𝑰-14 | Wir werden sogar, Avery

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KAPITEL VIERZEHN
WIR WERDEN SOGAR, AVERY
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Ich spähte an Malfoys Rücken vorbei. Daphne hatte sich neben Zabini breitgemacht. Die beiden Slytherins schienen bis vor wenigen Sekunden noch miteinander geredet zu haben. Das hieß wohl, dass ihre Beziehung nicht wegen eines Gesprächs in die Brüche gegangen war, was mich irgendwie erleichterte. Das hochgewachsene, blonde Mädchen sah Malfoy trotzig entgegen und machte keine Anstalten sich von dort wegzubewegen. So schön es war, dass sie und Zabini noch zusammen waren, sollte sie Malfoy langsam mal Platz machen und mit mir nach vorne gehen. Immerhin saßen wir praktisch in jedem Kurs zusammen. Doch das passierte nicht.

„Daphne?", fragte ich unsicher und ihr Blick huschte zu mir, doch nur für einen Augenblick, dann starrte sie wieder den Jungen vor mir an. Hatte sie vor einfach neben Zabini sitzen zu bleiben? Sie konnte mich doch nicht einfach so verlassen.

„Wir können uns dort hinsetzen, wo wir wollen. Schon vergessen, Malfoy?" Das Mädchen schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln und rutschte dann wieder neben Zabini, der ebenfalls nichts Besseres zu tun hatte, als blöd zu grinsen. Am liebsten hätte ich ihnen ihr scheinheiliges Lächeln aus dem Gesicht gewischt. Diese fiesen Schlangen.

Plötzlich klopfte mir jemand von hinten auf die Schulter. Erschrocken fuhr ich herum.

„Wären Sie so freundlich, Ihre Plätze einzunehmen? Miss Avery, Mister Malfoy", sagte Professor Snape und sah durch seine beinahe schwarzen Augen kühl auf uns herab. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er den Klassenraum betreten hatte.

„Selbstverständlich", murmelte ich leise und ging an Malfoy vorbei auf meinen angestammten Platz in der ersten Reihe zu. Für diesen Verrat würde Daphne noch bezahlen. Ich fing an die nötigen Unterrichtsmaterialien aus meiner Tasche zu kramen. Vorerst waren das lediglich zwei Bücher und mein Zauberstab. Die Kessel würden wir vermutlich im Laufe der Stunde holen können. Wenige Sekunden später ließ sich ein gewisser Blondschopf neben mich nieder. Ich stockte für einen Moment und sah Malfoy skeptisch von der Seite an. War er sich sicher, dass er hier sitzen wollte? Er beugte sich zu seiner Tasche herunter, hielt jedoch in der Bewegung inne, als er meinen Blick bemerkte.

„Was ist?", fragte er schroff, während seine Sturmaugen meine trafen. Sein Gesicht war so starr und sagte nie irgendetwas über sein Inneres aus, und trotzdem waren seine Augen so wild und voller Leben – zumindest meistens.

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass du dich gerade hierhin setzt.", meinte ich, löste meinen Blick von seinem und rückte an die Stuhlkante, um dem Unterrichtsgeschehen besser folgen zu können.

„Wie du gerade wohl mitbekommen haben dürftest, beansprucht Greengrass meinen Sitzplatz. Was bleibt mir dann anderes übrig, als mich neben dich zu setzen?" Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er fragend eine Augenbraue hob, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Wortlos folgte ich dem, was Professor Snape mit einigen Bewegungen seines Zauberstabs an die Tafel anschrieb. Es sah aus, wie die Zutaten für einen Trank.

„Ich hätte gedacht, dass du deswegen eine Szene machst.", erwiderte ich leise und fing an zu grinsen, als ich seinen wütenden Blick auf mir spürte.

„Du machst ja wohl Witze. Ich-"

„Augen nach vorne und Münder zu.", donnerte Professor Snape, während er sich in einer dramatischen Geste umdrehte und Malfoy einen kurzen, stechenden Blick zuwarf. Der Junge musste sich sichtlich zusammenreißen, um nicht doch weiterzusprechen und richtete sich stattdessen noch weiter auf, als ohnehin schon.

„Schaut euch die Zutaten an. Kann mir jemand sagen, was für ein Trank das ist?", fuhr Snape ruhiger fort und deutete mit seinem Zauberstab an die Tafel. Schnell flogen meine Augen über die Liste an Zutaten. Mehrere Bezoare, Einhornhorn, Mistelbeeren... Meine Hand schoss in die Luft und kurz darauf hob auch Malfoy seine.

„Ich dachte schon, du würdest nie darauf kommen.", kommentierte der Junge neben mir und ich sah ihn mit einem irritierten Blick an. Meine Hand war doch früher als seine oben gewesen.

„Mister Malfoy"

„Es geht um das Gegenmittel zu gängigen Giften, so wie es scheint."

„Korrekt. Das Gegenmittel zu gängigen Giften ist der einfachste Zaubertrank, der Vergiftungen durch gebräuchlichste Gifte entgegenwirkt. Das Rezept finden Sie auf Seite einhundertsechsundfünfzig im Buch. Ich tue diesen Trank nur ungern den Schülern an, die eine gewisse Veranlagung für das Brauen von Zaubertränken besitzen, jedoch hat sich beim letzten abzugebenden Aufsatz herausgestellt, dass der Großteil dieses Kurses nicht einmal die absoluten Grundkenntnisse aus dem ersten Jahr richtig beherrscht." Snape ließ seinen eisernen Blick scheinbar ziellos über die Reihen schweifen. Einige Hufflepuffs schluckten schwer oder wurden bedrohlich blass. Der Blick unseres Lehrers blieb zwei Reihen hinter uns doch noch an jemandem haften.

„Zu meinem Bedauern noch nicht einmal Schüler meines eigenen Hauses."

Ich drehte mich um. Daphne starrte sichtlich ertappt nach vorne und wurde immer röter. Eigentlich sollte ich mich freuen, dass sie schon so schnell ihre Rache für den geänderten Sitzplatz bekam, jedoch verspürte ich größtenteils Mitleid mit meiner Freundin.

Kurz darauf trat geschäftiges Murmeln in der Klasse ein. Der Professor hatte vorne die Regale freigegeben und uns aufgetragen innerhalb dieser Stunde das Gegenmittel zu gängigen Giften herzustellen. Bevor ich überhaupt die Buchseite aufschlagen konnte, fing Malfoy an Zutaten und Geräte zu sammeln.

„Hol du einen Kessel, ziemlich egal welcher Art und einen Mörser. Ich kümmere mich um die Zutaten."

Dann rauschte er ab und ging mit festen Schritten auf die Regalreihen zu. Einige der Hufflepuffs wichen dem berüchtigten Slytherin ehrfürchtig aus, andere warfen ihm nur bedeutungsvolle Blicke zu, worauf ich nur die Augen rollen konnte. Er war doch nur ein Schüler, genau wie wir anderen auch. Was sollte ihn so furchteinflößend machen, dass man ihm auswich – abgesehen davon, wenn er mal wieder sechs Pfund Gel in seine Haare schmierte?

Ich holte einmal tief Luft und begab mich dann ebenfalls in das Getümmel. Einen Kessel konnte ich ganz einfach erscheinen lassen, immerhin hatte ich mir ja nicht ohne Grund einen der besten Allzweck-Kessel angeschafft. Einen guten Mörser in der Auswahl an Schulkram zu finden war da schon etwas schwieriger, obwohl Hogwarts uns zugegebenermaßen ein hohes Niveau an Schuleigentum zur Verfügung stellte.

Zeitgleich mit Malfoy kam ich an unserem Tisch an.

„Hast du die Mistelbeeren gereinigt?", fragte ich, während ich den Kessel ausrichtete und unter ihm ein Feuer erscheinen ließ.

„Alles von höchster Qualität.", antwortete Malfoy. Sehr gut, dachte ich, sprach es natürlich nicht laut aus, um sein Ego nicht zu streicheln. Gerade wollte nach dem Buch greifen, indem das Rezept stand – es war doch Seite einhundertsechsundfünfzig, oder? – als Malfoy es vom Tisch nahm und in seiner Tasche verschwinden ließ.

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass du die Zubereitung nicht im Kopf hast, oder?", fragte der Blonde und sah mit diesem spöttischen Blick auf mich herab, den er immer aufsetzte, wenn ihn etwas amüsierte. Natürlich wusste ich, wie der Trank in etwa gebraut werden musste, immerhin konnte man ja nie wissen, wann man von einem giftigen Tierwesen gebissen werden konnte, aber es war immer besser das Rezept daneben liegen zu haben.

„Malfoy, wir können nicht einfach-"

„Oh, wir werden sogar, Avery." Ein verschmitztes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er meinte es wirklich ernst.

𝑺𝑨𝑳𝑨𝒁𝑨𝑹, steh mir beiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt