Als Miss King ihre Lesung beendete, bekam sie lauten Applaus und ich stimmte mit ein.
Ihr Blick traf kurz auf meinen und ihr Mund verzog sich zu einem wissenden Grinsen. Diese Frau wusste genau um ihr Talent und ich konnte nicht mehr leugnen, wie faszinierend sie war. Sie signierte einige Ausgaben ihres Buches und sprach mit Reportern und Literaturkritikern. Dabei wirkte sie so souverän, dass es mich unwillkürlich beeindruckte. „Hey, sind Sie Miss Kings Beraterin?", riss mich eine männliche Stimme aus meinem Starren. Ein gutaussehender junger Mann im Anzug stand vor mir und lächelte mich an. Er hatte dunkles Haar, das perfekt gestylte war und trug eine moderne Brille. Ich nickte sofort und er hielt mir seine Hand hin: „Jason Green, ich bin ein großer Fan ihrer Chefin." Ich schüttelte seine Hand und bedankte mich im Namen von Miss King. „Allerdings wusste ich nicht, dass sie so eine hübsche Beraterin hat", meinte er und ich hörte deutlich den flirtenden Ton in seiner Stimme. Ich lächelte und wurde etwas rot, weil ich es nicht gewohnt war, von solchen Leuten überhaupt beachtet zu werden. Das klang ziemlich traurig, aber ich gehörte nun mal nicht in diese gehobenen Kreise. „Sie können mir nicht zufällig verraten, worauf man sich als nächstes von Vanessa freuen kann?", fragte er sichtlich interessiert und ich lächelte. Als ich antworten wollte, hörte ich in einiger Entfernung das bekannte Schnipsen meiner Chefin. Mittlerweile war es für mich wie ein Reflex, sofort darauf zu reagieren. Ich blickte über die Leute und sah Miss King einige Meter von mir entfernt stehen. Sie winkte mich zu sich ran und ich verabschiedete mich sofort von Jason.
Miss King wartete gar nicht bis ich bei ihr war, sondern lief direkt durch eine Tür aus dem Raum hinaus. Ich musste mich beeilen, um mit ihr Schritt zu halten und folgte ihr in eine Art Flur. Früher war hier wohl die Garderobe für die Theatergäste gewesen, jetzt war der Flur lediglich ziemlich düster und ungemütlich. Miss King blieb stehen und blickte mir in die Augen: „Was war das?" Ich runzelte verwirrt die Stirn, weil ich nicht wusste, was sie von mir wollte. Sie trat einen Schritt auf mich zu und ihr Blick war finster: „Haben Sie mit Jason Green geredet?" Ich nickte zögerlich und eine verärgerte Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Ich kannte diese Falte mittlerweile und sie bedeutete nie was Gutes. „Ich wusste nicht.. wieso ist das schlimm?", stotterte ich etwas unbeholfen.
„Erstens ist er mein größter Rivale und nutzt jede Gelegenheit, um meine Ideen zu klauen", meinte sie abwertend und ich konnte in ihren Augen sehen, wie viel Verachtung sie für den Typen empfand. Dann veränderte sich ihr Ausdruck allerdings und ihr Blick wanderte an meinem Körper herab. „Zweitens, haben Sie sich mal angesehen", brachte sie hervor und ihr Blick verharrte kurz an meinem Ausschnitt. Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus und ich wusste nicht wirklich, wie ich mich verhalten sollten. „Sie haben das Kleid doch für mich ausgesucht", sagte ich nur und versuchte mich damit zu verteidigen. Wie immer hatte mir das Kleid wie angegossen gepasst und wie immer war der Stoff absolut hochwertig. Meine Chefin strich sich mit ihrer Hand über den Unterarm und murmelte: „Ja, aber doch nicht für ihn." Verwirrt sah ich sie an und ihr fiel wohl erst in diesem Moment auf, was sie das gesagt hatte. Zum ersten Mal, seit ich Vanessa King kannte, wirkte sie nicht souverän, sondern nervös und unbeholfen. Sie mied meinen Blick und wollte an mir vorbei gehen, doch ich machte ebenfalls einen Schritt zur Seite und schnitt ihr den Weg ab. Das führte dazu, dass wir uns plötzlich viel dichter gegenüber standen und ich ihren Atem an meinem Gesicht spüren konnte. Ihr Blick traf meinen und wieder breitete sich Gänsehaut in meinem Nacken aus. Ich biss mir auf die Lippe, weil ihre Augen mich wie immer vollständig in Besitz nahmen. Das dunkle Grün fesselte mich und ich war nicht fähig mich zu bewegen. „Es tut mir leid", flüsterte ich zögerlich und spürte, wie sie mir bei meinen Worten auf die Lippen starrte. Sie schüttelte leicht den Kopf und hauchte: „Entschuldigen Sie sich nicht." Sie kam einen Schritt auf mich zu, mit dem ich nicht gerechnet hatte, sodass ich beim Ausweichen gegen die Flurwand stieß. Nicht eine Sekunde schaffte ich es, den Blickkontakt mit ihr zu lösen. Zu sehr verlor ich mich in ihren Augen und dem dunklen Schimmer darin. Wie anziehend konnte eine Person bloß sein? Mein Herz schlug schon seit Sekunden so hoch, dass ich das Blut in meinen Ohren fließen hörte. „Wir sollten wieder reingehen", sagte Miss King, doch ihre Stimme war belegter als zuvor. Es war nicht zu überhören, dass sie ihre Worte nicht vollständig ernst meinte und ihr Atem schneller als zuvor war. Ich nickte nur, doch mein Blick fiel auf ihre Lippen und ich merkte deutlich, dass ich sie berühren wollte. Ich wollte meine Chefin küssen und das schon seit einigen Wochen. Die Spannung zwischen uns hatte ich mir nicht eingebildet und ihr Blick zeigte mir, dass sie genau das Gleiche dachte. Vielleicht war Vanessa King arrogant und selbstverliebt, aber selbst sie konnte nicht verstecken, dass wir voneinander angezogen waren. Plötzlich ertönte lautes Gelächter aus dem Saal und mein Gegenüber zuckte sofort zusammen. Es war als wäre sie aus einer Trance erwacht, denn sie richtete sich schlagartig auf und wich zurück. Sofort war ihr Gesichtsausdruck wieder professionell und sie zückte ihr Handy. „Wir müssen los", meinte sie und lief durch die Tür wieder in den Saal. Ich folgte ihr und versuchte, mich dabei irgendwie zu ordnen, was mir wirklich schwerfiel. Diese Frau brachte mich so durcheinander und ich hatte keine Ahnung, warum das so war. Vermutlich schüchterte mich ihre dominante Art einfach ein und der Gedanke, sie zu küssen, machte mich irgendwie an.
Im Wagen auf der Heimfahrt starrte ich nur aus dem Fenster und Miss King würdigte mich auch keines Blickes. Sie verabschiedete sich nicht mal beim Aussteigen, was ich etwas kindisch fand. Dieser Tag war schön und schrecklich gleichzeitig gewesen und ich konnte unmöglich mit Kayla darüber reden. Wem sollte ich schon erzählen, dass ich mit meiner Chefin fast einen intimen Moment gehabt hatte. Die ganze Nacht zerbrach ich mir den Kopf und kam am nächsten Morgen natürlich zu spät zur Arbeit. Als ich im Büro von Miss King ankam, musterte sie mich und zog dann eine Augenbraue hoch. „Kaffee?", fragte sie nur und ich stöhnte genervt auf. Ich hatte natürlich vergessen, den Kaffee zuhause zu machen und mitzubringen. Miss King verdrehte die Augen, stand auf und zeigte auf das Whiteboard: „Ist egal, sehen Sie sich das mal an und sagen Sie mir, was Sie denken." Ich seufzte und betrachtete die Kritzeleien auf der Tafel. Es schienen Ideen für ein neues Buch zu sein, die aber ziemlich zusammenhangslos waren. Ich schnappte mir einen Stift und begann einige Pfeile zu ziehen. Dann strich ich manche Sachen durch und schrieb neue Ideen darüber. Miss King beobachtete nur stumm mein Tun und ich wusste nicht, was sie davon hielt. Irgendwann war ich fertig und legte den Stift wieder weg. Miss King betrachtete das Endprodukt und brummte nickend. „Sie machen mich sauer", meinte sie und ich blickte sie verwirrt an. Sie schaute allerdings weiter auf die Notizen und schüttelte den Kopf: „Sie sind besser als ich." Bei ihren Worten hüpfte etwas in mir, hatte sie das gerade wirklich gesagt? Ein solches Kompliment hatte ich definitiv noch nie bekommen. „Wehe, Sie lächeln", ermahnte Miss King mich und ich presste meine Lippen aufeinander. Dann hob sie ihren Block vom Tisch und hielt in mir hin. Fragend zog ich die Augenbrauen hoch und sie hielt mir einen Stift hin: „Schreiben Sie mir einen Prolog. Ich will wissen, was Sie können." Jetzt konnte ich mein Lächeln unmöglich unterdrücken.
Ich riss ihr den Block förmlich aus der Hand und meine Finger zitterten vor Aufregung.
Meine Chefin schüttelte schmunzelnd den Kopf und zeigte dann mit einem Blick, dass ich verschwinden sollte.
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Show me your dark lines
RomanceEine neue Stadt, ein neuer Job, eine große Chance. Lias Leben verändert sich von einem Tag auf den anderen und sie lernt Vanessa King kennen. Eine unverbesserliche, arrogante und umwerfende Frau, die in Zukunft ihre Chefin sein wird. Wäre da nur nic...