Chapter 3

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Nach 2 Stunden, in denen ich förmlich in Selbstmitleid versunken und meine einzige Beschäftigung das Starren von Löchern  an die Decke gewesen war sodass diese schon aussah wie ein Schweizer Käse,entschloss ich mich dazu, mein Zimmer zu verlassen.
Mühsam raffte ich mich auf und schnappte mir etwas zum Anziehen aus dem Schrank.
Als mein Blick auf den Dienstplan fiel, welcher an meinem Schrank hing, setzte mein Herz kurz aus.
Fuck.
Im Spiegel konnte ich erkennen, wie sich die Wolke prompt verdunkelte und mir fast die komplette Sicht raubte.
Scheiße Scheiße Scheiße.
Halb blind stolperte ich zum Bett um nach meinem Handy zu greifen.
Ich musste dringend mit meinem Chef sprechen, bevor ich bald gar keinen Job mehr hatte.
Den Bruchteil einer Sekunde erwartete ich, dass die Wolke sich wieder beruhigen würde, sobald ich dort anrief, aber es tat sich nichts. Im Gegenteil. Es wurde eher schlimmer.
Meine Hand zitterte so stark, das ich Mühe hatte, mein Handy zu halten, als ich die Nummer wählte.
Ich konnte es nicht. Resigniert ließ ich mein Handy wieder sinken. Was zur Hölle war los mit mir?

Wie in Trance schlüpfte ich in meinen Hoodie und meine schwarze Jogginghose und stapfte runter in die Küche.
Ich hatte noch nichtmal eine Ahnung, wie spät es war. Ein Blick auf die Uhr im Flur schaffte schnell Abhilfe. 9:34.
„Mutter!"
Ich bog um die Ecke und wäre fast mit meinem Vater zusammen gestoßen, der gerade eine Tasse Kaffee zum Tisch balancierte.
„Sie ist einkaufen und wollte so um 10:00 zurück sein. Guten Morgen erstmal."
„Morgen".  Ich versuche nichtmal meine schlechte Laune zu verbergen.
„Dad, kannst du bitte bei meinem Chef anrufen? Ich kriege es nicht auf die Reihe mit dieser", ich zeigte nach oben „scheiße da auf meinem Kopf"
Er sah mich verwirrt an.
„Du bist 19 Jahre alt. Das wirst du doch sicher selber hinbekommen oder was meinst du?
„Das ist ein Witz oder?"
Er wischte sich den Rest des Kaffees vom Mundwinkel. „Eigentlich nicht, nein."
„Dir ist doch klar, dass ich nicht mehr arbeiten gehen werde, bis das Ding da verschwunden ist, oder?"
Ich piekste mit dem Finger leicht gegen meinen ungebetenen Gast.
Er räusperte sich. Das war nie ein gutes Zeichen, denn das bedeutete meistens, dass er sich für eine Predigt bereitmachte.
„Es ist okay, wenn du dir die Woche eine Auszeit gönnen möchtest, aber über das Aufhören im allgemeinen reden wir nochmal"
„Ja, was auch immer", beschwichtigte ich ihn.
„Kannst du bitte einfach wenigstens heute da anrufen?"
„Okay".
Er sah wohl ein, dass eine Diskussion zwecklos war und griff nach seinem Handy.
„Danke"
Er nickte kurz und ging dann nach nebenan in's Wohnzimmer.
Ich streckte mich leicht. Vielleicht träumte ich ja immer noch. Leicht kniff ich mir in den Oberarm, doch das einzige was passierte, war die Entstehung eines Hämatoms. Ich war also doch wach.
Das Klingeln der Tür ließ mich zusammenfahren und mein Herz fing an zu rasen.
Stocksteif blieb ich wie angewurzelt stehen.
Wieder schellte es. „Finn!"
Mein Vater steckte den Kopf durch die Tür. „Mach bitte die Tür auf!"
„Ich.."
„Ich kann nicht!"
Bewegungsunfähig stand ich da.
Was sollte das jetzt? Erst der filmreife Auftritt a la Marry Poppins und jetzt konnte ich mich gar nicht mehr bewegen? Ich spürte die Wolke um mich herumwabern wie einen kleinen gehässigen Gnom.

Mein Vater schob sich  an mir vorbei und öffnete die Tür.
Ich drückte mich näher an die Wand und linste vorsichtig zur Tür. Als ich sah, dass es Jen war, traute ich mich aus meinem Versteck. Sie kam auf mich zu.
„Scheiße Finn! Das sieht ja mal krass aus!" „Ja, super", murrte ich.
„Ich finde das voll faszinierend!"
Sie hob einen Finger und berührte die Wolke leicht. Diese zog sich an der
Stelle zurück. Das war neu.
„Wow". Mit großen Augen sah sie mich an. Ich drückte ihre Hand wieder nach unten.
„Komm wir gehen nach oben".
„Finn, ich habe mit deinem Chef gesprochen und dich für die Woche angemeldet."
„Danke Dad."
Schnell huschte ich die Treppe rauf und zog Jen hinter mir her.
„Das ist ja mal total abgefahren!"
Sie war immer noch voll aus dem Häuschen. Ich scheuchte Charly vom Bett und ließ mich rücklings fallen.
Jen legte sich neben mich und so lagen wir Kopf an Wolke auf meinem Bett und starrten einfach nur Löcher in die Luft.
„Weißt du was komisch ist?", unterbrach sie nach einigen Minuten die Stille. „Was denn?"
„Wieso ausgerechnet eine Wolke? Wieso kein Blitz oder so?" Sie drehte sich zu mir um.
„Wenn ich das wüsste."
Ich stütze mich auf dem Ellenbogen ab und sah sie an.
Es war schwer sich darauf zu konzentrieren etwas durch die Wolke zu erkennen und noch schwerer war es, sich an das zu erinnern, was sie gerade eben gesagt hatte.
„Ich habe heute irgendwann noch einen Termin bei einem Dr. Karl"
Ich hatte nicht den blassesten Schimmer was das überhaupt für ein Arzt war, geschweige denn wann der der Termin sein sollte.
„Dr Karl?"

Jen räusperte sich. „‚Meinst du den Psychiater Dr. Karl?" „Nein, ich brauche doch keinen Psychiater!"
Entrüstet schaute ich sie an.
„Weißt du wo er seine Praxis hat?"
Sie wackelte leicht mit dem Fuß und ich wusste dass ihr unbehaglich zu Mute war.
„Ich habe den Überweisungsschein, da steht das drauf."
Ich langte hinter mich und hielt den Zettel hoch um etwas erkennen zu können.
„Gib mal her." Jen nahm mir den Zettel aus der Hand als sie merkte, dass es so nicht funktionierte.
Ihre Augen verengten sich.
„Und?" Ich sah sie an. „Sag schon"
„Hier steht's". Sie deutete mit dem Finger auf den Zettel und ich kniff angestrengt die Augen zusammen. Buchstabe für Buchstabe laß ich das Wort, welches vor seinem Namen in fetten Druckbuchstaben stand. „PSYCHIATER"
Ruckartig stand ich auf und wurde gleich wieder nach hinten gerissen. „Scheiße! Was war das denn?"
Jen stand über mich gebeugt und kriegte den Mund nicht mehr zu.
„Tja.. das ist dann wohl noch eine Sache die der Psychiater sicher erklären kann"
Der Sarkasmus war unüberhörbar.

Entschlossen wagte ich einen erneuten Versuch aufzustehen, diesmal war ich aber bedacht darauf, mich bloß nicht zu schnell zu bewegen.
„Ich komme gleich wieder". Ich nickte mit dem Kopf Richtung Tür.
Jen, die immer noch nicht verdaute hatte, was gerade geschehen war, nickte bloß.
Am Fuß der Treppe angekommen, konnte ich mehrere Stimmen hören, die aus dem Wohnzimmer kamen.
2 davon waren die meiner Eltern, die 3, konnte ich nicht zuordnen.
Ich lehnte mich mit meinem Gewicht gegen das Geländer und lauschte angestrengt.
„Danke das sie gekommen sind Dr. Karl". Mein Vater hatte sich getäuscht wenn er dachte, dass ich mich von einem Psychiater untersuchen lassen würde. Ich lehnte mich ein Stückchen nach vorne, um besser sehen zu können.
Zu weit. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel nach vorne.
Innerlich bereiteten ich mich auf den Sturz vor, doch mein Kopf blieb 2 cm über dem Boden einfach stehen.
Ich hörte Schritte und konnte nichts tun, außer in dieser Position zu verharren.
„Hallo Finn."
Ich drehte meinen Kopf leicht und über mir stand ein Mann, Mitte 40, mit einem weißen Kittel.
„Ich bin Dr. Karl."
„Sehr erfreut, wären Sie dann vielleicht so freundlich?"
Ich fühlte mich wie ein gestrandeter Wal, unfähig sich zu bewegen.

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