Endlich wieder in Sicherheit

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Malcolm und Helen begleiteten uns ins Krankenhaus, während Rose Schnuffi nach Hause brachte und meine Eltern darüber informierte, dass sie mich gefunden hatten. Sie würden schon einmal eine Sorge weniger haben.

Sam und ich waren beide sehr ruhig - geschockt vom Erlebten, sprachlos vor Freude, weil es endgültig vorbei war und unendlich glücklich wieder beieinander sein zu können. Ich sah Sam an, wie müde er war. Er hatte scheinbar nicht wirklich viel geschlafen in den letzten Tagen und von dem bisschen, was er mir auf mein Nachfragen erzählte, während wir auf einen Arzt oder eine Schwester für die nächste Untersuchung warteten, wusste ich, was er getan hatte, um mich zu finden.

Ich lag konstant in seinem Arm oder hielt wenigstens seine Hand - ich brauchte das, wie ich Luft zum Atmen brauchte. Obwohl ich wusste, dass ich wach war, raste die Zeit dahin und irgendwie alles an mir vorbei, als wäre es nicht wirklich. Ich hatte Angst, es könnte ein Traum sein, aus dem ich jeden Moment wieder, in diesem Kellerraum eingesperrt, zu erwachen drohte, was vielleicht der Grund war, warum ich mich regelrecht an Sam klammerte. Ich wollte nicht erwachen. Ich konnte es nicht. Mir würde die Kraft fehlen, mich noch länger wehren zu können.

Ich war noch immer stark und funktionierte einfach nur. Alles lief wie automatisch ab und in manchen Momenten schien es mir, als wäre ich in einer Art Trance gefangen - was Helen mir mit einem langanhaltenden Schockzustand erklärte. Sam war stets an meiner Seite und ich ließ ihn auch bei jeder Untersuchung gerne bei mir sein, außer bei einer, für die ich Helen in einer ruhigen Minute ins Vertrauen zog, während Sam mit einem Polizisten sprach.

Ich hatte meinen Entschluss gefasst und wollte Sam bei dieser nicht dabei haben. Er war betreten darüber, aber dennoch verständnisvoll und hatte geduldig gewartet. Ich hatte ihm noch nichts von dem erzählt, was Ben mir alles angetan hatte und was nicht. Er wusste nur, was er gesehen hatte und ich wusste, dass ich ihm mit meiner Geheimniskrämerei sehr zu denken gab, aber ich wollte ihn nicht unglücklicher machen, als er es ohnehin schon war. Meine Entführung durch Ben hatte ihn mehr mitgenommen, als er zugab, aber ich konnte es deutlich sehen. Um so glücklicher war ich, als Helen und der Arzt mir dann endlich mitteilten, dass mit dem Baby alles in bester Ordnung war. Es war der zweite Stein, der mir nun nach dieser Tortur vom Herzen fiel und mit einer der größten.

Die Newtowner Kollegen hatten uns aufgefordert nach dem Krankenhausbesuch auf die Wache zu kommen, damit sie dort unsere Aussagen aufnehmen konnten. Sam hatte dagegen aufbegehrt, wollte, dass ich mich erst einmal ausruhte und von dem Schock erholte, doch ich hatte ihn beruhigt. Ich wollte das alles so schnell wie möglich hinter mich bringen. Für mich war es ein leidiges Pflichtprogramm, dass ich erledigt haben wollte.

Dennoch fühlte ich mich unwohl nach drei Tagen in einem Keller, immer in den selben Klamotten und ohne Dusche und Seife - und als hätte Helen das geahnt, hatte sie mir nach meiner letzten Untersuchung Duschgel und einen Stapel Kleidung, was sie alles zwischendurch aus dem Kaufhaus nebenan besorgt hatte, in die Hand gedrückt und mir den Weg zu einer Dusche gewiesen. Ich war ihr so unendlich dankbar dafür.

Ich wusste nicht wie lange ich geduscht hatte, ließ mich minutenlang einfach nur vom Wasser berieseln und hatte mich bestimmt 5 Mal mit Seife eingerieben, vor allem an den Stellen, wo Ben mich berührt hatte - als wollte ich mit seinem Ableben auch wirklich ganz sicher gehen, auch noch die kleinste und letzte Spur von ihm zu vernichten.

Sam wartete geduldig im Vorraum und als ich aus der Dusche kam, mich abgetrocknet hatte und mich im Spiegel selbst betrachtete, meine Blessuren das erste Mal wirklich anschaute, während ich mich anzog - all die blauen, gelben und grünen Flecke sah, die fast meinen ganzen Körper bedeckten - geschah es dann, dass ich endlich loslassen konnte. Beim Anblick meines Bauches, der die einzige größere Stelle an meinem Körper war, die unversehrt geblieben war, schlug die Erleichterung über mir herein, dass ich das Kind wirklich hatte schützen können, wie eine Welle, die sich seit Tagen aufgetürmt hatte und einfach kein Ufer fand, an dem sie sich brechen konnte.

Unerwarteter BesuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt