Chapter 9

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Wutentbrannt schmiss ich alles, was ich in die Finger bekam, wahllos auf den Boden und es war mir herzlich egal, ob Nachbarin Gertrude bei dem Versuch, mich und meinen Wutanfall genauer zu beobachten, von oder Leiter fallen würde. Zum 2. mal.
Ich war gerade damit fertig geworden, meine gesamten Bücher aus dem Regal zu schmeißen, als mein Blick auf meine Schreibtisch fiel. Mit einer fließenden Bewegung fegte ich alles auf den Boden.
Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass es sehr therapeutisch sein sollte, seinen Frust einfach raus zu schreien.
Lange konnte ich diesem Vorhaben allerdings nicht nachkommen, denn plötzlich standen sowohl meine Mutter als auch mein Vater in der Tür zu meinem Schlafzimmer und beobachteten mein Treiben entgeistert.
Ich schloss meinen Mund, den ich grade für den nächsten Schrei geöffnet hatte schnell wieder, als ich die beiden bemerkte.
Meine Wohnung sah aus, als hätte ihr Hurricane Katrina einen Besuch abgestattet. Völlig außer Atem hielt ich mir meine Seite und versuchte irgendwie wieder zu Atem zu kommen.
Meine Eltern standen nach wie vor angewurzelt in der Tür und keiner der beiden hatte bis jetzt ein Wort herausgebracht.
Ich ließ mich auf den Boden sinken und saß nun unvorteilhafter Weise genau so vor dem Spiegel mir gegenüber, dass ich einen ganz genauen Blick auf die Wolke um meinen Kopf herum werfen konnte, die sich erneut dunkel verfärbte.
Verficktes Drecksding
„Geht's dir gut?"
Wie oft wollte sie mir diese Frage eigentlich noch stellen? Ich weiß nicht ob sie je wirklich eine andere Antwort erwartete, als die, die sie schon kannte.
Meine Mutter war die Erste, die die Sprache wiederfand. Sie kniete sich neben mich auf die Erde und streichelte mir beruhigend über den Atem.
Klar Mutter, mir geht es wunderbar. Deswegen sieht meine Wohnung auch aus wie der Schauplatz des 3. Weltkrieges.
„Mir gehts fantastisch."
Genervt schloss ich die Augen.
„Könnt ihr jetzt bitte einfach gehen?"
Meine Mutter strich mir nochmal über den Arm und verließ dann mit meinem Vater meine Wohnung, der noch kein einziges Wort gesagt hatte.
Als die Tür mit einem leisen Klacken hinter den beiden ins Schloss fiel, erkannte ich erst wirklich das Ausmaß meines Wutausbruchs.
Überall lagen Bücher auf dem Boden und Charly lag zusammengekauert unter meinem Bett.
Shit.
Nach einer geschlagenen halben Stunde, in der ich wirklich alles versucht hatte, ihn wieder unter dem Bett hervor zu locken, gab ich schließlich auch das auf. ich hatte alles versucht und sogar 10 Minuten nach seinem Lieblingskuscheltier gesucht. Aber es half alles nichts
Burnout mit 19. Wahnsinn.
Völlig groggy schmiss ich mich wieder auf mein Bett und hoffte inständig, das Charly nicht genau unter der Kuhle lag, die mein Hintern mit den Jahren in die Matratze gedrückt hatte, sodass diese an der Stelle inzwischen schon fast auf dem Boden auflag. Um mir eine neue Matratze zu besorgen war sie mir aber noch nicht kaputt genug. dazu war weit mehr nötig.
Ich schnappte mir mein Handy, welches ich unter ein paar Büchern auf dem Boden fand und öffnete die Mail-App.
Das ich meinen Chef anrufen und ihm sagen würde, dass er wohl nicht mehr mit mir zu rechnen hatte, kam gar nicht in Frage und wenn ich nach dem Abschicken der Mail einfach nie wieder auf mein Handy schauen würde, müsste ich auch nie seine Antwort sehen. Es konnte so leicht sein
Vielleicht kam aber ja auch keine.
Wer kündigte denn schon ein langjähriges Arbeitsverhältnis per Mail.
Tja ich, so wie es aussah.
Schnell tippte ich ein paar Zeilen und ließ meinen Finger schließlich über dem „Senden" Symbol in der Luft schweben.
Die Wolke war immer noch rabenschwarz und ich ging aktuell auch nicht davon aus, dass sich dieser Zustand je wieder ändern würde.
Scheiß drauf.
Noch ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, lag mein Finger schon auf dem Button und ich drehte mein Handy reflexartig um.
Was zur Hölle hatte ich gerade getan?
Ich drehte mich auf den Rücken und fing an, die kleinen Huckel der Tapete an der Decke zu zählen, um mich irgendwie von dem abzulenken, was gerade passiert war.
Doch wirklich helfen tat es auch nicht. Ich konnte nur hier liegen und im Spiegel zusehen, wie die Wolke mich langsam auffraß. So ähnlich musste sich der Junge aus der Geschichte mit dem Wal gefühlt haben. Wer hier der Wal und er der Junge war, war ja wohl klar.

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