CHAPTER 5
Die folgenden Tage waren für mich nur ein einziger wirrer Brei aus verschiedenen Erinnerungen.
Ich nahm 2x täglich das Medikament, dessen Namen ich gar nicht erst versucht hatte, mir zu merken.
Ansonsten verbrachte ich soviel Zeit wie möglich in meinem Zimmer.
Seit Tag 0, wie ich ihn gerne nannte, war ich nicht 1 mal draußen gewesen. Die Fragen meiner Eltern, die inzwischen keine Fragen, sonder eher Befehle waren, dass ich doch unbedingt das Haus verlassen müsste, ignorierte ich.
Heute war Dienstag, der 21.6. Angefangen hatte alles vor genau einer Woche.
Ich versuchte das ganze mit meiner üblich sarkastisch pessimistischen Art zu sehen, was mir aber eher semi gut gelang. Mühsam schleppte ich mich ins Bad und starrte mein Ebenbild im Spiegel an, bis ich meinen Anblick schließlich nicht mehr ertragen konnte.
Ich fischte nach meiner Zahnbürste und drückte den letzten Rest Zahnpasta aus der Tube.
Gewaltsam quetschte ich meine Zahnbürste an der Wolke vorbei in meinen Mund. Mein Handy, welches auf dem Waschbecken lag, pingte leise.
„Finn, komm runter, wir müssen mal reden." Eine Nachricht von meiner Mutter.
Das sonst so entspannte Verhältnis zu meinen Eltern litt wahnsinnig unter der ganzen Situation.
Ich würde lügen wenn ich sage, dass ich immer ein vorbildlicher Sohn war, aber alle meiner Fehltritte wurden von dem hier völlig in den Schatten gestellt. Obwohl das hier genau genommen ja nicht meine Schuld war. Aber da schieden sich wohl die Geister.
„Komme", tippte ich ein.Meine Mutter stand mit verschränkten Armen an das Treppengeländer gelehnt und wartete scheinbar nur auf mich.
„Guten Morgen."
Ich versuchte mich aus der Affäre zu ziehen doch ihrem Blick nach zu urteilen ließ sie mir das nicht durchgehen.
Ich schlich an ihr vorbei in die Küche und angelte mir eine Schüssel aus dem Schrank.
Mit einem Ruck drückte sie den Schrank wieder zu.
Von der Druckwelle erfasst wurde ich von der Wolke nach hinten geschoben. „Ey!"
„Es reicht jetzt!" „Was ist denn?"
Mir wurde sofort heiß und das allzu vertraute ziehen um meinen Kopf herum machte sich wieder bemerkbar.
„Du verlässt das Haus nicht mehr und schottest dich ab. Nimmst du deine Medikamente wenigstens?"
„Ja. Ja doch"
Ich sollte ihr vielleicht von den Problemen erzählen, die ich seit dem hatte.
Von Besserung war nichts zu spüren, stattdessen konnte ich beim Toilettenbesuch jetzt nur noch in Abständen pinkeln. Vielleicht könnte ich mich beim Bund bewerben und Morsezeichen pissen. Ich entschied mich, ihr nichts davon zu erzählen.
„Dr. Fleh hat dir einen Termin beim MRT gemacht, dafür musst du aber das Haus verlassen. Der wäre heute."
Entrüstet drehte ich mich um. „Das kannst du vergessen!"
Meine Mutter sprang abrupt auf.
„Verdammt nochmal Finn! Ich habe das Gefühl du willst gar nicht gesund werden!"
„Was?". Ich spürte wie sich meine Kehle zuschnürte.
Ohne mein Zutun tropfte mir eine Träne nach der anderen auf die Hose. Meine Mutter rieb sich die Augen.
„Wir wissen doch auch nicht, was das alles soll."
Sie sah müde aus, das sah ich sogar durch den Schleier der Tränen.
Die Wolke verdunkelte sich wieder und ich drohte mal wieder davon verschluckt zu werden.
„Gut, ich gehe zu diesem MRT."Ich schniefte leicht.
„Dann wissen wir wenigstens etwas genaueres." Meine Mutter schob mir eine Schale Müsli hin.
Ich hatte nichtmal mitbekommen; dass sie das für mich fertig gemacht hatte, während wir sprachen.
Alles zog einfach so an mir vorbei.
„Danke, ich habe keinen Hunger mehr Mum."Ich öffnete die Augen und fand mich in meinem Zimmer wieder.
Wie zur Hölle war ich denn hier hergekommen?
Etwas verdattert blickte ich mich um. Mein Blick blieb an Jen hängen.
„Was...?"
„Was ist los?" Sie schaute auf.
Mein Blick wanderte von der Tür zu ihr und wieder zurück. „Wie bin ich hier hergekommen?"
„Was meinst du?" Leicht verwundert sah sie mich an.
„Ich meine, wie zur Hölle ich hier herkomme! Ich erinnere mich nämlich nur noch daran, dass ich unten mit meiner Mum geredet habe und dann war ich plötzlich hier."
„Finn." Ihre Stimme klang seltsam ruhig. „Das war vor über einer Stunde."
„Was?"
Meine Ohren klingelten.
„Du bist seit einer Stunde wieder hier oben.." „Du verarscht mich doch.."
Sie stand langsam auf.
„Ich glaube eher, dass du mich verarschst.. wenn ja, dann ist das nicht lustig."
Fassungslos hob ich die Hände.
„Ich schwöre, dass ich nicht lüge!" „Ich gehe jetzt, das wird mir zu viel." „Viel Spaß."
Ein Teil von mir wusste, dass ich mich wie 12 verhielt, aber ich hatte nichts falsches getan.
Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihr ins Schloss und ich versuchte zu verstehen was grade passiert war.Eine urplötzliche Wut machte sich in mir breit.
Mit voller Geschwindigkeit rannte ich auf die Tür zu und wartete auf den befriedigenden Schmerz, doch es geschah nichts. Ich spürte rein gar nichts.
Die Wolke breitete sich um den Rest meines Körpers aus und ich war so müde, dass ich mich nichtmal dagegen wehrte.Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, lag ich wieder auf meinem Bett.
Ich fragte erst garnicht, wie ich dahin gekommen war.
Schnell griff ich nach dem Glas, was neben mir auf dem Nachttisch stand und leerte es in einem Zug.
Als ich mich umschaute, sah ich meine Mutter in der Tür stehen. „Was zur..."
Erschrocken fuhr ich hoch.
„Was machst du denn hier?" Sie schaltete das Licht ein.
„Jen ist mir vorhin völlig aufgelöst entgegengekommen und da dachte ich, sehe ich doch mal nach dir." Sie setzte sich neben mich auf's Bett.
„Also, was ist passiert?"
„Muss ich da jetzt grade unbedingt drauf antworten?", murrte ich.
„Nein, musst du nicht. Aber du könntest dich mal fragen wieso du um", sie blickte auf ihre Armbanduhr, die ihr mein Vater vor 2 Jahren geschenkt hatte," um 13:45 noch im Bett liegst."
„Hmm okay."
Ich konnte mir denken, in welche Richtung dieses Gespräch verlaufen würde. Also lenkte ich es auf ein Thema, über das sie sicher gerne reden würde. „Also, wann ist dieses MRT?"
Ich sah ein leichtes Lächeln in ihrem Gesicht aufblitzen, welches aber nicht ihre Augen erreichte.
„Um 16:00. Ich würde dich natürlich auch fahren wenn du möchtest."
Soweit würde es noch kommen, dass ich mit dem Bus fahren würde und jeder mich so sehen würde. Nein danke.
„Ja, möchte ich."
„Gut, dann komm bitte um halb runter, ja?" „Ja, mache ich."Die Zeit zog sich zäh wie ein Kaugummi und ich wusste nicht, ob ich Angst haben sollte, oder so etwas wie Hoffnung verspürte. Vielleicht würde das ganze dann endlich ein Ende haben.
Ich drückte meine tägliche Droge aus dem Blister und schob sie mir mit Gewalt in den Mund.
„Finn!"
Gott, diese Frau hatte ja Organ. Zum fürchten war das. „Ich komme ja schon!"
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High
General FictionOb es leicht ist, sich von Arzt zu Arzt zu schleppen, die einem alle nur unendlich viele Medikamente verschreiben, nur um dann eine furchtbare Diagnose zu bekommen? Sicher nicht. Doch wirklich scheiße ist es, nach unendlich vielen Stunden, verbracht...