Erfolglose Suche

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"Malcolm? Penny ist nicht nach Hause gekommen. Sie hätte schon vor einer Stunde zu Hause sein sollen."

"Vielleicht hat sie sich noch irgendwo festgequatscht. Du weißt doch, wie die Frauen sind, Sam", erwiderte Malcolm mir und ich hörte sein Grinsen regelrecht, doch es beruhigte mich nicht.

"Ellie sagte, Penny wäre auf direktem Weg aus der Stadt raus gegangen. Wo soll sie da jemanden zum Quatschen gefunden haben? Sie ist mit Schnuffi nach Hause gegangen und der kam vor einer dreiviertel Stunde nach Hause und humpelte. Lizzie schaut ihn sich grade an."

"Hast du sie angerufen?" Nun schwang doch ein wenig Skepsis in seiner Stimme mit.

"Natürlich habe ich das, Mal. Mehrmals. Geschrieben auch. Sie ist nicht erreichbar. Ihr Handy ist aus. Malcolm, da stimmt was nicht. Das ist nicht ihre Art."

"Ich weiß, Sam. Ich komme raus zu euch und suche unterwegs den Weg nach Spuren ab. Ich bin gleich bei dir."

"Ich bin schon auf halbem Weg Richtung Pontypandy. Bisher habe ich noch nichts finden können, aber ich halte die Augen auf. Moment..." Etwas blitzte keine fünf Meter vor mir in der Sonne auf und ich ließ das Handy sinken und rannte dort hin. Noch als ich danach griff, wusste ich mit absoluter Sicherheit, was es war. Mir blieb das Herz stehen, als ich die Kette ergriff, die ich ihr zum ersten Hochzeitstag geschenkt hatte und sah, dass sie ihr offensichtlich gewaltsam vom Hals gerissen worden war, denn der Verschluss war noch intakt und geschlossen.

Meine Augen wanderten umher und mir traten Tränen in die Augen, als ich rote Flecken auf dem Asphalt vor mir sah. Mit zitternden Fingern griff ich danach und stellte wenig überrascht fest, dass es noch nicht gänzlich getrocknet war. Ich rieb den Tropfen zwischen zwei Fingern und kämpfte gegen die Wut und Verzweiflung, die mich zu überwältigen drohten.

"Sam? Sam?", hörte ich Malcolm's Stimme in meinem Handy, die mich aus meinen Gedanken weckte und legte mir das Telefon wieder ans Ohr.

"Sie ist entführt worden, Mal und sie ist verletzt."

"Wie kommst du darauf, Sam? Hast du etwas gefunden?"

"Ihre Kette. Sie lag hier am Straßenrand. Malcolm, hier ist auch Blut."

"Okay, Sam. Bleib ruhig. Setz dich irgendwo hin, wo du sicher bist und warte, bis ich da bin. Ich komme." Das dürfte mir schwer fallen, dachte ich sarkastisch, als ich hörte, wie er auflegte. Wo sollte ich aber suchen? Was sollte ich tun, um sie zu finden?

Die schlimmsten Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab, während ich auf Malcolm wartete und ich konnte nichts dagegen tun, dass mir unkontrolliert die Tränen über die Wange liefen.

Wer tat so etwas und warum Penny? Sie war eine Seele von Frau. Niemand wünschte ihr etwas schlechtes. Niemand würde sie jemals schlecht behandeln oder vor allem etwas schlimmes antun wollen. Wenn man von den beiden Vorfällen vor Jahren einmal absah, als Ben sie bedroht und erpresst hatte, mir das Leben zu nehmen, wenn sie mich nicht verließ, und er sie ein Jahr später gestalkt hatte. Aber Ben war im Gefängnis. Wir waren ein paar Wochen nach dem letzten Vorfall auf seiner Verhandlung gewesen, als er für all seine Missetaten fünf Jahre aufgebrummt kriegt hatte. Wer zum Teufel hatte Penny entführt und wo sollte ich nur anfangen zu suchen? Es musste doch eine Spur geben.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich sah zu Malcolm auf, dessen Blick sich nun in Mitleid verwandelte. Nun erst realisierte ich, dass ich neben Penny's Blut am Rand der Straße saß und ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, ehe ich aufstand. Ich musste sicher furchtbar aussehen. Ich deutete auf das Blut und zeigte ihm wortlos die Kette in meiner Hand. Er nickte und nahm eine Probe des Blutes, sicher um es analysieren zu lassen, doch ich wusste, was dabei herauskommen würde. Ich schaute ihm stumm zu, während er seine Arbeit machte, konzentriert und gewissenhaft suchte er nach weiteren Hinweisen, doch es waren keine mehr da. Ich fühlte mich so hilflos, aber was sollte ich auch tun? Ich war nur ein einfacher Feuerwehrmann und alles, was ich über Verbrechensbekämpfung wusste, hatte ich aus Büchern oder dem Fernsehen.

Ich senkte in stummer Verzweiflung den Kopf und fuhr mir durch die Haare, als etwas knapp einen Meter neben mir meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

"Malcolm?" Mein Blick war auf etwas am Rand hängen geblieben und ich ging darauf zu, spürte dass Malcolm mir folgte und sich neben mir hinhockte, wie ich es nun tat, als wir meine Entdeckung erreicht hatten.

Ich konnte nichts dagegen tun, dass ich mit dem Zeigefinger die Spuren nachzeichnete, die Penny's Finger in der harten Erde des Randstreifens hinterlassen hatte. Verdammt, ich hätte dem Gerücht auf den Grund gehen sollen, dass mein Vater aufgeschnappt und uns am vergangenen Wochenende mitgeteilt hatte. War nicht immer an jedem Gerücht auch etwas Wahres dran?

"Ben Hooper. Ist der noch Gast in eurem Hause?", schreckte mich Malcolm's Stimme nun neben mir aus meinen Gedanken auf und ich wandte mich ihm zu. Er telefonierte und sein Blick drehte mir den Magen um."Und wo wohnt er jetzt?" Ich horchte auf. Offensichtlich war Ben doch nicht mehr inhaftiert?"Na super. Danke."

"Was ist los, Malcolm?", fragte ich nun skeptisch.

"Ben ist vor ein paar Monaten entlassen worden...wegen guter Führung." Ich schnaubte abfällig, während mir erneute Panikattacken das Herz verkrampften."Und sie haben keine Anschrift von ihm. Ich werde ein wenig herum telefonieren und ihn zur Fahndung ausschreiben lassen. Wir finden sie, Sam." Er legte tröstend eine Hand auf meine Schulter, doch es half nichts. Mir gingen die Worte aus seiner Textnachricht damals nicht aus dem Kopf.

"Wir müssen uns beeilen, Malcolm. Wer weiß, was er ihr alles antut. Du weißt, was er ihr damals geschrieben und angedroht hat." Er nickte nur, hatte das Telefon schon wieder am Ohr und sprach nur einen Moment später offensichtlich mit der Newtowner Polizei, denen er den Sachverhalt erklärte und alle ihre Kräfte für eine Großraumsuche nach Penny mobilisierte. Offensichtlich hatte Ben nicht nur dem Gefängnis seine neue Adresse nicht mitgeteilt.

Ich stand genervt auf und lief auf der Straße auf und ab, rieb mir den Nasenrücken und überlegte fieberhaft, wo ich anfangen sollte zu suchen. Diese Hilflosigkeit trieb mich in den Wahnsinn und heiße Tränen stiegen mir erneut in die Augen.

"Die Kollegen werden in Newtown alles abklappern, was in irgendeiner Verbindung zu Ben's Vergangenheit steht - seine alte Adresse, Freunde, Klubs, Hobby's, Vereine. Wir werden ihn bald haben, Sam."

"Jede Stunde, die sie in seiner Gewalt ist, könnte er alles mögliche mit ihr machen. Er hat ja nicht einmal davor zurück geschreckt, sie zu verletzen", erwiderte ich frustriert und deutete auf die Blutflecken auf dem Asphalt."Er will Rache, Malcolm und er wollte immer nur sie. Er wird..." Ich brach ab, als mir das ganze Ausmaß bewusst wurde, was er mit ihr anstellen würde. Würde ihre gute Seele solche eine Tortur durchstehen? Was würde er ihr noch alles antun und wie würde sie das verkraften? Wie konnte er nur zwei kleinen Kindern ihre Mutter wegnehmen? Wie konnte er eine wehrlose Frau, so überwältigen und behandeln?"Ich bringe ihn um", konnte ich mich nicht stoppen laut auszusprechen.

"Sam, egal, wie das hier ausgeht und was er Penny antut, deine Kinder und vor allem deine Frau brauchen dich. Riskiere nichts, nur für ein bisschen Rache. Für Gerechtigkeit sind wir zuständig."

"Ich weiß, dass du Recht hast, Malcolm. Dennoch kann ich für nichts garantieren. Ich hoffe sehr, dass er sich zurück hält", erwiderte ich arg und ballte die Hände zu Fäusten, ehe ich tief durchatmete."Ich muss nach Hause. Ich muss ihren Eltern sagen, was passiert ist. Wünsch mir Glück und sag Bescheid, sobald du eine Spur hast."

"Mach ich, Sam." Ich wandte mich ab und ging wieder zurück nach Hause, als Mal noch einmal nach mir rief."Wir werden sie finden, Sam und wir bringen sie wieder gesund und munter nach Hause."

"Das hoffe ich, Mal. Das hoffe ich sehr", erwiderte ich resigniert und wandte mich nun endgültig um, um meinen Schwiegereltern die schlechte Nachricht zu überbringen.

Fortsetzung folgt...

Unerwarteter BesuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt