopfen. Ob er meine Angst wohl riechen kann? Sollte bei dem Riesenzinken ja kein Problem sein. Und dann weiß er ja bestimmt auch schon, dass ich hier herumlungere. 

„Ich möchte mich hiermit für mein Verhalten heute mittag bei Ihnen entschuldigen!“, rede ich gegen die schwere Tür. Das klingt doch schonmal ganz gut. Wenn ich Snape wäre, ich hätte mir auf der Stelle verziehen. 

Raffe all meinen gryffindorschen Mut zusammen und klopfe zaghaft gegen die Tür. Nichts tut sich. Anscheinend hat er nichts gehört. Vielleicht hat sein Büro ja auch einen Hinterausgang, wer weiß? Vielleicht ist er ja auch gar nicht mehr da? Das würde natürlich die Stille erklären. 

Unsinnig dann noch zu warten. 

Ich komme einfach morgen wieder. 

Jawohl! 

Erleichtert mache ich kehrt, doch das Klicken der Tür lässt mich in der Bewegung verharren. Mist. Langsam drehe ich mich wieder um und blicke in Snapes ausdrucksloses Gesicht. 

Seine Augen scannen meine demütige Präsenz und bleiben schließlich an meinem Dackelblick hängen. Er schweigt. Er sieht noch nicht mal böse aus!

„Guten Abend.“, sage ich hilflos. Ich glaube, er merkt, dass ich ein schlechtes Gewissen habe.

„Guten Abend.“, erwidert Snape reserviert. Dieser Mann ist ein Eisklotz! Ein emotionsloser Zellhaufen. Krass.

Snape erblickt die Flasche Wein in meiner Hand und runzelt die Stirn. Er weiß mit Sicherheit genau, dass ich mich versuche bei ihm zu entschuldigen. Scheint es zu genießen, dass ich nicht recht weiß, wie ich anfangen soll.

Lässig lehnt er im Türrahmen, die Arme verschränkt und wartet. Wartet auf meine Reaktion.

Ich strecke ihm die Flasche entgegen und versuche unter seinem Medusenblick nicht zu Stein zu erstarren.

„Heute Mittag...“, fange ich mit bebender Stimme an, „das tut mir schrecklich leid, Professor Snape!“

Verdammt, meine Stimme war schon ewig nicht mehr so wackelig.

„Ich habe mich äußerst respektlos Ihnen gegenüber verhalten, und möchte mich bei Ihnen in aller Form entschuldigen.“

Prüfend ruht sein Blick auf mir und ich fühle mich fast so unwohl wie gestern Abend, nachdem Lucius... oh man, jetzt werde ich schon wieder rot. 

„Ich nehme Ihre Entschuldigung an.“, höre ich ihn sagen. „Von Ihrer Familie sind Sie anscheinend noch die Anständigste!“

Wenn der wüsste...ahemm.

Erleichtert lächel ich ihn an und der finstere Mann bittet mich mit einer einladenden Handbewegung in sein Büro. Schon komisch, wenn man nicht mehr zum Nachsitzen hier herein kommt. Das Ambiente erscheint einem gar nicht mehr so beklemmend. Außerdem nehme ich auf einmal viel mehr von der Räumlichkeit wahr. Ein überquellendes Bücherregal. Ein randvoller Papierkorb. Keine Bilder an den Wänden. Stumm schaue ich mich um und entdecke ein Regal voller kleiner Phiolen. 
Das Büro des Tränkemeisters.

Bezaubernde GinnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt