Chapter 4

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Etwas hilflos ruderte ich mit den Armen um mich aus dieser misslichen Lage zu befreien.
Mit einem Ruck griff Dr. Karl unter meine Arme und brachte mich so wieder in die Vertikale.
„Danke", murmelte ich.
„Keine Ursache!"
Er führte mich ins Wohnzimmer, was ich etwas seltsam fand, in Anbetracht der Tatsache, dass dies mein Haus war. Gut, genau genommen war es das meiner Eltern, aber das zählte auch.
„Dann erzähl mal"
Er wies auf den Sessel vom Sofa gegenüber, auf dem er saß. Es wurde immer seltsamer.
„Wo sind meine Eltern?"
Ich wippte unruhig mit dem Fuß.
„Die sind nebenan, du kannst sie jederzeit rufen wenn du willst." Fragend sah er mich an.
„Nein, alles gut."
Ich blickte hoch und versuchte meine Stimme gefasst klingen zu lassen. „Also?"
Verwirrt blickte ich zu ihm hinüber.
„Also was?"
„Die Frage Finn."
Seine Stimme klang beruhigend.
„Welche Frage?"
Meine Stimme zitterte und ich konnte nichts dagegen tun.
Der Druck auf meinem Kopf wurde sekündlich stärker.
„Ich wollte von dir wissen, wie das deiner Meinung nach passiert ist." Er blickte mich an und überschlug seine Beine.
Nervös blickte ich zur Tür, hinter der meine Eltern warteten. Nein; ich würde sie nicht holen. Ich war kein Baby mehr. „Ich.." Nervös räusperte ich mich.
„Ich weiß es nicht. Ich bin gestern einfach aufgewacht und da war sie." Resigniert schlug ich die Hände vor der Wolke zusammen.
„Hast du mal versucht, sie loszuwerden?" Interessiert schaute er sich das Gebilde an.
„Glauben Sie mir, das haben wir alle versucht."
Es herrschte eine seltsame Stille, Dr. Karl beobachtete mich lediglich und ich fühlte mich noch unwohler als vorher.
„Können Sie mal bitte etwas sagen?", platzte es aus mir heraus. „Ich denke nach."
Überlegend legte er den Finger unter sein Kinn. Ich hasste diese Pose.
Er griff in seine Tasche, die neben ihm stand und holte einen Block und einen Stift hervor.
Ich denke hier kommen wir mit der klassischen Psychotherapie nicht weit. Ich werde dir ein leichtes Medikament für den Anfang verschreiben."
Sein Blick wurde sanfter, nachdem er wohl den Namen aufgeschrieben hatte. Er reichte mir den Zettel und sah mich wieder an.
„Es kann sein, dass es nicht sofort besser, sondern erst schlimmer wird. Gib dem ganzen Bitte 4 Wochen Zeit, dann würde ich dich bitten, mich dann nochmal in meiner Praxis zu besuchen.
Die Adresse habe ich deinen Eltern nochmal gegeben."
Er stand auf und streckte mir die Hand hin. Ich nahm sie und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Das wars?"
„Ja, das war's erstmal."
Fassungslos blieb ich ich in meinem Sessel sitzen und beobachtete, wie er sich mit einem Lächeln von meinen Eltern verabschiedete.
„So ein Heuchler", murmelte ich, grade als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. „Finn, wie war es?"
Meine Mutter kam um den Sessel herum auf mich zu.
„Sag du es mir!", schleuderte ich ihr entgegen. Ich sah sie und meinen Vater, der sich neben sie gestellt hatte, entrüstet an.
„Wer von euch beiden ist auf die tolle Idee gekommen, einen Psychiater zu konsultieren?"
Wow, ich konnte ja sogar ansatzweise intelligent rüberkommen.
„Das war Dr. Fleh. Er meinte dass es gut sein kann, das es reine Kopfsache ist."
Ich konnte ganz genau sehen, wie meine Mutter meinem Vater einen Tritt verpasste.
„Einbildung also? Ich ballte meine Fäuste zusammen und versuchte mich zu beruhigen.
„Nein Schatz, das sagt ja keiner, nur wir müssen eben alles in Betracht ziehen.."
Meine Mutter legte ihre Hand auf meinen Arm doch ich zog ihn weg.
Ich kam mir vor wie in einer dieser Sitcoms in der in jeder Folge etwas dramatisches passierte. Widerlich.
„Ich gehe jetzt nach oben, Jen warte da schon ne halbe Ewigkeit." Ich stand auf und zog Optimus wabernd hinter mir her.

Oben angekommen machte ich meinen Ärger Luft, in dem ich meine Kissensammlung malträtierte.
Jen saß derweil über ihr Handy gebeugt an meinem Schreibtisch und durchforstete das Internet nach einer Chance auf Heilung, wie sie es nannte.
Es war müßig ihr zu erklären, dass sie das nicht weit bringen würde.
„Sagmal, kannst du heute hier schlafen?", riss ich sie aus ihrer Recherche. Sie schob sich ihre Brille wieder auf ihre Nasenspitze.
„Klar, ich muss dann morgen  nur relativ früh raus, um den Bus noch zu erwischen."
„Danke."
„Hm". Sie beugte sich wieder über ihr Handy. „Ich bin mal grade Duschen, ja?"
Ich erwartete keine Antwort und so schnappte ich mir meine Sachen und betrat das Bad.
Drinnen angekommen stellte ich mich vor den Spiegel und beobachtete jede Bewegung der Wolke.
Ich hatte immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass das alle nur ein böser Traum war.
Mein neuer Gast starrte mir aus dem Spiegel entgegen und hatte fast etwas hämisches an sich.
Ich drehte mich weg und drehte die Dusche auf.

Nach 20 Minuten entschied ich, dass ich die Wasserrechnung meiner Eltern genug strapaziert hatte und drehte den Hahn wieder zu.
Ich hatte erwartete, dass die Dusche mir guttun  würde, aber es war eher das Gegenteil eingetreten.
Es schien mir zwar nicht möglich zu sein, aber ich fühlte mich noch mieser
als vorher. Alles schien irgendwie noch wattiger und langsamer als vorher vor mir abzulaufen, wie ein schlechter Film.
Ich war gefangen in einer schlechten Seifenoper.
Wenigstens musste ich mir keine Gedanken mehr um meine Frisur zu machen, denn das war etwas, was die Wolke gut versteckte.

Als ich mein Zimmer wieder betratet, hatte Jen den Kopf nicht mehr in ihrem Handy vergraben. Sie saß im Schneidersitz auf meinem Bett und kraulte Charly.
„Hast du was gefunden?"
Ich warf das Handtuch in meinen Wäschesack und kniete mich zu ihr. Sie runzelte die Stirn. „Nicht wirklich"
„Also bin ich der einzige der das hat? Auf der ganzen Welt?"
„Keine Ahnung, ich habe nur Einträge von Leuten gefunden die von einem Gefühl berichteten, dass sie etwas auf dem Kopf haben, aber keiner hat ein Bild gepostet."
„Kann mir kaum vorstellen wieso das niemand gemacht hat." „Witzig."
Sie schaute mich an und legte mir den Arm um die Schulter. „Wir finden schon was."
„Naja, ich werde jetzt erstmal dieses Medikament nehmen müssen."
„Welches?"
„Keine Ahnung; der Zettel liegt noch unten. Meine Eltern können das holen und es sich von mir aus sonst wo hin schieben. Erst der Psychiater und jetzt das."
Ich ließ mich nach hinten sinken.

Nach einer Weile in der wir beide stumm vor uns hin überlegt hatten, streckte Jen sich.
„Ich geh mir mal die Beine vertreten, kommst du mit?" „Was? Etwa raus?"
„Ja? Was verstehst du denn darunter? Etwa einen Spaziergang durchs Haus?"
„Wäre  auch eine Idee oder nicht?"
Ich schlug die Arme hinter dem Nacken zusammen und versuchte demonstrativ mit der Matratze zu verschmelzen.
Jen sah mich an und hob eine Braue."Was soll das werden, Metamorphose?"
„Wenn es den hilft?",griente ich. Ich seufzte als sie ihren Blick immer noch nicht abgewandt hatte.
„Nein, ich bleibe hier. Grüß meine Eltern wenn du sie siehst." Süffisant grinsend schmiss ich ein Kissen nach ihr.
„Okay?" Sie verdrehte die Augen. „Bis später"

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