Nachdem der dunkle Magier eingeschüchtert geflüchtet war, ergriff Tino erstaunt das Wort.
„Wow, ich bin beeindruckt. Noch nie hat jemand Evan so aus der Fassung gebracht, dass er geflohen ist. Meinen Respekt. Und du hast nicht mal Angst gehabt. Dein Adrenalinspiegel war die ganze Zeit konstant und niedrig.
Nach einer kurzen Pause fügte er mit Blick auf meine Hand- und Fußgelenke noch hinzu: „Außerdem hast du deine Fesseln durchgeschmolzen"
Stutzig probierte ich mich in jede Ecke der durchaus geräumigen Zelle zu bewegen. Das funktionierte ohne Gewicht und Zurückhaltung. Deswegen drehte ich mich um und blickte auf das bereits ausgekühlte, verformte, geschmolzene Metall meiner ehemaligen Fesseln.
Das brachte mich auf eine Idee, wie ich uns hier rausbringen konnte, da mein Kopf jetzt wieder klar und einsatzbereit war.
„ Kurze Frage, eure Majes ... ich meine Tino. Welche Kraft besitzt du eigentlich?"
„ Ich bin ein stolzer Besitzer des Elements Wasser und der Telepathie. Und ich bin in der Lage, deine Gefühle zu erfühlen. Deswegen konnte ich dir das mit dem Adrenalinspiegel sagen", schmunzelte er. „Außerdem bin ich zur Hälfte Meermann, deswegen kann ich mich auch in einen solchen verwandeln. Wieso?"
„ Ich habe eine Idee, wie wir hier rauskommen können", flüsterte ich, damit die Wachen nichts von meinem Plan mitbekamen. Danach fuhr mit weiterhin gesenkter Stimme fort: „Wir müssen uns zuerst telepathisch vebinden, sodass ich dir ohne Gefahr den restlichen Plan, den ich mir überlegt habe, sagen kann."
„Weißt du denn, wie man sich telepathisch verbindet? Ich war immer schon mit allen wichtigen Wesen, wie meinen Eltern, im Voraus verbunden. Ich weiß nicht, wie man sich mit nicht verwandten Wesen, die fähig sind, Telepathie zu nutzen, zu verbinden", gab Tino, ebenfalls flüsternd, zurück.
„ Ja, ich weiß es. Mach dir keine Sorgen und vertrau mir bitte, in Ordnung?"
Der junge Kaiser nickte und ich trat behutsam näher. Als Nächstes berührte ich ihn sanft am Handgelenk, hielt ihn mit leichtem Druck fest und dachte nur zwei Wörter: Verbindung aufbauen.
Nach diesem Anfang machte ich einen Test.
„ Hörst du mich? Nick einfach, wenn du mich hören kannst."
Zuerst sah er ein wenig irritiert drein, so als wäre er sich nicht sicher, ob das wirklich meine Stimme war und ob er ihr trauen konnte, aber letztendlich nickte er langsam und ich hob beide Daumen zum Zeichen, dass ich es wirklich war. Danach entspannte sich der gefangene Kaiser ein wenig.
Nun konnte ich Tino meinen Plan erläutern, ohne dass ihn irgendjemand sonst mitbekam. Tino verstand ihn sofort und nickte zustimmend. Dann setzten wir ihn in die Tat um. Evan und seine Schergen würden Augen machen. Darauf freute ich mich am meisten.
~
Mein Plan hatte perfekt funktioniert. Tino blieb mit einer Atrappe von mir und meinem Rüden im Kerker, so ungern ich ihn auch zurückließ. Aber wenn niemand von uns beiden redete, kamen sogar die Trollwachen, die dumm wie Stroh waren, hinter den Trick.
Der junge Kaiser würde ihnen verklickern, dass ich lieber sterben wollte, als das ich diesen Fraß anrührte und nachdem, was ich mit Evan angstellt hatte, würden sie nicht genauer hinsehen. Und ihr Chef (zumindest für heute) auch nicht. Hoffte ich.
Ich schlüpfte in Gestalt einer Maus aus meiner Zelle und schnappte mir in meiner richtigen Form, allerdings unsichtbar, die Schlüssel. Magic hatte ich danach mit den Schlüsseln herausgelassen, machte ihn mithilfe meiner Magie unsichtbar, verschloss die Gittertür wieder und sah (mit sichtbarem Gesicht) noch kurz zu Tino hinüber, der mir aufmunternd zunickte. Danach hängte ich die Schlüssel zurück an ihren Platz und saß abwartend neben der Sicherheitstür.
Lange brauchte ich nicht zu warten, da die Trolle mit unserem sogenannten Essen sehr pünktlich waren. Um Punkt 10 Uhr morgens hörte ich das Türschloss klicken, als es entsperrt wurde. Flink wie ein Wiesel huschte ich zusammen mit meinem Hund durch die inzwischen wieder zufallende Tür.
Draußen lauschte ich noch kurz, anschließend lief ich zur steinernen und durch die Zeit glatt geschliffene Treppe und nahm immer zwei Stufen gleichzeitig.
Hoffentlich erwischte mich jetzt bloß keiner, dachte ich schaudernd. Ansonsten wäre ich tot.
Ich lief durch den riesigen, labyrithartigen Palast, wobei ich dreimal falsch abbog und schließlich jedes Mal in einer Sackgasse landete. Dieses Schloss war so umständlich erbaut und mit eindeutig zu vielen Gängen und Räumen ausgestattet.
Ich hasste sowas!
Immerhin fand ich letztendlich das Zimmer, das ich gesucht hatte. Den Thronsaal. Direkt neben der Eingangstore im Inneren befand sich eine kleine Treppe, welche in eine niedere Etage hinunterführte. Diese würde ich mir später zu Gemüte führen. Erstmal musste ich hier alle Sachen finden, die ich brauchte. Das sind alle wichtigen Dokumente des Kaisers und die möglichen Planungen von Evan. Allerdings bezweifelte ich, dass der Zauberer diese einfach so offen im Thronsaal liegen ließ, wo sie jeder sehen oder mitnehmen konnte.
Ich suchte alles sehr gründlich ab und auch Magic half fleißig mit seiner Nase. Er hatte zuvor an Tino schnuppern dürfen, damit er seinen Duft erkannte und wusste, was er suchen musste.
Schließlich wurde ich fündig. In einem Schrank in der hintersten Ecke war in einem Geheimfach ein kleines, verschlossenes Kästchen versteckt, welches das kaiserliche Wappen trug. Bingo! Zur Sicherheit ließ ich meinen treuen Gefährten nochmals daran schnuppern, damit ich sichergehen konnten, dass es wirklich Tino gehörte. Aber Magic bestätigte das sofort. Ok, Mission One accomplished.
Nun versuchte ich noch ein paar von Evans Plänen, die er eventuell schriftlich festgehalten hat, ausfindig zu machen. Allerdings war im Thronsaal nichts mehr. Nachdenklich setzte ich mich auf den kleineren der beiden Throne, die an der Wand mittig auf einem marmornen Podest standen. Der kleinere war wahrscheinlich für die Kaiserin gedacht. Das wusste ich aus den Büchern von Dad. Da die Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit kleiner waren als die Männer, bekamen diese den kleineren Thron.
Zuerst dachte ich noch intensiv über die Pläne nach und wo sie versteckt sein könnten. Allerdings schweiften meine Gedanken relativ schnell ab, zu einem anderen Thema. Und zwar einem Thema, über das ich eigentlich nicht nachdenken sollte.
Ich dachte darüber nach, wie es wohl wäre, hier als Kaiserin mit Tino zu sitzen und ob er wohl schon eine Frau erwählt hatte. Bei dem Gedanken, ich könnte hier sitzen, begann ich leicht zu lächeln.
Hör auf damit. Lass das, schallt ich mich selbst. Auch das Stimmchen in meinem Kopf schaltete sich nun wieder dazu. „Ja, genau, das wollte ich auch gerade sagen. Sag mal hast du sie noch alle?!", fauchte sie mich an. „Du kannst doch nicht über so was nachdenken. Zum einen hat der Kaiser bestimmt schon eine Frau, die er liebt und zum Anderen könntest du nicht mal hierbleiben, wenn er noch keine hätte und dich fragen würde. Und seien wir mal ehrlich, so gut wie er aussieht beziehungsweise ausgesehen hat, hat der bestimmt mindestens eine Freundin, wenn nicht sogar eine Frau." „Wahrscheinlich hast du recht", seufzte ich resigniert.
Plötzlich schlug Magic leise an, sodass ich ihn gerade so hören konnte. „Was ist los, mein Junge?", fragte ich ihn flüsternd und interessiert. „Hast du was gefunden?" Magic wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und lief immer wieder einen Kreis, indem er in eine bestimmte Richtung lief und dann wieder zu mir zurückkehrte. Sein Signal für mich, ihm zu folgen.
„Also, dann los mein Junge. Zeig mir, was du gefunden hast", feuerte ich den Rüden an und folgte ihm im Laufschritt, als er immer schneller wurde. Er lief in Richtung der seltsamen Treppe am Ende des Saales.
„Bist du sicher, dass wir da runter gehen sollten?" Magic wedelte noch einmal, aber diesmal ein wenig stärker, dann lief er die Stufen hinunter. Widerwillig folgte ich meinem Hund die Stufen hinab. In der Bauchgegend hatte ich ein schlechtes Gefühl wegen dieser Treppe. Aber das, was sich am Ende der Mamortreppe befand, verschlug mir die Sprache.
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War Dragons - Alles hängt von dir ab (Bd. 1)
FantasyAlia ist ein junges Mädchen mit magischen Fähigkeiten, von denen sie noch nichts ahnt. Als sie an ihrem siebzehnten Geburtstag unbewusst eine uralte gefährliche Macht freisetzt, muss sie in eine Welt voller Wunder reisen, um eine durch sie drohende...