Ein kleiner Hoffnungsschimmer

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Ich erwachte mitten in der Nacht. Es war dunkel in dem Raum und ich lag wieder im Bett. Ben musste Mitleid gehabt und mich hinein gelegt haben, nachdem ich auf dem kalten Betonboden bewusstlos geworden war. Allein der Gedanke, dass er mich angefasst hatte, verursachte mir eine Gänsehaut. Er hätte all das mit mir tun können, was er vor hatte, aber offensichtlich war er noch nicht bereit dazu, sich an einer bewusstlosen Person zu vergehen. Zugute halten konnte ich es ihm nicht. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, warum er es nicht tat. Er wollte mein Leid sehen und spüren, wenn es geschah und wollte, dass ich es auch voll und ganz wahr nahm.

Meine Wangen schmerzten von den Schlägen und ich spürte sehr deutlich die Stelle, wo mich sein Fuß in die Seite getreten hatte. Ich keuchte auf vor Schmerz, als ich mich auf die Seite drehte und spürte einen Moment später meinen Magen rebellieren. Ich hatte das letzte Mal während der Nachtschicht etwas zu mir genommen. Aber wer wusste schon, ob und wann Ben mir etwas zu geben gedachte. Hatte er nicht selbst gesagt, dass er mich schwächen wollte, um mich gefügig zu machen? Das konnte er sich abschminken.

Schwerfällig rappelte ich mich auf und ging zum Waschbecken, um direkt aus dem Hahn etwas Wasser zu trinken. Es war zwar kein Champagner, aber es kam mir in diesem Moment beinahe so vor. Es tat gut, es vertrieb meinen Hunger und löschte meinen Durst. Vor allem würde es mich am Leben erhalten, so lange Ben mir nichts zukommen ließ. Er hatte zwar gesagt, dass seine Pläne mit mir längerfristigerer Natur waren, aber wer wusste schon, was er tatsächlich von dem umsetzte, was in seinem kranken Kopf vor ging, vor allem, wo er so schnell aus der Haut fuhr und unkontrolliert auf mich einschlug.

Bevor ich bewusstlos geworden war, hatte ich einen Moment geglaubt Wallaby2 zu hören. Vielleicht war es nur Wunschdenken, vielleicht aber auch nicht. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass Sam grade Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um mich zu finden, genau so wie ich es für ihn tun würde. Hatte er meinen Hinweis gefunden? Wussten sie, dass sie nach Ben Ausschau halten mussten? Es würde ihnen dennoch nichts bringen, wenn Ben Recht hatte und er wirklich all seine Spuren so gut verwischt hatte. Was konnte ich denn noch tun, um sie hier her zuführen? Ich wusste ja nicht einmal selbst, wo ich war.

Ich schaute zu dem Fenster auf, durch das ein wenig Licht fiel und fragte mich unwillkürlich, woher es kam, ehe ich mir einen Stuhl ans Fenster rückte und darauf stieg. Sam amüsierte sich immer köstlich, wenn ich das zu Hause tat, um auf die Schränke schauen zu können. Er nutzte jede Gelegenheit, um mich damit zu ärgern, dass ich mehr als einen halben Kopf kleiner war, als er. Ich musste unwillkürlich lächeln und sehnte mich mehr denn je danach Sam jetzt bei mir zu haben. Ich wollte hören, ob es ihm und den Kindern gut ging und er würde mir mit seinen stets positiven und tröstenden Worten ein Halt sein und mir die Angst vor der Ungewissheit ein wenig nehmen können.

Ich sah aus dem Fenster und entdeckte einen recht verwilderten Garten, was keine Überraschung war, nachdem Ben mir mitgeteilt hatte, dass sich nach dem Auszug des Besitzers niemand um das Haus zu kümmern schien. Etwas weiter weg entdeckte ich einen Gartenzaun mit einer Straßenlaterne davor. Nun wusste ich zumindest, woher das Licht kam. Ich versuchte irgendetwas auszumachen, was mir weiterhelfen konnte, doch das Fenster, dass auf Bodenhöhe eingelassen war, war selbst so verdeckt von hohem Gras, dass man nicht wirklich viel erkennen konnte. Ob Ben so nachlässig gewesen war und hatte das Fenster nicht verriegelt? Ich würde hindurch passen. Ich testete den Griff, doch es tat sich nichts und ich entdeckte auch warum: Der Griff hatte ein Schloss.

Ich stieg seufzend vom Stuhl und setzte mich einen Moment. Was sollte ich nur tun? Es gab keinen Weg zur Flucht, keinen Anhaltspunkt, wo ich war. Aber selbst wenn ich etwas gesehen hätte, was mir zeigen würde, wo ich war, konnte ich ja doch nichts damit anfangen. Ich hatte ja doch keine Chance irgendjemanden zu informieren.

Unerwarteter BesuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt