Chapter 6

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Meine Mutter stand in der Haustür und blickte mich abwartend an. „Kommst du?"
„Hm."
Unsicher blickte ich nach draußen. Nachbarin Gertrude würde sicher von ihrer Leiter fallen, mit der sie sich immer einen Überblick über die Nachbarschaft verschaffte, wenn sie mich so sah.
Kurzerhand stülpte ich mir meine Jacke über den Kopf. Ich fühlte mich wie ein Schwerverbrecher auf dem Weg in den Gerichtssaal.
„Ahh, ich sehe schon, heute gibts wohl nur das Model Typ Erstickungstod." Das passierte wenn meine Mutter versuchte, witzig zu sein.
Schnell huschte ich an ihr vorbei zum Auto.
„Kommst du jetzt?", drängte ich sie.
Ich lief gebückt als würde mich eine Horde Paparazzi verfolgen. Schnell linste ich nach oben, doch von Gertrude war keine Spur. Ich zog die Tür unseres Autos auf und sprang hinein.
Es war genau das, was ihr jetzt erwartet. Ein kleiner schwarzer Minivan.
10 Minuten später kamen wir am Ziel an. Es überraschte mich nicht wirklich, dass es ein Krankenhaus war. Klar, MRT's wuchsen in der Regel auch nicht auf Bäumen.
In der Spieglung der Scheibe konnte ich das drohende Unheil auf meinem Kopf erkennen. Es war schon so etwas wie eine Routine eingekehrt. Jedes Mal, wenn ich es am wenigstens brauchen konnte, passierte diese Scheiße. Ich ignorierte das Ziehen und atmete tief durch.
„Du schaffst das Finn.", laß meine Mutter meine Gedanken
„Ja, wird schon schiefgehen", spielte ich die Situation herunter.
Das MRT machte mir gerade weniger zu schaffen als die Situation mit Jen, die sich immer wieder in meinem Kopf abspielte. Ich vergaß zwar alles andere, aber das irgendwie nicht.
„Na komm."
Meine Mutter hielt mir die Tür auf.

Drinnen angekommen richteten sich sofort alle Blicke auf mich. Einen kurzen Moment war ich verwirrt, da man die Wolke ja nicht sehen konnte, aber dann kam auch schon die Dame von der Rezeption auf uns zugeeilt.
„Sie dürfen hier drin nicht so vermummt sein junger Mann."
Ob sie das wohl auch zu Leuten sagte, die das auf Grund ihrer Religion taten? Ich spürte die Hand meiner Mutter auf meiner Schulter.
Die Leute schauten immer noch her. Scheiße.
Der Druck auf meinem Kopf wurde stärker.
Nein; ich würde jetzt nicht aufgeben.
Mit einem Ruck zog ich mir die Jacke vom Kopf.
Ein Raunen ging durch den Raum und die Rezeptionsdame sah mich beschämt an. „Sie können es wieder aufziehen wenn Sie möchten."
Na toll.
Ich klammerte mich mit der Hand an dem Balken neben mir fest, der aus dem Boden ragte. „Wir haben ein Termin beim MRT."
Meine Mutter hatte ihre Hand immer noch auf meiner Schulter liegen. „Natürlich. Ich begleite sie"
Eilig lief sie voraus.
Meine Mutter schüttelte leicht den Kopf.
Mit gesengtem Kopf schlängelte ich mich an den Schaulustigen Menschen vorbei und auch wenn ich nicht hinsah, konnte ich ihre Blicke allzu deutlich auf mir spüren.
Die Wolke begleitete mich wabernd, während ich versuchte mit der Dame vom Empfang Schritt zu halten und dabei nicht über meine eigenen Füße zu fallen.
„Hier, bitte."
Sie deutete auf einen freien Stuhl im Wartebereich, der gut versteckt lag. Ich fläzte mich auf den Stuhl und zog mir wieder die Jacke über den Kopf.

„Alles okay?"
Meine Mutter klang besorgt.
„Klar, es hat mich ja nur jeder einzelne Mensch da unten angestarrt. Aber sonst ist alles super." „Du musst.."
Sie wurde von der Tür unterbrochen, die neben ihr aufging. „Herr Klee?"
Ich hob meinen Arm, ohne die Jacke von meinem Kopf zu streifen. „Finn!"
Die Person, die aus der Tür gekommen war, lachte.
„Ist schon okay." „Danke."
„Dann komm mal mit."
Seine Hand legte sich auf meinen Rücken und er schob mich nach vorne. „Ich warte hier Finn."
Dann ging die Tür wieder zu.
„Du kannst die Jacke jetzt abmachen, hier ist keiner."
Ich zog sie mir vom Kopf und blinzelte leicht. Alles war so weiß hier. Was hatte ich in einem Krankenhaus auch anderes erwartet.
Wahrscheinlich alles in knallbunt. Wäre mal eine Idee. Der Mann mit gegenüber strahlte mich an.
„Ich bin Dr. Hermann, ich mache heute das MRT mit dir."
Er klopfte auf die Liege neben mich. „Dann nimm mal Platz."
Er hatte den Blick zu schnell abgewandt. Sowas taten Menschen nur, wenn sie nicht den Anschein erwecken wollten zu starren. Normal war etwas anderes.
Resigniert ließ ich mich auf die Liege fallen.
„Es kann gleich etwas laut werden, wie ein Klopfen. Da gewöhnt man sich aber schnell dran." Er nickte in eine Richtung, die ich von hier unten nicht sehen konnte.
„Ich bin hinter der Scheibe, ich kann dich auch hören. Also wenn was ist, einfach Rufen." Er lächelte mir nochmal aufmunternd zu und verschwand dann.
Mit einem leisen vibrieren wurde ich nach hinten in die Röhre geschoben.
Über mir hing ein Spiegel. Na toll.
Bei genauerer Betrachtung konnte ich aber sehen, das ich von hier einen super Blick auf die Scheibe hatte, hinter der der Arzt stand.
„Finn?"
Die Stimme von Dr. Hermann ertönte unmittelbar neben meinem Ohr.
„Es geht jetzt los, es ist wichtig, dass du dich nicht bewegst."
Ein lautest, rhythmisches Klopfen ertönte. Das musste das Geräusch sein von dem Dr. Hermann gesprochen hatte. Ich entschloss mich einfach dazu, das Geschehen hinter der Scheibe zu beobachten.
Komisch, ich war seltsam ruhig obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich nach der Diagnose, die ich ja vielleicht heute bekam, tun sollte.
Ein paar Frauen kamen in den Raum hinter der Scheibe und setzten sich an die Bildschirme. Wahrscheinlich Arzthelferinnen. Einige Zeit geschah nichts spektakuläres, bis der Arzt wieder den Raum betrat.
Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er den Raum verlassen hatte.
Er beugte sich zusammen mit einer der Frauen über den Bildschirm. Seine Stirn legte sich in besorgte Falten. Plötzlich sprang die Frau auf. Es herrschte ein reges Durcheinander.
„Finn?"

Ich blinzelte und versuchte mich auf die Stimme zu konzentrieren. Ich spürte, wie sich mein neuer Freund seinen Weg von meinem Kopf zu meinem Hals bahnte.
„Finn! Ist alles okay?"
Aus meinem Mund kam nur ein Krächzen.
Ich versuchte zu nicken doch auch das klappte nicht. Wieso zur Hölle waren alle so aufgeregt da drin.
Meine Gedanken rasten durch meinen Kopf und ich konnte keinen richtig greifen. „Hirntumor"
Das war das letzte Wort was mir durch den Kopf schoss, bevor ich wieder von der Wolke überrollt wurde.

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